Rosenheim – Kurz ist es dunkel, dann wird die Kamera auf drei Personen gerichtet. Sie tragen Sonnenbrillen, ihre Köpfe sind mit schwarzen Schals verhüllt. Sie haben weiße Schutzanzüge an, im Hintergrund sind die Überbleibsel einer Küche zu erkennen. Die drei Personen trinken Kaffee, blättern durch Zeitschriften. An der Wand hängen diverse Plakate. Plötzlich beginnt eine der Personen zu sprechen. Die Stimme ist verzerrt und schwer zu verstehen. „Wir sind gerade aufgewacht aus einer Nacht voller Schlaf in unserem neuen Haus“, heißt es. Man freue sich auf einen Tag ohne „Bullen und staatliche Eingriffe“, werde Kaffee trinken, lesen, essen und „das neue Haus einrichten“.
Es ist ein Ausschnitt von dem Video, welches das Kollektiv „Häuser besetzen“ in den sozialen Medien hochgeladen hat – und soll als Beweis dafür dienen, dass in Rosenheim tatsächlich ein Haus besetzt ist. Nur wo, das wollen sie nicht verraten. „Wir werden den Ort unseres neuen Hauses nicht öffentlich machen, wir möchten aktuell leerstehenden Wohnraum wiederbeleben und Wohnraum frei von Profitmaximierung schaffen“, heißt es vonseiten der Aktivisten. Wie lange die drei in dem Haus bleiben wollen, stehe bisher noch nicht fest. Über die sozialen Medien wollen sie regelmäßig über den Stand der Dinge zur Besetzung berichten.
Die Polizei reagiert auf die momentane Situation eher gelassen. „Uns liegen aktuell keine Information zu einer ‚Hausbesetzung‘ vor“, sagt Polizeihauptkommissar Robert Maurer. Bei entsprechenden Erkenntnissen oder Mitteilungen prüft die Polizei ihm zufolge strafrechtliche Tatbestände, beispielsweise also, ob es sich um einen Hausfriedensbruch handelt. „Im Einzelfall entscheiden wir vor Ort über weitere polizeiliche Maßnahmen“, ergänzt Maurer.
Nachdem bekannt wurde, dass es in Rosenheim erneut eine Hausbesetzung geben soll, äußerte sich auch die SPD in einer Pressemitteilung. „Ich verurteile das Besetzen fremden Eigentums gegen den Willen des Eigentümers“, sagt Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan. Die listige Raffinesse der Aktivisten dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich beim Besetzen fremder Häuser in der Regel um eine Straftat handle. „Ich verurteile aber auch die bewusste Inkaufnahme des Leerstands von Wohnimmobilien, obwohl sich zum Teil auf eine Wohnungsbesichtigung mal schnell 100 Personen bewerben“, so Erdogan weiter. Er macht damit auf ein seit Jahren bestehendes Problem aufmerksam: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
„Es mangelt nicht nur, aber auch an bezahlbarem Wohnraum, weil Wohnimmobilien aus diversen Gründen leer gelassen werden“, ergänzt Ricarda Krüger, stellvertretende SPD-Vorsitzende. Ihrer Meinung nach seien die Probleme jedoch nicht durch Aktivismus zu lösen, sondern benötigen politische Antworten, die sie zum Teil von der Stadtverwaltung vermisse.
„Der Gesetzgeber hat den Kommunen eine Reihe von Möglichkeiten zur Hand gegeben, gegen den Leerstand von Wohnimmobilien vorzugehen“, sagt Erdogan. Als Beispiel nennt er die sogenannte Zweckentfremdungssatzung, mit Hilfe derer grundlose Leerstände von Wohnimmobilien in Gegenden mit angespanntem Wohnraum sanktioniert werden können. Die SPD hat hierzu einen entsprechenden Antrag gestellt. Umgesetzt wurde er laut Erdogan bis heute nicht. Anna Heise