Rosenheim – Ein frecher, selbstbewusst und herausfordernd blickender Junge in kurzer Hose, Shirt und Turnschuhen steht mitten auf dem Hof der Grund- und Mittelschule Fürstätt. Den Bronzebuben hat Erika Maria Lankes 1981 geschaffen und dabei auf eine Figur zurückgegriffen, die sie wenige Jahre zuvor entwickelt hatte.
Ein Rückblick verdeutlicht den künstlerischen Weg der Bildhauerin zu ihren Menschenfiguren. 1968 war Erika Maria Lankes auf der Biennale in Venedig beim Anblick der Skulptur „Girl on a Couch“ von Frank Gallo ein neues Material aufgefallen, das sie sofort faszinierte: Polyester.
In der Folge wandte sie sich völlig von der Keramik ab, die bis dahin ihr Schaffen in kleinformatigen Arbeiten dominiert hatte, und dem Kunststoff zu. Das notwendige Material sowie Tipps für die Bearbeitung erhielt sie in Kolbermoor bei der Firma „Voss Chemie“.
Doch es war nicht nur ein grundlegender Wechsel des Materials, sondern auch des Themas und des Ausdrucks. Ab 1971 widmete sich Lankes ganz der Darstellung von Menschen in realistischen Polyester-Plastiken, die die als Modell zugrunde liegenden Personen in ihrer ganzen Verletzlichkeit zeigten.
Es ging ihr nie vordergründig um die Schönheit eines Menschen, sondern um seine Charakteristik und die Spuren, die das Leben hinterlassen hat. Wahrhaftigkeit, lautete ihre Forderung. In einem Gastsemester 1974/75 an der Münchner Kunstakademie bei der gleichaltrigen Ingeborg Maier-Buss, die als Werkstattleiterin für Kunststoff eine Experimentierwerkstatt mit Polyester anbot, konnte Erika Maria Lankes ihre Fertigkeiten im Umgang mit dem anspruchsvollen Material vertiefen.
Eine dieser ganz frühen Polyesterarbeiten „Eva K., Klasse 7a“ von 1973 steht in der Lobby des Rathauses Stephanskirchen.
Schon bei dieser Figur ihrer Nichte wird der künstlerische Weg deutlich: Zeigen, wie es ist. Keine gekünstelte Pose, keine spezielle Aufmachung.
Von 1977 bis 1979 modelliert Erika Maria Lankes dann aus Polyester die „Schülergruppe an der Ampel“, die fünf unterschiedlich alte Schulkinder – drei Buben, zwei Mädchen – umsetzt, die an dem Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren“ stehen und warten, bis sie die Straße überqueren können. Diese Schülergruppe erregte damals Aufmerksamkeit und rückte die Bildhauerin ins Licht der Öffentlichkeit.
Den kleinsten Jungen aus dieser Gruppe, den „Matthiasl“, entdecken wir wieder im Fürstätter Schulhof. Doch während er sich in der „Schülergruppe an der Ampel“ noch versteckt im Hintergrund hält, steht er nun als Einzelfigur isoliert auf einem hohen Betonsockel. Dies verleiht der Figur eine ganz andere Monumentalität und Gewichtung, die durch das Material Bronze noch unterstrichen werden. Ganz zu Recht erhielt die Arbeit den Titel „Schülerdenkmal“.
Erika Maria Lankes hatte Bronze ursprünglich als zu edel und zu traditionsbelastet abgelehnt.
Doch als im Zuge des Baus der Stadthalle der Salingarten unter der Ägide des damaligen Kulturreferenten Dr. Eugen Weigl als Skulpturenpark neu strukturiert und aufgewertet werden sollte, änderte sich die Haltung der Künstlerin. 1981 hatte sich der Kunstverein Rosenheim bereit erklärt, den Guss der Lankes-Figur „Ältere Frau“, die später Teil der Gruppe „Passanten“ werden sollte, zu finanzieren.
Als Material kam nur die wetterbeständige Bronze in Frage; Polyester ist für den Außenbereich ungeeignet. Nun war der Bann gebrochen und nicht nur der „Matthiasl“ wurde in der Folge als Bronzefigur der Bildhauerin gegossen.
Einen der üblichen geraden Steinblöcke als Sockel lehnte Erika Maria Lankes als unpassend ab. Die Idee kam beim Spazierengehen, als die Künstlerin öfters beobachtete, dass Kinder gerne irgendwo hinauf klettern. So kam der Schulbub auf seinen „Felsen“.