Kolbermoor – Julia Hartinger ist eine von wenigen Elektronikerinnen bei Elektro Hartinger – und zugleich Geschäftsleiterin der Firma. Gar nicht so leicht, wie sie im Gespräch mit dem OVB verrät. Wie sich die 29-Jährige trotzdem nicht unterkriegen lässt und was sie anderen Frauen rät, die ebenfalls einen stereotypisch „männlichen“ Beruf anstreben.
Frau Hartinger, warum haben Sie sich dazu entschieden, in Ihren Familienbetrieb einzusteigen und Elektronikerin zu werden?
Das Handwerkliche hat mir bereits als Kind viel Spaß gemacht. Als ich sechs Jahre alt war, sind wir hinter unsere Firma gezogen, weshalb ich dann so gut wie den ganzen Tag hier am Hof war. Viele meiner Kollegen kennen mich schon von klein auf. Mit 14 habe ich dann einen Ferienjob bei uns angefangen – allerdings nur im Büro.
Ich habe relativ schnell gemerkt, dass das nicht so meins ist. Das war mir einfach zu langweilig. Also habe ich mir die Arbeit auf der Baustelle angeschaut, die mir sofort richtig Spaß gemacht hat. 2013 habe ich also bei der Kölner Firma Elektro Duschl eine dreijährige Ausbildung absolviert.
Ich habe sehr viel Freude daran, handwerklich tätig zu sein. Es ist einfach sehr spannend, im wahrsten Sinne des Wortes (lacht). Mir war aber auch ganz wichtig, dass der Betrieb einen Nachfolger hat. Meine Familie hat das Unternehmen über Jahrzehnte hinweg mit viel Fleiß aufgebaut. Mir würde das Herz bluten, wenn es dann nicht in gute Hände kommen würde.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrem männerdominierten Beruf?
Es gibt einige. Als Frau muss man sich hier erst mal behaupten, um akzeptiert zu werden. Ist das geschafft, läuft es wie geschmiert.
Hatten Sie es schon mal mit frauenfeindlichen Bemerkungen zu tun?
Tatsächlich weder bei meinem Lehrbetrieb noch hier bei Elektro Hartinger. Da sind die Männer eher so, dass sie sehr auf einen achten. Aber auf der Baustelle sind auch von Kunden schon wirklich abfällige Bemerkungen gefallen. Zum Beispiel Sprüche wie: „Das können Sie als Frau doch eh nicht.“
Wie gehen Sie damit um?
Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, kann das wirklich wehtun. Ich gebe auch ganz ehrlich zu, dass ich die ersten vier Wochen von meiner Ausbildung häufig an mir gezweifelt habe. Aber Aufgeben war keine Option.
Ich dachte mir: „Wenn ich das jetzt nicht durchziehe, dann schaffen die ja genau das, was sie wollten.“ Also habe ich mir ein dickeres Fell angelegt. Leider gibt es diese Stereotypisierung auch heute immer wieder, was sehr traurig ist. Wir arbeiten aber stets daran.
Welche Chancen sehen Sie als Frau in der Geschäftsleitung von Elektro Hartinger?
Chancen sehe ich vor allen Dingen darin, dass Frauen einfach feinfühliger sind. Wir sind wie eine große Familie und eben nicht nur von geschäftlicher Natur. Wenn mal irgendetwas ist, wissen auch die Jungs und Mädels, dass ich jederzeit als Ansprechpartnerin für sie da bin. Auch bei Kunden ist diese Feinfühligkeit natürlich ganz entscheidend. Mein offenes Ohr ist wirklich eine meiner wichtigsten Qualitäten als Geschäftsleiterin.
Was nehmen Sie sich als Geschäftsleiterin für die Zukunft Ihrer Firma vor?
Ich erhoffe mir auf jeden Fall, dass dieses familiäre Umfeld so bleibt, wie es jetzt ist. In unserem Betrieb ist jeder gleich viel wert. Ich habe ein Sprichwort, das das gut zum Ausdruck bringt: „Jeder ist wie ein Zahnrad in einem großen System: Wenn ein Zahnrad nicht mehr funktioniert, dann kann das ganze System nicht mehr funktionieren.“ Vom Azubi über die Putzkraft bis hin zur Geschäftsleitung, jeder ist ein extrem wichtiger Baustein in diesem Zahnrad. Wir nehmen uns vor, dass dieser Teamzusammenhalt und dieses Familiäre unseren Betrieb auch in Zukunft ausmacht.
Warum sollte es allgemein mehr Frauen in führenden Positionen geben?
Ich finde es extrem wichtig, dass Frauen – gerade in von Männern dominierten Berufen – mehr in Führungsrollen reinwachsen, weil wir einfach einen anderen Blick auf gewisse Dinge haben.
Die Männer sind meist sehr pragmatisch, wohingegen wir Frauen teilweise viel offener und kreativer sind. Diese klassische patriarchische Führung ist meines Erachtens eine veraltete Struktur, die wir Frauen schneller und besser durchbrechen. Deshalb denke ich, dass dem ein oder anderen Betrieb mehr weibliche Führungskräfte sehr guttun würden.
Was wollen Sie unseren Leserinnen mitgeben, die ebenfalls eine Karriere in einem Beruf anstreben, der stereotypisch „männlich“ ist?
Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Aller Anfang ist schwer, aber es ist sehr wichtig, sich durch Taten und nicht durch Worte zu beweisen. Man muss versuchen, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Dann wird man relativ schnell merken, dass man doch ernst genommen wird. Wir dürfen nicht mehr in Schubladen denken. Wir Mädels können alles schaffen.
Interview: Qiana Eisenreich