Rosenheim – Es piept. Plötzlich hört man einen Schrei. Dann ist es still. Lorenz Lichtenauer schaut auf den Monitor, überprüft Puls und Blutdruck. Die Patientin blinzelt, stöhnt und sagt laut „Nein“. An sich wäre das nicht weiter verwunderlich, wenn es sich bei der Patientin nicht um eine Puppe handeln würde. „Die können sich richtig laut bemerkbar machen“, sagt Lichtenauer. Seit September 2022 macht er seine Ausbildung zum Pflegefachmann am Romed-Bildungscampus in der Brückenstraße.
2500 Praxis- und
2100 Theoriestunden
Er ist einer von insgesamt 300 Schülern, der sich hier auf seinen zukünftigen Beruf im Gesundheitswesen vorbereitet. Neben den 2500 Praxisstunden, die unter anderem in Akut-Kliniken, bei ambulanten Pflegediensten, in der psychiatrischen Versorgung oder in einem Altenheim stattfinden, muss er auch 2100 Theoriestunden absolvieren. Einige davon finden in dem sogenannten Skills-Lab statt, in dem vier Simulationspuppen liegen. „An den Trainingssimulatoren können die Schüler neben Blutdruck und Puls auch die Atem- und Darmgeräusche kontrollieren“, sagt Gunnar Leroy. Er ist der Gesamtschulleiter der Romed-Berufsfachschulen und hat an diesem Vormittag zu einer Führung eingeladen.
Auf der einen Seite des Skills-Lab liegen die vier Pflegepuppen in ihren Krankenbetten, auf der anderen Seite gibt es mehrere Inkubatoren, in denen Baby-Puppen liegen. An einigen Puppen hängen Schläuche, wieder andere tragen Katheter, Infusionen oder ein Blutdruck-Messgerät. „Die Trainingssimulatoren lassen sich auch auf bestimmte Lebenssituationen programmieren“, sagt Gunnar Leroy. Sie können nicht nur stöhnen, sondern auch sprechen und Schmerzen äußern. Wenn eine Puppe etwa anfängt zu schreien und der Blutdruck sinkt, müssen die Schüler schnellstmöglich reagieren – wie im richtigen Leben auch.
„Die Puppen sind
sehr realistisch“
„Natürlich ist ein echter Mensch noch einmal etwas anderes. Aber die Puppen sind sehr realistisch“, sagt Lorenz Lichtenauer. So können die Schüler an den Pflegepuppen auch Verbände wechseln, eine Magensonde platzieren oder Infusionen anlegen. Vier Schüler pro Bett kümmern sich während des Unterrichts um die „Patienten“. Hin und wieder kommt es vor, dass sich die Schüler selbst in eines der Betten legen. Sie lernen aneinander, wie Zähne richtig gepflegt werden, wie es sich anfühlt, von einem anderen Menschen rasiert zu werden und wie, wenn man gefüttert wird.
Vom Skills-Lab führt Gunnar Leroy in den Röntgenraum. Im vorderen Bereich lernen fünf Schüler gerade, welche Kriterien ein Röntgenbild erfüllen muss. Im hinteren Bereich steht ein Röntgengerät. An der Wand hängt ein Strahlenschutz. Silke Kainzmaier, Lehrerin der MRT-Schule, ruft ein Bild auf, erklärt die Besonderheiten. „Innerhalb von drei Jahren lernen unsere Schüler 110 Aufnahmen auszuwerten“, sagt sie. Dabei handele es sich um die gängigsten Aufnahmen.
Vom Röntgenraum geht es weiter in einen Übungsraum für Strahlentherapie. Hier haben die Schüler die Möglichkeit, mithilfe eines 3D-Beamers und in Verbindung mit 3D-Brillen ein virtuelles Strahlentherapiegerät zu bedienen. Für die Einstellung des Geräts und für die Steuerung der Liege, über die der Patient positioniert wird, gibt es eine echte Fernbedienung. „Per Mausklick können sich die Schüler erst einmal gefahrlos in dem Raum bewegen, in dem die Strahlentherapie stattfindet und ihn so kennenlernen“, erklärt Anna Albert.
Zudem lernen sie, wie man einen Tumor am besten bestrahlt, ohne gesunde Organe zu verletzen. Zusätzlich ermöglicht das Simulationssystem die Vermittlung der menschlichen Anatomie in 3D. Im Grunde können sich die Schüler – wie in einem Science-Fiction-Film – durch den menschlichen Körper bewegen. „Durch unsere Möglichkeiten zur Ausbildung am Campus bekommen die Schüler eine sehr gute Vorstellung davon, wie es in der Praxis funktioniert“, sagt Albert.
Auch Operationen
sind simulierbar
Vom Übungsraum geht es in den Keller. Hier befinden sich die sogenannten OP-Räume. Schüler lernen dort, wie man die Patienten intubiert und wie die Beatmung funktioniert. Sie messen Blutdruck, üben am Narkosegerät und kümmern sich um die Vor- und Nachbereitung von Patienten.
In der Mitte des Raums liegt eine Pflegepuppe, die im Moment intubiert ist. Das grüne OP-Tuch liegt über dem Körper, davor steht ein Tisch mit verschiedenen OP-Instrumenten. Das Piepen der Maschinen erinnert an den richtigen OP-Saal im Krankenhaus. „Die Schüler können auch das Nadellegen üben“, sagt Leroy. Sie erfahren, was der Patient in einer Narkose braucht, wie Operationen ablaufen und wie man die Beatmung anpasst – alles immer in enger Abstimmung mit den Ärzten.
Wenn die Schüler nicht gerade röntgen, bestrahlen oder Puppen versorgen, lernen sie in einem der digitalen Klassenzimmer. Hier finden auch Fort- und Weiterbildungen für die Kollegen aus dem Romed-Klinikum und weiteren Gesundheitseinrichtungen statt. Auf dem Programm stehen unter anderem Seminare für Führungspositionen, Notfallmanagement, der Kurs „Fit for Pädiatrie“ oder Intensivweiterbildungen. „Durch die Nähe zur Romed Fort- und Weiterbildung ist der Austausch zwischen erfahrenen Berufsprofis und den Auszubildenden ganz leicht möglich“, sagt Stefan Rotter, der fachliche Leiter des Bereichs „Weiterbildung Praxisanleitung“.
Vorfreude auf den
„Tag der offenen Tür“
Er und seine Kollegen hoffen, dass es durch die zahlreichen Vorzüge, die der Bildungscampus mit sich bringt, gelingt, noch mehr Leute für einen Beruf im Gesundheitswesen zu begeistern. Aus diesem Grund findet am morgigen Mittwoch ein offener Tag statt. Angeboten werden Workshops zur Händehygiene und Vitalzeichenkontrolle, Übungen an der Trainingspuppe „Nursing Anne“ sowie 3D-Simultationen in der Strahlentherapie. Beginn ist um 10.30 Uhr im Haus 1 in der Brückenstraße 1.