Schock-Diagnose Darmkrebs

von Redaktion

Interview Prof. Dr. Stefan von Delius über Wichtigkeit von Vorsorgeuntersuchungen

Rosenheim – Jedes Jahr erkranken in Deutschland rund 60000 Menschen an Darmkrebs. Damit gehört er zu den häufigsten Krebsarten. Da das rechtzeitige Erkennen Leben retten kann, wollen Mediziner im Darmkrebsmonat März vermehrt auf die Vorsorgemöglichkeiten aufmerksam machen. Im Interview erklärt Prof. Dr. Stefan von Delius, Chefarzt der Medizinischen Klinik 2 am Romed-Klinikum in Rosenheim, warum auch immer jüngere Menschen erkranken, wer besonders gefährdet ist und was man unbedingt machen sollte.

Darmkrebs gilt als heimtückisch, stimmt das?

Ja, gewissermaßen schon. Das liegt daran, dass der Darmkrebs erstmal keine Beschwerden macht. Man muss sich das so vorstellen, dass der Krebs aus dem Inneren des Darms heraus entsteht und die Schleimhaut des Darms keine Schmerznervenfasern hat. Also ist er zunächst schmerzlos. Und wenn es Schmerzen gibt, ist es immer ein Zeichen, dass es ein fortgeschrittenes Problem ist. Insofern hat man schon einen langen Vorlauf, bis Darmkrebs bemerkt werden kann. Dann gibt es noch die Darmkrebsvorstufen – die Polypen –, die viele Jahre lang langsam wachsen und dann entarten können und zu Darmkrebs werden. Das kann unbemerkt bis zu zehn Jahre dauern.

Für Laien: Was ist Darmkrebs genau?

Das ist, wie bei anderen Krebsarten auch, eine bösartige Wucherung. Das heißt, dass das Gewebe sich an einer Stelle vermehrt und zu einem bösartigen Knoten wird, der es dann zunehmend schafft, auch in die Tiefe des Organs vorzuwachsen und ab einem gewissen Zeitpunkt Absiedlungen – Metastasen – in andere Organe zu setzen.

Und wie merkt man, dass man Darmkrebs hat?

Das können Bauchschmerzen, Blut im Stuhl oder Änderungen der Stuhlgewohnheiten sein. Das sind alles Hinweise, dass etwas nicht stimmen könnte. Ein weiteres Symptom kann auch die Blutarmut sein. Der Magen-Darm-Trakt ist eine der relevantesten Quellen, wo man still und heimlich Blut verlieren kann, ohne dass man es im Stuhl sieht.

Welche Rolle spielen Vorerkrankungen in der Familie?

Wenn es in der Familie Darmkrebs schon mal gegeben hat, ist das eigene Risiko einer Erkrankung höher, als wenn es diese nicht gegeben hätte.

Wer ist da besonders gefährdet?

Das ist mitunter abhängig vom Verwandtschaftsgrad. Soll heißen, man hat über das normale Risiko hinaus eine extra Belastung. Zum Beispiel, wenn es bei Verwandten ersten Grades – Mutter, Vater oder Geschwister – Darmkrebs gab, ist das Risiko bei einem selbst zwei- bis dreifach erhöht. Bei Verwandten zweiten Grades geht das dann runter auf ein 1,5-faches Risiko. Das hat etwas mit der Veranlagung und mit der Gen-Ausstattung in der Familie zu tun. Aus diesem Grund sind hier die Vorsorgeempfehlungen nochmal etwas enger und schärfer festgelegt als bei Normalrisikopersonen.

Das heißt?

Man empfiehlt bei einer Darmkrebserkrankung von Verwandten ersten Grades, bereits ab einem Alter zwischen 40 und 45 Jahren mit Vorsorgemaßnahmen zu starten. Man muss aber hinzufügen, dass, wenn es einen sehr jungen erkrankten Verwandten gab, unter Umständen noch früher damit begonnen werden muss. Wenn beim Vater zum Beispiel mit 40 Jahren der Darmkrebs diagnostiziert wird, ist es empfehlenswert, ab 30 Jahren mit der Vorsorge zu beginnen. Ansonsten wird die Vorsorge ab 50 Jahren empfohlen, wenn keine Verwandten betroffen sind.

Welche Rolle spielt das Alter bei einer Darmkrebserkrankung?

Darmkrebs ist generell erst mal eine Krebserkrankung des höheren Lebensalters. Laut dem Robert-Koch-Institut gibt es einen Anstieg der Krankheitshäufigkeit ab 50 Jahren. Aber es gibt auch Menschen, die unter 50 Jahren erkranken können. Und das Risiko ist höher, wenn es in der Familie jemanden gibt, der in jungen Jahren erkrankt ist.

Jüngere sollen auch immer häufiger erkranken.

Es gibt Verschiebungen zu jüngerem Lebensalter. Das heißt, es ist häufiger als früher, dass jüngere Menschen erkranken. Dennoch gibt es nach wie vor mehr Erkrankungen bei älteren Menschen. Man geht davon aus, dass das damit zusammenhängen könnte, weil sich die Lebensumstände verändern. Auch Übergewicht kann ein Risikofaktor für Darmkrebs sein.

Wie alt war Ihr jüngster Patient?

Mitte 20. Das kommt aber nicht häufig vor.

Wie viele Menschen mit Darmkrebs behandeln Sie in Rosenheim insgesamt?

Wir behandeln rund 180 Fälle im Jahr.

Wie hoch ist dabei die Sterbequote?

Man hat da schon Fortschritte gemacht, man liegt dennoch schon noch im Schnitt bei 30 Prozent bis 40 Prozent. Es ist aber ein sehr großer Unterschied, ob die Erstdiagnose im frühen Stadium oder im fortgeschrittenen Stadium stattfindet. Zum Beispiel, wenn man einen frühen Darmkrebs behandelt, hat man Heilungsraten von weit über 90 Prozent. Umgekehrt, wenn der Krebs schon Absiedlungen, also Metastasen, geschafft hat, fällt es auf zehn bis 20 Prozent, dass derjenige langfristig überleben kann.

Gibt es Fälle, bei denen die Heilungschance gegen null geht?

Gibt es auch, klar. Das sehen wir leider immer wieder. Wenn zum Beispiel jemand aufgrund der Erkrankung schon sehr stark eingeschränkt ist, dann sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Das liegt auch daran, dass Behandlungen in fortgeschrittenen Stadien viel intensiver sind als bei früheren Stadien – zum Beispiel Chemotherapien oder komplexe Operationsverfahren. Es gibt ein Bündel an Behandlungsmöglichkeiten, und es wird immer individuell ausgesucht nach Stadium und Verträglichkeit, was der Patient dann auch schaffen kann. Und deswegen ist es relevant, in welcher Verfassung die Menschen sind, wenn sie zu uns kommen.

Es heißt, dass kein Krebs vermeidbarer ist als Darmkrebs, ist da was dran?

Das hängt mit den Vorsorgemaßnahmen zusammen. Aufgrund der guten Möglichkeiten bei der Vorsorge ist er ein bisschen vermeidbarer als andere Krebsarten. Im Vergleich zu anderen Krebsarten ist es so, dass die Darmspiegelung den Vorteil hat, dass sie sehr empfindlich ist, um Darmkrebsvorstufen zu entdecken. Zudem kann hier die Krebsvorstufe auch gleich in einer Sitzung entfernt werden. Das gibt es bei anderen Vorsorgeprogrammen, wenn man mal den schwarzen Hautkrebs ausnimmt, nicht in dem Maße. Bei Brustkrebs müssten sie erst eine Probe nehmen, wenn sie etwas sehen in der Mammografie. Auch bei einem Prostatakrebs-Verdacht müssten sie erst eine Probe machen.

Kann man vorbeugend etwas machen?

Bewegungsmangel ist schlecht, umgekehrt empfiehlt man 30 bis 60 Minuten körperliche Aktivität pro Tag. Das muss nicht Hochleistungssport sein, da würde auch schnelles Spazierengehen reichen. Das senkt das Krebsrisiko deutlich, wenn man das so macht, um 30 Prozent, das weiß man aus Studien. Ballaststoffreiche Ernährung ist wichtig. Verzicht auf Alkohol und Rauchen wäre günstig, ist aber nicht der entscheidendste Faktor. Rotes Fleisch ist auch ein relevanter Punkt, aber da ist immer die Menge die Frage. Jeden Tag ist es nicht zu empfehlen. Am allerwichtigsten bleibt dennoch die Inanspruchnahme regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. 

Interview: Julian Baumeister

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