Eine ungewöhnliche Rittergeschichte

von Redaktion

Günter Kaufmann: Vom Schreiner zum Großmeister eines Ritterbundes

Rosenheim – An seinen „Ritterschlag“ kann sich Günter Kaufmann noch genau erinnern – obwohl er schon 50 Jahre her ist. „Ich weiß noch, wie mir der Großmeister das Schwert auf meine Schultern legte“, sagt er. Erst links, dann rechts und dann auf den Kopf. Auch an die gewaltigen Burgmauern der Burgruine Kropfsberg in der Nähe von Innsbruck erinnert er sich noch. Dort wurde aus Günter Kaufmann der „Ritter Günter von Leuchtenberg“.

Wenn der gebürtige Rosenheimer nicht seine Rüstung trägt, ist er Schreiner und Werbetechniker, fertigt Schriftzüge und Designs für Firmen an. Über seinen Beruf entstand auch zufällig die Verbindung zu den Rittern. „Damals war ich noch Schreiner und wir wurden beauftragt, einen Thron für den Ritterbund zu bauen“, sagt er.

Einige von Kaufmanns Freunden waren bereits Mitglieder in dem Verein und luden ihn daraufhin ein, mitzumachen. 1966 trat er in den Bund ein und wurde 2013 zum Großmeister, dem Vorsitzenden, ernannt.

Vater von Kaiserin
Sissi als Großmeister

Diese Gruppen gibt es laut dem Deutschen Ritterbund, dem Dachverein in Deutschland, schon seit 1790. Verschiedene deutsche und österreichische Adlige, darunter auch Prinzen sowie Künstler und Schriftsteller, zählten damals zu den Mitgliedern dieser Vereine. Kurt Fischbach, der Vorsitzende des Deutschen Ritterbundes, weiß, dass der erste bayerische Ritterbund 1819 von Herzog Max von Bayern, dem Vater der österreichischen Kaiserin Sissi, gegründet wurde.

Als „König Artus“ sei Sissis Vater der Großmeister des Ritterbundes „Alt-Anglia zue Monachia“ gewesen. Der Grund, weshalb Herzog Max sich von britischen Legenden inspirieren ließ, weiß Fischbach allerdings nicht. „Die trafen sich quasi im Geheimen, meldeten sich als Ritterbund an und sprachen über verbotene politische Themen“, sagt Fischbach.

Heute ist das Thema Politik laut Fischbach in den Ritterbunden aber tabu. „Das gibt nur Streit und wir wollen ja eine schöne Zeit haben“, sagt er.

Vor den Weltkriegen habe es bis zu 230 Ritterbunde in Deutschland gegeben. „Nachdem sie von den Nazis verboten wurden, hat sich die Zahl drastisch reduziert“, sagt Fischbach. Heute gibt es laut ihm nur noch 20 Rittervereine in Deutschland. Seit 1970 ist der Kirnsteyner Ritterbund aus Litzldorf bei Bad Feilnbach einer von ihnen.

„Zuerst dachte ich bei dem Begriff ‚Ritter‘ nur an die glänzende Rüstung und Heldentum“, sagt Günter Kaufmann. Erst später habe er gelernt, dass ein Ritterbund viel mehr ist. So sei die mittelalterliche Kleidung für ihn schon lange keine Verkleidung mehr. „Wir spielen Theater für uns selbst, wir sind Zuschauer und Schauspieler in einem“, sagt er. Trotzdem sei laut Kaufmann die Teilnahme am Verein kein Spiel. Denn: Das Ziel des Ritterbundes sei nicht nur, die Erinnerung an die Zeit des Mittelalters zu pflegen, sondern auch die moderne Welt und sich selbst zu hinterfragen.

Dabei helfen soll die besondere Sprache, die im Ritterbund gesprochen wird. Neben historischen Worten wie „Atzung und Labung“ für Essen und Trinken, gibt es auch Wortneuschöpfungen, um moderne Technik zu beschreiben. Das Auto wird zum „Stinktross“ oder der „Benzinkutsche“, das Internet zum „magischen Fenster zur Welt“. Laut Kurt Fischbach sprechen die Mitglieder der Ritterbunde bei jedem Treffen die Rittersprache. „Dadurch muss man einmal innehalten und darüber nachdenken, was man eigentlich sagen will“, sagt Fischbach.

Der richtige
Wahlspruch

Moralbewusstsein sei auch eine Grundbedingung, um in den Ritterbund aufgenommen zu werden. Dieses Moralbewusstsein soll sich im Wahlspruch widerspiegeln, den sich jeder „Ritter“ bei seinem „Ritterschlag“ aussucht.

Kaufmanns Wahlspruch ist „Ob im Schlachtenlärm, ob bei Becherklang, treu und edel sei der Ritter ein Leben lang“. Wirkliche Schlachten gebe es im Ritterbund aber nicht. Schließlich wolle die Gruppe nur das Positive aus dem Mittelalter umsetzen. „Wir debattieren, aber wir kämpfen nicht“, sagt Günter Kaufmann.

Allerdings sei es verboten, über Religion und Politik zu reden. Auch Verurteilungen und wertende Kommentare sind bei den Treffen tabu. Ganz im Gegensatz zu Frauen. In den Vereinen seien viele „Burgfrauen und Freifrauen“ aktiv. „Ritterinnen“ gebe es allerdings nicht. „Das war im Mittelalter ja auch nicht üblich“, sagt Kaufmann.

Üblich ist auch nicht, dass ein Großmeister vor seinem Tod abdankt. Doch genau das macht Kaufmann in diesem Jahr. „Es reicht“, sagt er. Mit seinen 80 Jahren wolle er sich nun zur Ruhe setzen. Zehn Jahre als Vorsitzender seien genug. Dem Ritterbund wolle er als einfacher „Ritter“ aber treu bleiben.

Einführungsfeier

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