Rosenheim – Die Gemeinden im Landkreis Rosenheim blicken mit Sorge auf die gestiegene Kreisumlage. Denn die zusätzlichen Gelder, die sie an den Landkreis abtreten müssen, fehlen in den eigenen Gemeindekassen. Um die Löcher zu füllen, wird darüber diskutiert, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Das wiederum ruft die heimischen Unternehmen auf den Plan. Aufgrund der geplanten Steuererhöhung fürchten einige um ihre Existenz. Im Gespräch mit dem OVB erklärt Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim und selbst Unternehmer, ob es in der Region zum Wirtschafts-Chaos kommt, die Leerstände noch größer werden und warum die Steuererhöhung fatale Folgen haben könnte.
Droht der Region Rosenheim ein wirtschaftliches Chaos?
Die Wirtschaft in der Region ist schon relativ widerstandsfähig. Wir haben gelernt, dass wir ein bisschen die Zähne zusammenbeißen und weiterarbeiten müssen. Aber die Frage ist schon, wann die maximale Belastungsgrenze der Unternehmen erreicht ist. Mit jedem weiteren Prozentpunkt, den wir an Steuern abgeben müssen, ist diese Grenze deutlich überschritten.
Was passiert, wenn die Gewerbesteuer in den Gemeinden jetzt erhöht wird?
Die Herausforderung für die Wirtschaft ist, dass Deutschland bereits ein Hochsteuerland ist. Im Vergleich zur EU, in der die durchschnittliche Steuerbelastung der Unternehmen bei rund 21 Prozent liegt, haben wir in Deutschland mit knapp 30 Prozent schon seit Jahren einen gewaltigen Steuernachteil. Grundsätzlich darf man nicht vergessen, dass es uns hier gut geht. Aber die Wettbewerbsnachteile könnten verursachen, dass es für einige keine Perspektive mehr gibt. Das wäre nicht gut, da viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Sport, Vereine und kulturelle Dinge auch von Unternehmen gefördert werden und auch diese direkt wie indirekt von einer stabilen Wirtschaft profitieren.
Die Region verliert durch die Steuererhöhung Unternehmen?
Diese Prognose will ich jetzt nicht geben. Aber die Frage wird sein, wie die Perspektive für die Zukunft ist. Ich glaube, dass Unternehmen zum Beispiel Investitionen in der Region zurückhalten könnten. Denn ich zahle dort „gerne“ meine Steuern, wo ich eine Wertschätzung erfahre. Wenn die Steuerbelastung aber immer höher wird, dann werden Unternehmen, denen es möglich ist, weitere Teile ihrer Wertschöpfung ins Ausland verlegen, wie wir das aktuell schon sehen. Andere Unternehmen wie stationäre Firmen, Einzelhandel und Gastronomie können das nicht. Da könnte die Steuererhöhung das i-Tüpfelchen sein, damit die wirtschaftliche Perspektive fehlt und es heißt: „Ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr, dann höre ich halt auf.“
Und Firmen, die eigentlich in die Region Rosenheim kommen wollten, überlegen es sich anders.
Ja, der Hebesatz der Gewerbesteuer ist definitiv ein Punkt bei der Standortattraktivität. Es gibt zwar mehrere Faktoren für eine Ansiedlung, wie die Anbindung, Möglichkeiten für das Personal und die Logistik. Aber natürlich auch das Thema, was der Standort kostet. Wenn da Standorte deutliche Unterschiede haben, ist es schon ein Anreiz, sich woanders anzusiedeln und die Standortentscheidung zu überdenken.
Nicht gerade förderlich in Zeiten von Leerständen in den Innenstädten.
Gestärkt wird die Wirtschaft durch Steuererhöhungen nicht, sondern ganz massiv geschwächt. Und all das, was die Wirtschaft schwächt, wird Unternehmen kosten. Leerstände, sowohl in der Stadt Rosenheim als auch in den Landkreisgemeinden, sind sowieso nicht immer ganz so leicht zu besetzen. Da hilft es nicht, wenn Unternehmen aufhören müssen, weil sie an ihre Grenzen kommen.
Haben die Unternehmen oder die Gemeinden die größeren Sorgen?
Ich will nicht tauschen mit den Gemeinden und beneide keinen Bürgermeister und auch keinen Landrat oder Oberbürgermeister um seine Aufgabe, die Dinge alle zu kompensieren. In der Wirtschaft haben wir aber nicht die Möglichkeit, einfach ein paar Dinge zu erhöhen, weil wir im direkten Wettbewerb stehen. Die Kommunen können auch kaum zusätzliche Einnahmen generieren, auch das ist vollkommen klar. Außer vielleicht mit einer vorwärts gewandten Wirtschafts- und Standortpolitik, um sich im Wettbewerb um Standorte besser durchzusetzen. Das ist deren Option. Grundsätzlich geht es aber nur miteinander. Wir ziehen gerne mit bei verschiedenen Themen, sind immer für Gespräche bereit.
Aus Kreisen der Bürgermeister heißt es, dass eine höhere Gewerbesteuer kein Problem für die Unternehmen ist.
Da muss ich leicht schmunzeln, obwohl es fast zum Weinen ist. Da ich unternehmerische Kalkulationen schon ein bisschen kenne, sehe ich das anders. Wer heute glaubt, dass wir – egal ob Produktion, Handwerk, Handel, Dienstleistung oder Gewerbe – riesige Umsatzrenditen fahren, lebt nicht ganz auf dieser Erde. Alles, was wir erwirtschaften, wird hart erwirtschaftet und zunehmend in einem Wettbewerb, in dem man sich als Unternehmen durchsetzen muss. Die Wirtschaft ist schon höchst steuerlich belastet. Zu sagen, dass das alles locker geht, da fehlt mir der Realitätssinn. Das sieht übrigens auch der Kämmerer der Landeshauptstadt München so, der sich angesichts der schwierigen Finanzlage aktuell gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer und für Einsparungen bei den Verwaltungskosten ausgesprochen hat.
Wenn angesiedelte Unternehmen wegen der Erhöhung wegfallen, dann gibt es weniger Gewerbesteuerzahler. Ist das nicht ein finanzieller Teufelskreis – vor allem für die Gemeinden?
Ja, klar. Die Gewerbesteuer ist neben der Einkommens- und Grundsteuer ein wesentlicher Faktor. Das sind die drei Themen, wo sich die Gemeinde versuchen kann, anteilig zu finanzieren. Natürlich auch in Zeiten, wo vieles aufgrund der ganzen Umstände teurer ist. Das verstehe ich vollkommen. Aber ist es nicht die Herausforderung der Wirtschaft, die Allgemeinheit zu finanzieren. Wir leisten gerne einen Beitrag und natürlich werden auch Gewinne besteuert. Diskutieren wir auch gar nicht. Und es ist schön, die Steuern in der Region zu zahlen. Weil hier ist es ja auch schön und soll es schön bleiben.
Man muss die Dinge einfach vernünftig lösen. Nicht nur sagen, wir erhöhen pauschal die Steuern, weil es der einzige Weg ist, wenn neue Risiken kommen. Man muss schauen, wie man Themen besser umverteilen kann. Vielleicht auch Richtung Land und Richtung Bund.
Hat das auch Folgen für die Menschen in der Region?
Ich glaube, der größte Effekt wird sein, dass Unternehmen einfach aufhören. Bei einem Drittel der Familienunternehmen steht in den nächsten Jahren sowieso die Frage an, ob sie weitermachen wollen oder können. Mehr Steuern heißt auch weniger Lust auf Unternehmertum. Dann gibt es halt noch weniger Betriebe! Damit hat der Kunde weniger Angebote und Auswahl und vielleicht auch längere Wege. Dass sich eine höhere Gewerbebesteuerung auf die Preise ausschlagen wird, glaube ich nicht. Das wird der Markt nicht hergeben.
Ist es eine Option, anstatt der Gewerbesteuer, andere Steuern zu erhöhen?
Nein, in meinen Augen nicht. Die Steuerlast ist für die Wirtschaft bereits sehr hoch, für die Privaten aber genauso. Und das ganze Steuer-Thema ist an der Grenze des Machbaren für alle Teilnehmer in diesem Wirtschaftskreislauf. Ich glaube, man kann niemandem mehr hier eine höhere Steuerlast oder Abgabenlast zumuten. Das kann keiner finanzieren. Weder die Wirtschaft, noch die Privaten.
Interview: Julian Baumeister