Rosenheim – Krimi, Mord und Totschlag: An all das denken viele Menschen, wenn der Begriff Pathologie fällt. Doch die Vorstellungen sind fernab von jeglicher Realität. Denn Pathologen haben mit Opfern von Straftaten nichts zu tun. Hierum kümmert sich die Rechtsmedizin. Auch Obduktionen werden immer seltener. Aber was macht ein Pathologe dann? Das erklärt Dr. Matthias Krams von der Pathologie Rosenheim im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Man verbindet Pathologie ja oft mit Krimis. Warum ist das faktisch falsch?
Tatsächlich ist diese Verwechslung weit verbreitet, vornehmlich weil in Krimis rechtsmedizinische Untersuchungen und Fragestellungen vorkommen, die in den Aufgabenbereich der Rechtsmedizin fallen. Die Pathologie ist ein eigenständiges Fachgebiet, das sich von der Rechtsmedizin erheblich unterscheidet. In seltenen Fällen stoßen wir auf Befunde, die auf nicht natürliche Todesursachen hindeuten könnten. In solchen Situationen ist es unsere Pflicht, dies unverzüglich den Behörden zu melden.
Führen Sie als Pathologen dennoch Obduktionen durch?
Wir führen Obduktionen durch, allerdings mit abnehmender Häufigkeit. Die Durchführung einer Obduktion erfordert die Zustimmung der Angehörigen des Verstorbenen, was oftmals eine Herausforderung darstellt, da diese sich in der Trauerphase befinden. Die Zustimmung der Angehörigen einzuholen, kann insbesondere direkt nach dem Verlust unangemessen erscheinen. Wenn jedoch medizinisch relevante Fragen beantwortet werden müssen, erfolgt eine Obduktion in enger Absprache mit den Angehörigen.
Gibt es auch Fälle, in denen man eine Obduktion durchführen muss?
Ja, es gibt gesetzliche Bestimmungen, die in bestimmten Fällen eine Obduktion erforderlich machen, beispielsweise bei Verdacht auf bestimmte Infektionskrankheiten.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Mein Arbeitstag beginnt in der Regel um halb 8 Uhr morgens mit der Untersuchung der ersten Gewebeproben. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich analysieren diese Proben unter dem Mikroskop, bis alle Präparate diagnostiziert sind.
Wie viele Präparate beurteilen Sie am Tag im Schnitt?
Im Durchschnitt bearbeiten wir mehrere Dutzend Proben täglich, wobei das Arbeitsaufkommen variieren kann. Wir sind auch direkt ans Klinikum in Rosenheim angeschlossen. Hier kriegen wir ununterbrochen Proben. Wenn zum Beispiel ein Zeh überfahren wurde und abgenommen werden muss, muss der auch untersucht werden.
Warum muss denn ein Zeh, der abgenommen wurde, überhaupt noch untersucht werden?
Gemäß den Prinzipien der guten klinischen Praxis ist es erforderlich, alle entnommenen Gewebeproben zu untersuchen, unabhängig von ihrer Größe oder dem angenommenen Risiko. Selbst in scheinbar unbedeutenden Proben können pathologische Veränderungen festgestellt werden, die wichtige diagnostische Hinweise liefern.
Was könnte man bei einem Zeh zum Beispiel erkennen?
Bei der Untersuchung eines Zehs könnten beispielsweise Anzeichen einer Arteriosklerose, einer Stoffwechselstörung oder einer Infektion festgestellt werden. Solche Befunde können zum Beispiel bedeuten, dass eine weiterführende Diagnostik beziehungsweise eine antibiotische Behandlung notwendig ist.
Sie geben Ihre Erkenntnisse ja an die behandelnden Ärzte weiter und haben nicht direkt mit den Patienten zu tun. Warum entscheidet man sich für diesen Weg?
Viele Ärzte sind von der Pathologie fasziniert, weil es ein Fachgebiet ist, das tiefe Einblicke in die Krankheitsursachen ermöglicht und auch entsprechend viel Gelegenheiten zur Forschung bietet.
Im Laufe der Zeit entdeckt man die Vielschichtigkeit und die Faszination dieses Fachbereichs. Die Arbeit in der Pathologie ermöglicht eine gewisse Planbarkeit, da wir keinen Patientenkontakt haben und uns voll und ganz auf die Analyse der Gewebeproben konzentrieren können.
Vermissen Sie manchmal den direkten Kontakt zu den Patienten?
Obwohl der direkte Patientenkontakt fehlt, ist die Anerkennung durch die klinischen Kollegen für unsere Arbeit vorhanden. Unsere Hauptaufgabe besteht darin, Diagnosen zu stellen, die oft schwerwiegend sind, wie beispielsweise Krebsdiagnosen. Diese Diagnosen zu übermitteln, obliegt den behandelnden Ärzten, was uns dabei hilft, eine objektive Beurteilung der Proben zu ermöglichen.
Nimmt es Sie dann nicht trotzdem mit, wenn man einer jungen Person beispielsweise eine Krebsdiagnose stellen muss?
Selbstverständlich berühren uns solche Fälle. Trotz unserer Erfahrung und des professionellen Abstands sind wir nicht immun gegen die menschliche Komponente unserer Arbeit, insbesondere bei jungen Patienten mit schweren Diagnosen.
Was ist das Herausforderndste an Ihrem Job?
Die größte Herausforderung besteht darin, während des gesamten Arbeitstages konzentriert und wachsam zu bleiben. Jede Probe kann einen wichtigen Befund beherbergen, der nicht übersehen werden darf.
Dies erfordert eine kontinuierliche Aufmerksamkeit und Energie.
Wie gehen Sie mit besonders schwierigen Fällen um?
Trotz meiner langjährigen Erfahrung gibt es immer wieder Fälle, die schwierig zu diagnostizieren sind. In solchen Situationen ist der kollegiale Austausch innerhalb unseres Teams von unschätzbarem Wert, um eine genaue Diagnose zu stellen.
Gibt es etwas, was Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist in der Zeit?
Natürlich gibt es Präparate, wie beispielsweise ein großer und übel riechender Leberabszess, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind. Solche Erlebnisse haben dazu beigetragen, dass ich im Laufe der Zeit eine gewisse Resilienz entwickelt habe.
Ist es nicht auch belastend, sich täglich mit dem Thema Tod zu befassen?
Für mich ist es mein Beruf und Teil meines Alltags. Ich gehe mit der gleichen Professionalität an meine Arbeit heran wie jeder andere in seinem Berufsfeld.
Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was die Leute unbedingt über Ihren Job wissen sollten, was wäre das?
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Pathologen nicht mit Rechtsmedizinern gleichzusetzen sind und dass der Umgang mit Verstorbenen nur einen sehr kleinen Teil unserer Arbeit ausmacht. Der Großteil unserer Tätigkeit besteht aus der mikroskopischen Untersuchung von Gewebeproben, die entscheidende diagnostische Erkenntnisse liefert. Unsere Arbeit hat somit einen erheblichen Einfluss auf die Behandlung der Patienten, auch wenn wir im Hintergrund agieren.
Interview: Patricia Huber