Rosenheim – Künstliche Intelligenz ist ein umstrittenes Thema. Von den einen wird sie als Unterstützung und Chance der Zukunft angesehen. Andere fühlen sich von ihr bedroht. Dies gilt auch für viele Kunstschaffende. Der Mediendesigner, Fotograf und Künstler Julian van Dieken erklärt in einem Interview, wie KI die Kunstwelt verändern und bereichern kann. Extra für die aktuelle Ausstellung im Lokschuppen hat er zweieinhalb Monate ein Kunstwerk generiert. Dazu hat er eigene Fotos, Techniken und den Einsatz von KI genutzt, um verschiedene Helden unserer Geschichte abzubilden.
Wie sind Sie zu KI-generierter Kunst gekommen?
Ich bin Mediendesigner, Fotograf und seit 15 Jahren im Bereich Bildung und Design unterwegs. Daher habe ich aufgrund meines Berufs mit zukunftsorientierten und digitalen Programmen zu tun und bin irgendwann auf bildgebende KI-Tools gestoßen. Damit konnte ich meine Ideen, die ich mir über die Jahre als Fotograf überlegt habe, umsetzen. Dann habe ich den Instagram-Account „julian_ai_art“, als Nebenprojekt zu meiner eigentlichen Arbeit, gestartet. Jeden Tag habe ich ein KI-generiertes Bild hochgeladen und erklärt, was ich hinkriege und was ich noch lerne. Das ist dann so viral gegangen, dass mir innerhalb kürzester Zeit Justin Bieber folgte und Elon Musk auf die Bilder reagierte.
Wie sahen diese Reaktionen aus?
Justin Bieber hat mir eine nette Nachricht geschickt und Elon Musk hat mit einem Lach-Emoji auf die Satire-Bilder reagiert, die ich von ihm und Mark Zuckerberg gemacht habe. Das war beides interessant, aber wichtiger waren mir die positiven Rückmeldungen aus dem Bildungsbereich, dass etwa Schulklassen über meine Bilder diskutierten.
Kann man KI-generierte Kunst überhaupt als Kunst bezeichnen?
Das hängt davon ab, worüber wir reden. Ich kann die Kritik total nachvollziehen, dass es sich nur um einen Mix aus schon Bestehendem handelt. Aber ich glaube, dass jemand, der eine künstlerische und kreative Vision hat, mit diesen Tools absolut Kunst schaffen kann.
Glauben Sie, dass KI eine Konkurrenz für Künstler wird?
Konkurrenz wird es nur dann, wenn ein Geschäftsführer sich entscheidet, jemanden nicht mehr zu bezahlen, weil er denkt, er bekommt jetzt durch diese Hilfsmittel etwas billiger. Ich glaube, dass sich viel verändern wird. Man bekommt wesentlich schneller ein höheres visuelles Niveau als vorher. Ob da Herz, Seele, Vision und Idee dahinter sind, steht auf einem anderen Blatt.
Wer eine Vision und eine künstlerische Idee hat, kann das mit allen möglichen Mitteln umsetzen. Ganz egal, ob es sich dabei um KI, Malerei oder Fotografie handelt. Allerdings war es ja schon immer schwer, mit Kunst Geld zu verdienen. Das wird jetzt vermutlich noch schwerer.
Wie sieht es mit den Urheberrechten bei KI-generierter Kunst aus?
Großer, wilder Westen momentan. Die Technologie ist so neu, dass in der Rechtsgebung noch viel geklärt werden muss. Es gibt Programme, die man urheberrechtlich relativ gesichert nutzen kann. Was auch relativ klar ist: Je höher die Schöpfungshöhe, also der Aufwand und die Zugabe von eigenen Inhalten, desto klarer ist auch, ob man das selber schützen kann. Nehmen wir zum Beispiel das Bild, was in Rosenheim hängt. Da habe ich zweieinhalb Monate dran gearbeitet. Das ist ein komplettes Konzept mit eigenen Fotografien und diversen Techniken. Das war ein nachvollziehbarer Prozess, bei dem ich der Urheber bin und das ich auch schützen lassen kann.
Sind Sie der erste KI-Künstler in Deutschland?
Nein, ich bin nicht der Erste. Am Anfang habe ich mich selber gar nicht als KI-Künstler bezeichnet, das ist die Bezeichnung von außen. Eine Zeitung hat mich KI-Fotopionier genannt. Von daher denke ich schon, dass ich in Deutschland einer der Ersten war, die das in dem Umfang in dieser Öffentlichkeit gemacht haben. Aber es gibt natürlich auch noch viele andere.
Glauben Sie, dass die KI-Kunst eine neue Kunst-Epoche einleiten wird?
Ich glaube schon, dass sich sehr fundamental etwas verändern wird. Weil die Möglichkeiten, jetzt aus allem alles zu machen, neu sind. Was wir noch überhaupt nicht einschätzen können, ist, wie sieht das in 20 Jahren aus? Wir beschränken uns momentan zu sehr auf die Sachen, die direkt vor uns sind.
Was kann man bei Ihren Workshops lernen?
Es geht viel darum, mit welcher Haltung man sich neue Techniken erschließt. Dass man angstfrei kreative Versionen entwickelt. Entscheidend ist auch das Experimentelle, Spielerische. Machen, ausprobieren und experimentieren. Und dann den Umgang mit den Tools. Wie setze ich die Ideen, die ich in meinem Kopf habe, konkret um?
Für wen ist Ihr Vortrag am besten geeignet?
Meine Hauptmission ist, das Wissen von der Nische in die Breite zu tragen. Jeder, der sich für das Thema interessiert, kann den Vortrag am Freitag, 19. April, in Rosenheim ohne besondere Vorkenntnisse besuchen.
Interview: Amelie Marschall