Rosenheim soll Kreisfreiheit aufgeben

von Redaktion

Die Linke stellt Antrag an Landrat Otto Lederer – Blick nach Eisenach

Rosenheim – Etwas verdutzt über die Anfrage war Dr. Achim Sing dann doch. „Ich dachte erst, es handelt sich um einen Aprilscherz“, sagte der Pressesprecher des Bayerischen Städtetags am Telefon und lacht. Doch von Späßen sind die Rosenheimer Linken weit entfernt. In einem Antrag an Landrat Otto Lederer schlagen sie vor, ein Gutachten über die Zusammenlegung des Landkreises und der kreisfreien Stadt Rosenheim in Auftrag zu geben.

Ineffiziente Doppelstrukturen?

„Ein solches Gutachten soll prüfen, welche Personalkapazitäten dadurch gebunden sind, dass Rosenheim eine kreisfreie Stadt und kein Teil des Landkreises ist“, sagt Kreisrat Dr. Klaus Rosellen (Linke). Er hat den Verdacht, dass mehrere Hundert Mitarbeiter durch „ineffiziente Doppelstrukturen“ gebunden sind.

Eine Zusammenlegung von Stadt und Landkreis könnte in seinen Augen dazu führen, dass Mitarbeiter effizienter eingesetzt und freie Kapazitäten geschaffen werden. „Dadurch würde sich die Wartezeit auf Termine reduzieren, die Bearbeitungszeit von Anträgen verkürzen und die überfällige Digitalisierung könnte vorangebracht werden“, ergänzt Rosellen. Immer mit einem Augenmerk darauf, dass keiner der rund 2200 Mitarbeiter, die in Stadt und Landkreis tätig sind, seinen Job verliert.

Zumindest Achim Sing kann diesem Vorschlag nur wenig abgewinnen. „Es ist nicht sinnvoll, dass Städte ihre Kreisfreiheit abgeben“, sagt er auf OVB-Anfrage. Er erinnert an die Zeit vor 51 Jahren. Damals – am 1. Juli 1972 – trat die Gebietsreform in Bayern in Kraft. Dadurch wurde die Anzahl der Landkreise von 143 auf 71 reduziert, die Anzahl der kreisfreien Städte von 48 auf 25. „Seitdem ist es in Bayern noch nie vorgekommen, dass eine Stadt ihre Kreisfreiheit abgegeben hat. Die Städte sind mit ihrer Kreisfreiheit zufrieden“, sagt Sing.

Das unterstreicht auch Christian Baab, Pressesprecher der Stadt Rosenheim. „Die Stadt Rosenheim ist in der komfortablen Lage, ihren Bürgerinnen und Bürgern eine funktionierende Stadtverwaltung mit stabilen Finanzen zu stellen und eigenständig über ihre stadtspezifischen Belange zu entscheiden“, sagt er auf OVB-Anfrage. Aus diesem Grund gibt es derzeit keine Überlegungen, dass die Stadt ihre 154-jährige Kreisfreiheit aufgibt. Der Landkreis Rosenheim sei von der Einwohnerzahl her der zweitgrößte in Bayern und beheimate bereits jetzt 46 Gemeinden. „Ob allein aufgrund der Größe eine Zusammenlegung Sinn ergäbe und die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt würde, müsste das Gutachten im Detail klären“, sagte Baab.

Er erinnerte aber auch daran, dass ein Aufgeben im Landkreis für die Stadt Rosenheim zur Folge hätte, dass sie eine Kreisumlage entrichten müsste, die „den Großteil der Gewerbesteuereinnahmen auffressen würde.“ Zudem würden Stadt und Landkreis auf Verwaltungsebene bereits zusammenarbeiten, beispielsweise bei der Kfz-Zulassung. „Eine Fusion ist hierzu nicht notwendig“, ergänzt der Pressesprecher. Erwähnen muss man auch, dass der Landkreis in diesem Fall allein das Defizit der Romed-Kliniken stemmen müsste, ebenso wie die hohen Sozialkosten in der Stadt.

Wie es aussehen könnte, wenn eine Stadt ihre Eigenständigkeit verliert, zeigt ein Blick nach Eisenach. Seit 2021 gehört die bisher kreisfreie Stadt zum Wartburgkreis, ein Jahr später – am 1. Januar 2022 – gingen die Aufgaben der Stadt an den Landkreis über. Die Stadt Eisenach ist nun eine kreisangehörige Kommune und darf sich Große Kreisstadt nennen.

„Mit der Fusion erreichte die Stadt Eisenach ein anderes Haushaltsniveau als es als kreisfreie Stadt der Fall war“, sagt eine Pressesprecherin der Stadt Eisenach auf OVB-Anfrage. So reduzierte sich ihr zufolge der Verwaltungshaushalt ab dem Haushaltsjahr 2022 etwa um ein Drittel, da der weitaus größte Teil der Sozialausgaben nach dem Aufgabenübergang vom Kreis geschultert wird.

Demgegenüber erhöhte sich der Verwaltungshaushalt des Wartburgkreises um ein Drittel. „Mit der Fusion verband sich zudem die Hoffnung, dass die Stadt zukünftig nicht mehr auf Bedarfszuweisungen des Freistaats Thüringen angewiesen ist“, sagt die Pressesprecherin.

Als Große Kreisstadt kann Eisenach zudem auch weiterhin bestimmte Aufgaben selbst erledigen, für die eigentlich der Wartburgkreis zuständig wäre.

Im Falle Eisenachs heißt dies laut der Pressesprecherin unter anderem: Eisenach kann seine Schulen in städtischer Verantwortung belassen. Die Stadt kann auch weiterhin für den Stadtbusverkehr zuständig sein und die Arbeit im Abfallwirtschaftszweckverband fortsetzen. Ebenso kann Eisenach weiterhin in der Wartburg-Sparkasse vertreten sein.

Erste positive Erfahrungen scheint es bereits jetzt zu geben. So gibt es seit dem 1. Januar 2022 zwei Verwaltungsgebäude, in denen sich die Mitarbeiter um die verschiedensten Anliegen kümmern. „Die beiden neuen Dienstgebäude sind nicht nur Anlaufpunkt für die Eisenacher Bürger, sondern insbesondere auch für die Bevölkerung des gesamten nördlichen Wartburgkreises: Wer zum Jugendamt, Sozialamt oder zum Versorgungsamt muss, braucht nicht länger nach Bad Salzungen zu fahren“, erklärt die Pressesprecherin. Zudem wechselten 150 städtische Angestellte zum Wartburgkreis – vor allem aus der Sozialverwaltung und dem Jugendamt.

Diskussion im kommenden Kreistag

Wie es in Rosenheim weitergeht, wird sich in der kommenden Woche herausstellen. Dann steht der Antrag der Linken auf der Tagesordnung des Kreistages. Beginn ist am Dienstag, 23. April, um 9 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamtes in Rosenheim.

Im Rahmen der Sitzung soll dann über die Vor- und Nachteile einer möglichen Zusammenlegung gesprochen werden. Fest steht: „Der Antrag auf Eingemeindung muss durch die kreisfreie Stadt Rosenheim geschehen“, heißt es von Simone Beigel, Pressesprecherin des Landratsamtes.

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