Rosenheim – Sargträger gibt es kaum noch. Und dabei bräuchte es sie dringend. So sieht es Michael Hartl, Bestatter und Leiter des Friedhofs-Kompetenz-Zentrums Rosenheim. „Der Personalmangel ist gravierend, vor allem an Freitagen, dem beliebtesten Tag für Bestattungen“, sagt er. Es ist ein Beruf, der ausstirbt. Gründe dafür gebe es viele.
„Für unser Bestattungsunternehmen und auch für einige Kollegen war es damals so, dass Sargträger meistens über Minijob-Basis aushalfen und zur Bestattung gerufen wurden“, sagt Hartl. Das ist heute „äußerst selten“ geworden. Denn immer weniger Minijobber seien bereit, diese Aufgabe zu übernehmen. Der Grund: „Minijobber wollen auch feste Arbeitszeiten haben und nicht nur auf Abruf bereitstehen“, sagt er. Eine Situation, die für die Bestatter schwierig ist. Denn die Termine für Bestattungen sind unterschiedlich und nicht immer können sie garantieren, dass an allen Tagen der Woche Dienste zu verrichten sind. Und noch etwas habe sich im Laufe der Zeit geändert. „Früher waren es hauptsächlich Nachbarn oder Vereinskollegen, die die Trägerdienste übernahmen“, sagt der Bestattermeister. Im ländlichen Bereich sei dies auch noch üblich. Doch auch hier gehe die Anzahl laut Hartl deutlich zurück.
Gesetzliche Vorgaben
sind ausschlaggebend
„Auch die gesetzlichen Vorgaben von der Berufsgenossenschaft sind ausschlaggebend“, sagt Hartl. Denn viele Friedhöfe erlauben gar nicht mehr oder nur reduziert, dass Nachbarn oder Bekannte die Trägerdienste übernehmen dürfen. Kommunen können selbst bestimmen, inwieweit diese Vorgaben ausgelegt werden.
„So darf in Rosenheim das Ablassen vom Sarg oder der Urne nicht von Bekannten vorgenommen werden“, sagt Hartl. Man könne einen Ausnahmeantrag stellen, dass die Urne von der Aussegnungshalle zur Grabstelle getragen wird. Aber am Grab muss die Urne an einen Bediensteten übergeben werden. Denn nur dieser darf die Urne in das Grab hinunterlassen. Die Situation rund um den Personalmangel beschäftigt Michael Hartl sehr. „Sargträger, die nur Trägerdienste verrichten, sind fast nicht mehr da“, sagt er. Im Friedhofs-Kompetenz-Zentrum müssen deshalb alle festangestellten Mitarbeiter anpacken. Und das auch schon während der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft.
Neben den ersten Gesprächen und die Durchführung der Beerdigung gehören auch der Trägerdienst und die Friedhofspflege zu ihrem beruflichen Alltag. Doch während die Nachfragen zum Sargträger zurückgehen, sei der Beruf der Bestatter sehr gefragt. „Wir haben acht Auszubildende und können uns nicht über Nachwuchsmangel beschweren“, sagt Hartl. Auch bei der jungen Generation sei der Beruf beliebt. „Es ist einfach ein ehrenwertes Handwerk“, sagt Hartl. Klassisch sei hier aber noch die Arbeitsverteilung der Geschlechter. Während die Frauen vor allem im Bereich Büro und Organisation tätig sind, verrichten die Männer Grabarbeiten und bedienen die Maschinen. „Bei uns im Haus übernehmen aber auch Frauen die Trägerdienste. Wichtig ist nur die körperliche und psychische Belastung“, sagt Hartl.
„Nicht immer ist für
alle Arbeit zu tun“
Das bestätigt auch Jörg Freudensprung, stellvertretende Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern. Sargträger gebe es kaum noch und das hätte vor allem finanzielle Gründe. „Die Träger müssen fest angestellt sein, aber nicht immer ist für alle Arbeit zu tun“, sagt er. Für einen Sarg bräuchte es meisten vier Träger. In der Lastenhandhabungsverordnung ist jedoch geregelt, dass eine Person bis zu 45 Kilogramm heben darf. Wenn ein Sarg nur ein Kilo schwerer ist, müssten mehr Personen engagiert werden – Und auch die müssten wegen der Haftung fest angestellt werden. „Das kann keiner finanzieren“, sagt Freudensprung.
Zwar gehe die Zahl der Erdbestattungen seit Jahren zurück und die Urnenbestattung werde mehr, für die Bestatter ist das aber dennoch keine Erleichterung. „Es macht es sogar schwieriger. Auch wenn ich ihre Dienste nicht brauche, muss ich sie trotzdem finanzieren“, sagt Freudensprung. In der Stadt sei dies kein großes Problem, doch kleinere Gemeinden wenden sich immer wieder Hilfe suchend an den Verband. „Wenn sich ein Minijobber oder Schwarzarbeiter dabei verletzt, bezahlt das nicht die Berufsgenossenschaft, sondern im schlimmsten Fall das Bestattungsunternehmen, das ihn eingestellt hat“, sagt er. Beim Bestattungsunternehmen Brand in Rosenheim sieht die Situation um die Sargträger etwas anders aus. Sie sind vor allem auf dem Land oder im Umland tätig. Dort übernimmt vor allem die Nachbarschaft die Trägerdienste. „Diese Aufgabe zeigt nochmal ein letztes Engagement für den Verstorbenen und deren Familie“, sagt Bestattermeister Markus Mühlbauer. Nur selten komme es mal vor, dass „externe“ Sargträger benötigt werden.
Jennifer Beuerlein