„Ein toter Held ist ein schlechter Held“

von Redaktion

Interview Freddy Kleinschwärzer gibt nach Vorfall in Pang Selbstverteidigungstipps

Rosenheim – Es sind Momente, die niemand erleben möchte: Auseinandersetzungen, die mit körperlicher Gewalt enden. So hätte auch ein Streit auf dem Panger Volksfest ausgehen können. Im exklusiven Interview verrät der Rosenheimer Selbstverteidigungsexperte, Freddy Kleinschwärzer, wie man Angriffe vermeiden kann und welchen Schutz es gibt.

Rosenheim spricht über den Vorfall in Pang. Sind Sie selbst schon mal angegriffen worden?

Ja, ich bin bereits mehrfach in meinem Leben angegriffen worden. Aber nie mit einem Messer oder Stichwaffen. Es war entweder verbale Gewalt, infolgedessen es zu körperlichen Auseinandersetzungen kam. Und dreimal auch mit Schusswaffen.

Wie kam es dazu?

Ich war Polizeibeamter – leitender Ausbilder im Bereich Polizeitraining an der Bundespolizeidirektion in München – und davor im Bereich des Personenschutzes tätig. Bei politischen Schutzpersonen gibt es oft Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer sehr aggressiv auftreten.

Wen haben Sie
beschützt?

Ich kann aufgrund von datenschutzrechtlichen Gründen keinen Namen nennen. Bis auf einen Politiker. 2000 war ich in der Türkei an der Deutschen Botschaft als stellvertretender Sicherheitschef zuständig für die Absicherung von VIP-Personen aus der Politik. Und in dem Fall war ich in Koordination mit dem Bundeskriminalamt für den Schutz von Johannes Rau, damaliger Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, zuständig. Ansonsten habe ich im privaten Personenschutz einige Personen aus Film, Funk und Fernsehen geschützt.

Gibt es einen Tipp, wie man sich vor Angriffen schützen kann?

Das ist eine Frage, die man nicht einfach so beantworten kann. Das ist sehr komplex. In der Regel ist es so: Der Täter entscheidet über Ort, Uhrzeit sowie Art und Weise seines Angriffs. Das heißt, er hat immer den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Wenn ich da nicht eine gewisse Schulung habe, werde ich Opfer.

Was kann man im
Vorfeld beachten?

Es geht darum, sich präventiv einige Dinge zu überlegen. Zum Beispiel: Muss ich dort wirklich hingehen? Habe ich Freunde dabei oder gehe ich alleine? Muss ich mich genau dorthin setzen oder mich dort aufhalten? Man sollte auf jeden Fall mit einer erhöhten Wahrnehmung durchs Leben gehen. Das heißt, nicht ins Handy hineinschauen, während ich mich von A nach B bewege, sondern auf den Weg achten, Leute beobachten, ohne dass ich jetzt übertriebene Angst habe. Ich möchte auch keine Angst machen. Ich möchte sensibilisieren. In meinen Kursen ist es so dargestellt, dass die Angst nicht negativ, sondern etwas Positives ist. Sie schützt mich vor dem, was eventuell kommen könnte.

Und wenn es dennoch zu einem Angriff kommt?

Laut auf sich aufmerksam machen. Das ist einer der besten Ratschläge, die es gibt. Die Stimme ist grundsätzlich unsere stärkste Waffe. Dabei ist egal, was man ruft, das kann „Hilfe“ oder „Feuer“ sein. Hauptsache ist, dass andere Menschen mir, wenn sie dementsprechend die Zivilcourage zeigen, zu Hilfe eilen. Mit dem Schreien können eventuell auch das Denkmuster und die Abläufe des Angreifers unterbrochen werden. Man sollte dabei auch von der Du-Ebene wegkommen und einen vermeintlichen Angreifer oder Aggressor mit „Sie“ ansprechen, sodass nach außen hin deutlich wird: Das sind keine Bekannten, die eine Zwistigkeit haben.

Was ist, wenn
das nicht reicht?

Wenn es zum Angriff kommt, kann ich mich eigentlich nur noch so bewegen, dass der Schaden oder die Verletzung möglichst minimiert werden. Wenn ich den Angriff kommen sehe, muss ich schauen, dass ich in jedem Fall auf eine sichere Distanz gehe oder mir möglichst eine Wand im Rücken suche, weil von hinten kann ich nicht angegriffen werden. Das Beste ist aber immer noch, einfach die Füße in die Hand zu nehmen und sich von dem Ort des Geschehens zu entfernen. Das hat nichts mit Feigheit zu tun, das ist in erster Linie vernünftig. Ich sage immer in meinen Kursen: Ein toter Held ist ein schlechter Held.

Macht es einen Unterschied, womit man angegriffen wird? Zum Beispiel einem Messer oder einer Glasscherbe?

Man kann das nie pauschalisieren. Ein Messer ist stabil und man kann es sehr gut einsetzen, ohne sich selbst zu gefährden. Das heißt, wenn ein geübter Messerangreifer kommt, sieht es schlecht aus. Wenn jemand eine Glasscherbe nimmt, dann muss derjenige, der die Scherbe in der Hand hält, selber Acht geben, dass er sich nicht verletzt. Das heißt, er wird niemals so intensiv mit diesem Teil umgehen wie mit einem Messer.

Oft gibt es Angriffe, die man nicht kommen sieht, zum Beispiel beim Heimgehen in der Nacht. Ihr Tipp?

Generell immer in Begleitung gehen, wenn es möglich ist. Oder vorher bei jemandem anrufen, vielleicht sogar eine Standortfreigabe über das Handy einrichten, damit man verfolgt werden kann. Eine andere Möglichkeit ist, einfach gewisse Bereiche auf dem Heimweg zu meiden. Wenn ich jetzt zum Beispiel durch einen Park gehen muss und der ist nicht so richtig hell beleuchtet, dann würde ich niemals durch den Park durchgehen.

Können Selbstverteidigungskurse auf solche Situationen vorbereiten?

Einen Selbstverteidigungskurs oder Gewaltpräventionskurs sollte man zumindest einmal besucht haben, damit man nicht in eine vagotone Schockphase verfällt, wenn man angegriffen wird. Weil, wenn ich noch nie so eine Situation durchgespielt habe, bin ich erst einmal handlungsunfähig. Habe ich so etwas aber schon mal trainiert, ist der Körper relativ schnell wieder in der Lage zu agieren und sich zu verteidigen.

Wie trainieren Sie so etwas?

Man lässt sich von den Teilnehmern schildern, was ihnen bereits passiert ist. Aufgrund dieser Schilderungen erstelle ich mit meinem Team sogenannte Situations- oder Szenarientrainings. Dabei werden die Szenarien möglichst realistisch durchgespielt, damit die Schockphase im Ernstfall geringer ist.

Interview: Julian Baumeister

Kaum Angriffe mit spitzen oder scharfen Gegenständen

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