Erste Drogentote vor 50 Jahren

von Redaktion

In diesem Jahr gibt es einen traurigen 50. Jahrestag: Mitte April 1974 hatte Rosenheim sein erstes Rauschgiftopfer zu verzeichnen. Die OVB-Heimatzeitungen haben sich erkundigt, wie sich die Situation seitdem entwickelt hat.

Rosenheim – „Eine 18-jährige Schülerin aus der Gemeinde Stephanskirchen wurde das erste Opfer des Drogenmissbrauchs in Rosenheim. Die Schülerin, die sich im Laufe des gestrigen Tages mehrere Spritzen mit Morphium und Heroin ‚geschossen‘ hatte, starb, wie ein Arzt im Rosenheimer Krankenhaus feststellte, an einer Überdosis Heroin. Schon im Herbst 1972 trat das Mädchen bei der Kripo in Erscheinung, als sie wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angezeigt worden war“, berichtete das Oberbayerische Volksblatt in seiner Wochenendausgabe vom 20. und 21. April 1974.

Drei Mal Rauschgift
an nur einem Tag

„Das Mädchen war am Donnerstag mit seinem Freund, einem 21 Jahre alten Gärtner aus Westerndorf St. Peter, nach München gefahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Mädchen bereits eine Spritze Morphium ‚geschossen‘. Nach Aussagen des Freundes geschah dies in der Toilette eines Rosenheimer Cafés“, fährt der Bericht fort, „in München kauften sich die beiden etwas Heroinpulver und spritzten sich erneut das Rauschgift. Am Abend, als sie von München nach Rosenheim zurückgekehrt waren, nahmen sie in einer Wohnung in der Münchener Straße zum dritten Mal das Rauschgift.“

„Das war zu viel für das Mädchen. Etwa um 23 Uhr benachrichtigte der Gärtner, der in Sorge um die Gesundheit seiner Freundin war, das Rote Kreuz. Er führte die Sanitäter in eine Wohnung im dritten Stock, wo die Schülerin bewegungslos auf dem Boden lag. Das Mädchen wurde vom Roten Kreuz sofort in das Rosenheimer Krankenhaus transportiert. Hier stellte der Arzt den Tod fest. Die Schülerin war, so ergaben die ersten Untersuchungen, an einer Überdosis Heroin gestorben. Ihr Freund, der offensichtlich auch unter Drogeneinfluss stand, blieb im Krankenhaus zur Behandlung“, heißt es weiter.

„Bei einer anschließend von der Kriminalpolizei durchgeführten Durchsuchung der Wohnung in der Münchener Straße konnten die Beamten etwas Heroin, Spritzen, Nadeln, Tabletten und andere Gegenstände sicherstellen“, schließt der Bericht über das Geschehen vor 50 Jahren. Doch wie hat sich die Situation seitdem entwickelt? „Die Zahlen der Drogentoten in unserem Zuständigkeitsgebiet waren in den letzten 15 Jahren relativ konstant bei im Schnitt etwa 22 Fällen, mit Abweichungen nach oben und unten“, berichtet Lisa Maier, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd.

„Leider gab es 2017, entgegen dieser Entwicklung, 30 Fälle, 2011 wiederum waren es ‚nur‘ 11, wobei natürlich jeder einer zu viel ist! 2023 stellte sich die Lage ähnlich wie in den Vorjahren dar“, fährt Maier fort, „wir bieten vielfältige Präventionsmaßnahmen an. 2023 gab es 112 zu illegalen und 77 zu legalen Drogen. Dabei handelte es sich um persönliche Vorträge durch Jugendbeamte oder Rauschgiftsachbearbeiter. Auf diese Weise wollen wir auch in den kommenden Jahren weitermachen.“

Aufsehen erregte im Juli des vergangenen Jahres der Fall einer 25-Jährigen, die in einem Parkhaus in der Innenstadt an einer Überdosis starb. Sie war die 13. Drogentote 2023. Laut dem Polizeibericht war sie durch eine Passantin in einer Toilette gefunden worden. Durch die alarmierte Feuerwehr wurde die Türe geöffnet, der ebenfalls alarmierte Notarzt konnte nur mehr den Tod der 25-Jährigen feststellen. Ihr 41-jähriger Begleiter benötigte keine weitere medizinische Behandlung und wurde zur weiteren Abklärung zur Polizeiinspektion Rosenheim verbracht. In unmittelbarer Nähe der beiden fanden die Beamten drogentypische Utensilien wie Spritzen und Löffel. 

„Überdosierungen sind immer Unfälle“, erklärte Ludwig Binder gegenüber der Zeitung. Er leitet als Geschäftsführer die Beratungs- und Behandlungsstelle von „neon“. So würden die Betroffenen den Konsum von Opioiden oftmals falsch einschätzen – auch weil der Körper nach einer gewissen Zeit eine Toleranz aufbaut. „Dadurch wird immer mehr konsumiert“, so der Experte. Das Problem: Oft passiert es, dass zu viele Opioide konsumiert werden, das führt zur Überdosis und die wiederum zur Atemdepression. „Man erstickt“, sagt Binder. Verhindert werden könnte dies etwa durch ein Naloxon-Nasenspray, das die atemlähmende Wirkung von Opioiden aufhebt.

Niederschwellige
Hilfsangebote

Verstärkte Polizeikontrollen würden dazu führen, dass die Drogenszene ins Private verlagert werde. Menschen würden bei einer Überdosierung alleine zu Hause sitzen – ohne, dass es jemand mitbekommt. Er plädiert deshalb für niederschwellige Angebote. Das fange bei Streetworkern an und könne bei der Einrichtung eines Drogenkonsum-Raums enden. „In diesen Räumen können Drogenabhängige unter medizinischer Aufsicht mitgebrachte Drogen injizieren oder rauchen“, erklärte Binder.

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