Rosenheim – Vielfache Lach-stürme fegen durch den Künstlerhof am Ludwigsplatz beim Frühjahrstheaterstück der Volksbühne Rosenheim St. Nikolaus. Grund ist weniger der Inhalt mit vielleicht vielen überraschenden Handlungswendungen, sondern vor allem der Wortwitz: „Der fast keusche Josef“ von Cornelia Willinger sorgt dafür. Cornelia Willinger hat die Drehbücher zu den Fernsehserien „Die Hausmeisterin“ und „Peter & Paul“ geschrieben sowie viele Drehbücher für „Der Bulle von Tölz“ und „Pater Braun“: Sie ist ein Profi in Sachen humorvoller Unterhaltung.
Vom Bordellbesitzer zum Katholiken
Wolfgang Josef Raublinger ist als „grundsolider Bordellier“ höchst erfolgreich in der „Zärtlichkeitsindustrie“, er betreibt mehrere Bordelle, die er mit Kameras, Computer und seiner Bordellchefin überwacht. Für die „Runderneuerung“ seiner Mädchen arbeitet der Schönheitschirurg Dr. Schlauch. Beim Pokern hat Raublinger ein ganzes Gestüt gewonnen, auf dem er nun mit seiner Schwester Anna, dem Hausmeister Paul und der Haushaltshilfe Maria wohnt.
Die täglichen Weißwürste liefert Pater Fidelis von der nahen Klostermetzgerei – der den „Bordellier“ natürlich als tiefsten Sünder anschaut: „Den mog ned amal der Teife!“, stellt er angewidert fest.
Doch nach einem Reitunfall ist plötzlich alles anders: Raublinger entdeckt seinen zweiten Vornamen und wird fromm, kann erstaunlicherweise Lateinisch reden, kann die ganze Bibel auswendig, hängt Kruzifixe sowie Bilder des heiligen Josef auf, will Theologie studieren und mutiert fast zu einer neuen Resl von Konnersreuth: Er entdeckt an sich Wundmale.
Die Puffs schenkt er Pater Fidelis, der dadurch, wie Josef sagt, zum „Don Corleone von Oberbayern“ wird. Das wird weidlich auserzählt, bis ein Schlag auf den Kopf alles wieder anders macht.
Der Regisseur Richard Martl sorgt für ein flottes Erzähltempo, die Wortwitze folgen so schnell hintereinander, dass sie in den Lachsalven manchmal untergehen. Nur sollte für den erlösenden Schlag auf den Kopf am Ende die dicke Bibel herhalten, nicht nur eine labbrige Zeitschrift.
Die Bühne ist – wie gewohnt bei den „Nikoläusern“ – liebevoll gebaut (Franz Grießl mit vielen Helfern), die Kostüme stimmig (Conny Stadler). Anfangs stolziert der Raublinger in goldener Jogginghose und schwarzem T-Shirt herum, später in geistlichen Gewändern bis hin zum priesterlichen Messgewand.
Robert Mayr macht die Wandlung vom Bordell-Saulus zum Josefs-Paulus ganz natürlich. Zuerst großspurig, großkotzig, breitbeinig und präpotent, der klar macht, dass alle von seinem Geld leben – dann nach seiner von ihm so behaupteten „Herzensöffnung“ genauso intensiv als plötzlich tiefgläubiger Katholik mit Vorliebe für Rauchfassl und Altäre. Sein eigentlicher Widersacher ist Pater Fidelis: Den spielt Florian Schrei hochlebendig als anfangs frommen, vom Bordellleben angewiderten, dann aber doch vom Reichtum angefixten Kleriker.
Eine gelungene Darbietung
Anna Fath ist Raublingers Schwester, gewohnt lakonisch-giftig und rhetorisch schnell zuschnappend. Angelika Heigermoser ist die resolut-geschäftstüchtige Bordell-Madame, Peter Schumpp-Kappler der unauffällig-umtriebige Hausmeister und Lisa Sebald ist die meist kratzbürstige Hausangestellte Maria, die Raublingers Wandlung misstrauisch begleitet. Als Dr. Schlauch agiert sachlich-temperamentvoll der Regisseur selbst. Eine wichtige Rolle spielte – zumindest bei der Premiere – Veronika Wieser als deutlich hörbare Souffleuse, die ihre Sache so gut machte, dass sie sich irgendwann überflüssig machen wird. Wer herzhaft lachen möchte, sollte sich bald nach Karten umschauen im Ticketzentrum, Stollstraße 1. Gespielt wird „Der fast keusche Josef“ bis Samstag, 4. Mai.