„Leute, macht’s mit!“

von Redaktion

Exklusiv-Interview OB Andreas März zum städtebaulichen Planungskonzept ISEK

Rosenheim – Rosenheim steckt mitten im Planungsprozess für ein „Integriertes städtebauliches Planungskonzept“, kurz ISEK, um sich für die Zukunft gut aufzustellen. Das Ziel: Themen wie Bau, Verkehr und Nachhaltigkeit sollen miteinander verzahnt werden. Dabei geht es um Entscheidungen, die in 15 bis 20 Jahren greifen. Wie all das funktioniert und wo es noch Schwierigkeiten gibt, verrät Oberbürgermeister Andreas März.

Seit einigen Monaten läuft in der Stadt das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept, kurz ISEK. Hört sich sehr trocken an.

Ja, das ist ein sperriger Begriff, es ist aber eine coole Sache. Das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept ist ein informelles Instrument, um sich über alle Themen der Stadtentwicklung umfassend Gedanken zu machen. Jeder darf mitmachen.

Mitmachen bei was genau?

Das ISEK ist im Prinzip eine Zusammenarbeit zwischen Planern, Planungsbüros, der Stadtverwaltung und – was in meinen Augen sehr wichtig ist – den Bürgern. So eine groß angelegte Beteiligung der Öffentlichkeit hat es in dieser Form noch nicht bei uns gegeben.

Warum braucht es so etwas ausgerechnet jetzt?

Vor vier Jahren habe ich mich auf den Weg gemacht, unseren Flächennutzungsplan, der seit 1995 gilt und mittlerweile bereits 55-mal geändert wurde, fortzuschreiben. Aus diesem Grund haben wir uns bereits Gedanken gemacht, wie wir verschiedene Entwicklungen vorantreiben können. Das Problem: Dinge wie Mobilität, soziales Leben, Kultur oder Energieversorgung können in einem Flächennutzungsplan gar nicht abgebildet werden.

Gehen wir noch einen Schritt zurück. Was genau meinen Sie mit der Fortschreibung des Flächennutzungsplans?

Der Flächennutzungsplan schreibt vor, wo welche Nutzungen gelten – also beispielsweise wo sich Wohngebiete befinden und wo Gewerbe, Landwirtschaft oder Verkehrsflächen angesiedelt sind. Zudem werden die städtebaulichen Planungs- und Entwicklungsziele festgelegt. Es ist eine Art Handlungsleitlinie, an der wir uns orientieren wollen und die müssen wir neu aufstellen.

Der Flächennutzungsplan sagt aber wenig über das Zusammenleben in der Stadt aus oder darüber, wie sich bestimmte Ortsteile in Zukunft entwickeln sollen.

Diese Themen können wir auf einem zweidimensionalen Flächennutzungsplan nicht abbilden. Aus diesem Grund gibt es das Instrument des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts, das sich genau mit diesen Fragen auseinandersetzt. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Bild der Zukunft, das wir auf unseren zweidimensionalen Flächennutzungsplan projizieren wollen.

Hört sich erst einmal ziemlich kompliziert an.

Wir haben in der Vergangenheit mehrere Einzelkonzepte aufgestellt. Wir haben ein Einzelhandelskonzept, ein Klimawandelanpassungskonzept, ein Tourismuskonzept und Pläne für die Entwicklung von Sportflächen, Schulen und Kitas. All diese Konzepte wollen wir jetzt im Rahmen des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts zusammenfassen. Wir wollen alle losen Enden miteinander verbinden.

Das wird ein ziemlich dickes Konzept.

Das stimmt. Wir sind bereits dabei, eine erste Analyse zu erstellen. In der wird unter anderem festgehalten, was die Schwächen und Stärken der Stadt in den jeweiligen Bereichen sind. Wir schauen uns beispielsweise an, wie es im Verkehr, beim Einzelhandel oder in der medizinischen Versorgung läuft. Gemeinsam mit den Rosenheimer Bürgern wollen wir dann verschiedene Ziele formulieren. Jeder kann hier seine Ideen einbringen. Es ist ganz niederschwellig, man kann es beispielsweise auch online machen.

In den nächsten zwei Monaten finden zudem Themenwochen statt. Zu jeder gibt es einen Stand am Ludwigsplatz und eine digitale Schnitzeljagd. Aus all diesen Ideen wollen wir dann Ziele entwickeln und daraus konkrete Maßnahmen ableiten. All das mündet gegen Ende des Jahres in ein Konzept, das auch vom Stadtrat beschlossen wird.

Und dann?

Dann kommen wir hoffentlich weg von den Einzelfall-Entscheidungen und schaffen ein gemeinsames Grundverständnis dafür, wo es mit unserer Stadt hingehen soll. Bisher gibt es ganz viele unterschiedliche Ideen, wie was entwickelt werden könnte. Wir wollen all das in einem Konzept zusammenfassen.

Die Bürger sind für die Erstellung dieses Konzepts unverzichtbar. Wie läuft es bisher?

Wir haben schon einige Rückmeldungen von Bürgern bekommen, aber wir befinden uns ja am Anfang der Bürgerbeteiligung. Aus diesem Grund haben wir eine groß angelegte Plakataktion gestartet, 20000 Postkarten verteilt und das Konzept auf unseren Social-Media-Kanälen beworben. Aber es muss noch bekannter werden. Mundpropaganda ist bei dem Thema ganz wichtig. Und dann hoffe ich darauf, dass sich möglichst viele Bürger beteiligen.

Kann ich mich auch mit kleinen Wünschen und Zielen beteiligen?

Natürlich. Wir haben zum Beispiel schon einige Vorschläge gesammelt von Bürgern, die sich einen Spielplatz an einer ganz bestimmten Stelle wünschen. Desto mehr Wünsche eingehen, umso mehr können wir auch berücksichtigen. Wenn sich immer nur die gleichen Bürger an uns wenden, dann bringt es uns relativ wenig. Von daher wäre es toll, wenn sich Bürger aus allen Bevölkerungsgruppen beteiligen, durch die einzelnen Quartiere hindurch.

Wenn ich mir jetzt also eine Kita in Fürstätt wünsche, bekomme ich die dann auch?

Wenn es mehrere Bürger gibt, die sich das wünschen, könnte es unter „Schwächen“ verbucht werden. Wir werden dann überprüfen, ob für diesen Standort tatsächlich eine Kita benötigt wird. Sollte dem tatsächlich so sein, werden wir uns um die Schaffung zusätzlicher Plätze kümmern.

In der Regel lässt die Anfangseuphorie relativ schnell nach.

Ziel muss sein, dass die Begeisterung bis zum Ende hochgehalten wird. Das ist eine meiner Hauptaufgaben.

Sie sind also eine Art Cheerleader.

Genau. Aber wir müssen uns auch keine Illusionen machen, dass jetzt 65000 Rosenheimer sagen, wie sie sich ihre Stadt in 20 Jahren schon immer vorgestellt haben. Trotzdem hoffen wir, auf eine rege Beteiligung.

Hat man sich an anderen Städten orientiert?

Wir haben uns zwei Planungsbüros ins Boot geholt, die so etwas in anderen Städten schon einmal gemacht haben. In der Regel entwickelt man ein solches Konzept für einzelne Stadtteile, wir machen es für die ganze Stadt. Das ist eher ungewöhnlich und eine Herausforderung.

Wenn jetzt doch auf einmal 50000 Bürger ihre Ideen und Vorschläge einbringen: Wie realistisch ist es, dass das Konzept bis zum Jahresende steht?

Dann würden wir es bis Weihnachten wahrscheinlich nicht schaffen (lacht). Aber das wäre auch nicht schlimm, zumal das Konzept ja für die nächsten 30 Jahre ausgerichtet ist. Die Entwicklung der Stadt bleibt, während wir das Konzept erstellen, ja auch nicht stehen.

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