Rosenheim – Simone Donhauser liebt ihren Beruf. Seit 25 Jahren arbeitet die Rosenheimerin als Hebamme. Sie berät beim Kinderwunsch, betreut Frauen in der Schwangerschaft und während der Geburt, begleitet die Familien im Wochenbett und beantwortet die Fragen der Eltern bei Bedarf bis zum Ende der Stillzeit. „Ich liebe die Vielschichtigkeit des Berufs“, sagt sie am Telefon.
Verzweifelte Suche
nach Betreuungsplatz
Aber sie macht auch kein Geheimnis daraus, dass sich in den vergangenen Jahren einiges verändert hat. Nicht nur sind zahlreiche Aufgaben dazugekommen, auch ihr Kalender wird immer voller. „Früher haben sich Frauen in der 25. Schwangerschaftswoche nach einer Hebamme umgeschaut, mittlerweile machen sie es, wenn sie feststellen, dass sie schwanger sind“, sagt Simone Donhauser. Hinzu kommt, dass Frauen, die kein Deutsch sprechen oder über die Möglichkeit der Betreuung durch eine Hebamme nicht informiert sind, meist keinen Betreuungsplatz finden. Grund hierfür ist in ihren Augen die Tatsache, dass es zu wenig Hebammen gibt. Nicht nur in Rosenheim, sondern in ganz Bayern.
Das bestätigt auch Mechthild Hofner, Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Landesverbands. „Wir haben allerdings keinen absoluten Hebammenmangel, sondern nur einen relativen“, sagt sie auf OVB-Anfrage. So gibt es ihr zufolge viele sehr gut ausgebildete Hebammen, die sich aber aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und der prekären Arbeitsbedingungen teilweise oder auch ganz aus dem Beruf zurückgezogen haben.
„Wenn eine Klinik schließt, geschieht das oft ohne Konzept“, sagt Mechthild Hofner. So würde kaum jemand darüber nachdenken, wie das Mehr an Geburten an den Standorten in der Umgebung abgefedert werden kann – ohne einen zusätzlichen Kreißsaal oder mehr Hebammen. „Insgesamt gesehen haben sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen in der klinischen Geburtshilfe nicht verbessert, eher durch weitere Klinikschließungen verschlechtert“, sagt Mechthild Hofner.
Deshalb hofft sie, dass im Krankenhausversorgungverbesserungsgesetz, kurz KHVVG, die „hebammengeleitete Geburtshilfe“ verankert und damit finanzierbar gemacht wird. „Das würde bedeuten, dass an allen Kliniken künftig Hebammenkreißsäle implementiert werden können“, sagt sie. Heißt: Gesunde Schwangere ohne Risiken können hier mit individueller Begleitung durch eine Hebamme gebären. „Nur falls Probleme auftreten, wird die Ärztin oder Geburtshelferin hinzugezogen“, sagt Hofner. Das würde in ihren Augen nicht nur enorme Kosten sparen, sondern den Frauen auch die Entscheidung überlassen, wo sie ihr Kind auf die Welt bringen.
Dass es Verbesserungen braucht, weiß auch Simone Donhauser. Zumal es immer wieder vorkommt, dass sie Anfragen von Müttern ablehnen muss. Denn jede Hebamme kann pro Monat nur eine bestimmte Anzahl von Frauen annehmen, um sie gut begleiten zu können. „Mir tut es immer leid, wenn ich den Frauen keinen Betreuungsplatz anbieten kann“, sagt sie.
Denn während die Frauen in der Schwangerschaft in der Regel durch ihren Frauenarzt gut versorgt sind, stehen sie im Wochenbett – also acht Wochen nach der Geburt – oft alleine da. „In dieser Zeit ist die Hebamme oft die wichtigste Ansprechpartnerin, wenn es um physische oder psychische Probleme geht“, sagt Simone Donhauser.
Seit Anfang des Jahres ist zudem ein weiteres Angebot weggefallen. So wurde die Wochenbettambulanz am Romed-Klinikum Rosenheim vorerst eingestellt. „Nach der Corona-Pandemie haben immer weniger Frauen nachgefragt“, sagt Pressesprecherin Elisabeth Siebeneicher. Sie weist aber auch darauf hin, dass die im Klinikum tätigen Hebammen den meisten Frauen eine „engmaschige und individuelle“ Wochenbettbetreuung zu Hause anbieten können.
Um das vorhandene Angebot noch weiter auszubauen, haben sich jetzt fünf freiberufliche Hebammen aus Rosenheim zusammengetan und ein Pilotprojekt ins Leben gerufen – für Mütter ohne Hebamme. „Mit dem Angebot wollen wir den Frauen zumindest die Chance auf einen Termin bei einer Hebamme bieten“, sagt Simone Donhauser.
An zwei Tagen in der Woche können die Frauen einen Termin vereinbaren und in den Praxisräumen des Kompetenzzentrums „Lucina & Friends“ an der Prinzregentenstraße 28 eine Hebamme konsultieren. „Das Angebot soll niederschwellig sein, sodass keine sozialen, sprachlichen oder finanziellen Hürden für die Frauen und ihre Neugeborenen entstehen“, sagt Cornelia Gromann, stellvertretende Vorsitzende des Stifterrats der Bürgerstiftung. Die Leistungen sind kostenlos und werden von der Krankenkasse übernommen. Das Angebot wird von der Bürgerstiftung Rosenheim finanziell unterstützt.
Inspiration aus dem
Landkreis Miesbach
Angelehnt ist das Projekt an eine Sprechstunde aus dem Landkreis Miesbach, welche die koordinierte Kinderschutzstelle (KoKi) und die Hebammen dort ins Leben gerufen haben. Im Juli 2023 endete das Angebot. „Im Jahr 2022 wurde die Hebammen-Sprechstunde sehr gut angenommen. 2023 nahm die Nachfrage stark ab“, sagt Sozialpädagogin Monika Stahlhofer, die das Angebot ins Leben gerufen hat. Die geringe Nachfrage sei ihr zufolge ausschlaggebend dafür gewesen, dass das Projekt nicht weiter fortgeführt wurde.
„Der Hebammenmangel besteht nach wie vor, aber es gibt einen deutlichen Geburtenrückgang bei uns im Landkreis Miesbach“, sagt die Expertin. So sei die Zahl der Geburten von 1300 auf 950 gesunken. Zwar sind auch die Geburten in der Stadt Rosenheim leicht zurückgegangen, freie Termine bei Hebammen werden aber auch weiterhin händeringend gesucht. Genau hier soll das Pilotprojekt ansetzen.