Rosenheim – Was hat die Wertschöpfungskette im Holzbau mit dem Projekt „Wohnraum für Hilfe“ des Vereins Pro Senioren zu tun? Viel mehr, als man zunächst denkt. Das konnten die Gäste beim diesjährigen Mai-Empfang der Freien Wähler erfahren. Kennzeichen dieser Veranstaltung ist es, so Christine Degenhart, Organisatorin und Vorsitzende der Freien Wähler Rosenheim Stadt, Themen anzusprechen, die derzeit aktuell sind. Diese müssen nicht notwendigerweise in irgendeinem Zusammenhang zueinanderstehen, bei diesem Mai-Empfang aber zeigten sich immer wieder überraschende Querverbindungen zwischen den vier Einzelvorträgen.
Aus ähnlichem
Holz geschnitzt
Da ist etwa das Bemühen im Holzbau, vom Keimling bis zum fertiggestellten Haus eine funktionierende und aufeinander abgestimmte Wertschöpfungskette aufzubauen. Heimisches Holz als einer der wichtigsten Rohstoffe, die wir selbst haben, soll nicht nach Amerika, China oder auch Tirol exportiert werden, um dann als weiterverarbeitetes Produkt teuer wieder zurückgekauft werden zu müssen. Diese Überlegung scheint auf der Hand zu liegen. Aus dieser Idee aber einen echten Zusammenschluss zu machen, bedurfte einiger Jahre und ist als Prozess auch noch lange nicht abgeschlossen, wie Jorun Klinger-Illner, Vorsitzende des Vereins „Wir bauen auf heimisches Holz“, sagte.
Die Akteure – Waldbauern, Sägebetriebe, Weiterverarbeiter, Architekten und Kommunen – sahen sich, so Jorun Klinger-Illner, am Anfang vor allem als Kontrahenten, die sich mit deutlich mehr Misstrauen als Wohlwollen betrachteten. Geholfen, Misstrauen und Vorbehalte zu überwinden, hat es, so die Vereinsvorsitzende, dann miteinander in Kontakt zu kommen. So dahingesagt scheint auch das ein banaler Allgemeinplatz zu sein. Für Jorun Klinger-Illner lag der Schlüssel zum Erfolg darin, für diese Treffen nicht jeweils gleich ein Abschlussziel zu haben, sondern sie als Veranstaltungen mit offenem Ende zu sehen: Hauptziel war es, durch das Ins-Gespräch-kommen langsam so etwas wie eine erste Vertrauensbasis aufzubauen.
Vertrauen zwischen den Generationen
Und genau darum, um die Frage nämlich, wie baue ich Vertrauen auf, geht es auch beim Projekt „Wohnen für Hilfe“. Für Inge Ilgenfritz steht in Rosenheim dem Wohnungsbedarf der rund 6000 Rosenheimer Studenten ein großes Potenzial an verstecktem Wohnraum gegenüber: Häuser, die zum Großteil leer stehen, weil in ihnen keine Familie mehr, sondern nur ein einzelner alt gewordener Mensch wohnt. Die Idee des Projektes: Die Senioren „vermieten“ einen Teil ihres Wohnbesitzes an Studenten, wobei die Miete aber nicht in Geld, sondern in „Hilfestunden pro Quadratmeter“ zu entrichten ist.
Dass das eine Win-win-Situation für alle Beteiligten sein könnte, liegt auf der Hand, leider auch, dass es vor allem aufseiten der Senioren viel Unsicherheit und in der Folge auch Befürchtungen gibt: Wen hole ich mir da ins Haus? Werde ich am Ende in meiner eigenen Wohnung an den Rand gedrängt? Zwar sieht die Realität ganz anders aus: Die „Mietverträge“ sind detailliert und können auf alle individuellen Wünsche beider Seiten abgestimmt werden. Und all jene, die sich auf das „Wagnis“ eingelassen haben, sind, so Inge Ilgenfritz, des Lobes voll, möchten „ihre“ Studentin oder „ihren“ Studenten am liebsten nicht mehr hergeben.
Das Problem liegt nun darin, wie vor allem den Senioren solche Überlegungen nahegebracht werden können. Die intensive Werbung, die Pro Senioren für diese Projektidee macht, greift offenbar zu wenig. Auch hier, so die Einschätzung des Publikums, könnte die Vorgehensweise der Holzbaukette helfen: Der vorsichtige Versuch, die potenziellen Partner einmal zwanglos zusammenzubringen.
Kennenlernen
mit Zeit füreinander
Nur um die jeweils andere Gruppe einmal kennenzulernen, ohne dass das Ziel der Veranstaltung gleich den Anschein eines Speed-Datings zur Wohnungsvermittlung hat. Gelingt das, könnte mittelfristig ein wichtiges Ziel des Studentenparlamentes der TH zumindest teilweise erreicht werden: Die Tatsache, dass Rosenheim eigentlich eine Studentenstadt ist, im Bewusstsein der Bevölkerung besser zu verankern. Wunschziel ist es, so Maximilian Liss vom Studentenparlament, dass sich studentisches Leben nicht nur isoliert am Campus konzentriert, sondern die ganze Stadt prägt und sie damit für all ihre Bewohner lebendiger und bunter macht.
Städtische Mobilität als großes Thema
Das ist unter anderem eine Frage der Mobilität der Studenten und dass Mobilität nicht immer ein eigenes Auto voraussetzt, zeigte Christoph Heilmeier an einem Quartiersprojekt in Landsberg. Das dahinter liegende Prinzip ist eigentlich einfach: Verkehr soll in Zukunft auf den verschiedensten Füßen stehen, dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad und dem Auto. Dieses aber soll nicht die meiste Zeit unnütz in einer Garage stehen, sondern als Carsharing-Fahrzeug flexibel und bei Bedarf genutzt werden können und damit zumindest den Zweitwagen überflüssig machen.
Schon beim Planen Gutes bewirken
Werden solche Mobilitätsangebote – bereitgestellte E-Autos, aber auch Fahrräder und Lastenräder – gleich bei der Planung neuer Wohnareale berücksichtigt, könnte dort ein Teil der vorgeschriebenen Autostellflächen vermieden werden. Das sind meist Tiefgaragen, die im Bau viel Geld kosten. Geld, das vom Bauträger in den alternativen Fahrzeugpark investiert werden und dabei auch noch helfen könnte, Kauf- und Mietpreise der einzelnen Immobilien zu senken. Und auch bei dieser Idee zeigte sich: Gute Ideen haben ist eines. Sie einem Gegenüber zu vermitteln – sei es nun ein Einzelner, eine Gruppe oder eine Stadtverwaltung – ist etwas, das Geduld und Hartnäckigkeit voraussetzt.