Rosenheim – Stefanie Schlüter baute 2019 das Hospiz-Palliativ-Netzwerk Rosenheim mit auf. Sie will damit eine bestmögliche Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden sowie ihren Angehörigen schaffen. Hinter ihrer Arbeit steckt viel Schweiß und Tränen. Denn nicht immer gehen die Anrufe von Betroffenen oder Angehörigen spurlos an ihr vorbei, wie sie im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen verrät.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Ich hatte vorhin noch einen Anruf, wo eine verzweifelte Tochter angerufen hat, die ihre Mutter bei sich hat. Diese ist schwer krank und es geht jetzt dem Lebensende zu. Die Situation hat sich von gestern auf heute sehr verschlechtert. Die Tochter wusste jetzt einfach nicht mehr, was sie tun kann und an wen sie sich wenden kann. Ich bin da, um den ganzen Werdegang zu erklären und die nächsten Schritte zu besprechen, und weiterzuleiten.
Was kann man in solchen Fällen noch unternehmen?
Es gibt Betroffene, die die Therapie durchziehen wollen und welche, die das alles nicht mehr machen wollen. Es hängt also immer von der Situation ab. So wollen zum Beispiel Patienten, die noch fit sind, nur über Themen wie Patienten- und Betreuungsverfügungen sprechen und sich informieren, was in ihrer Situation weitere Schritte sind. Bei anderen geht es um Themen wie Pflegedienst oder den Jakobus Hospizverein oder die Jakobus Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung (SAPV). Zum Schluss sprechen wir über Therapieziele und helfen auch bei Formalitäten. Bei allen Fällen stehen wir in enger Kommunikation mit den Haus- und Fachärzten.
Was ist für Sie das Besondere an Ihrem Beruf?
Die Dankbarkeit der Leute ist für mich das Besondere. Oft haben die Betroffenen schon bei sieben oder acht Stellen angerufen und wissen immer noch nicht, wie es weitergehen soll. Hier bekommen sie dann endlich die Antworten auf ihre Fragen. Aber natürlich gibt es auch Fälle, die nicht spurlos an einem vorbei gehen. Vor allem Kinder und junge Leute sind in der Regel immer sehr schlimm.
Wie gehen Sie mit solchen Geschichten um? Härtet man irgendwann ab oder nimmt man das auch nach Jahren noch mit nach Hause?
Nein, es nimmt einen immer noch mit. Man weiß bei keinem Anruf oder bei keiner E-Mail, was auf einen zukommt. Wir haben Situationen, die gut funktionieren und welche, wo die Not sehr groß ist. In diesen Fällen muss dann alles sehr schnell gehen. Es gibt Fälle, da sind die Menschen noch fit und können ihren Alltag noch gut alleine bewältigen und in anderen Fällen muss schnell alles gut organisiert und nächste Schritte besprochen und geplant werden. Also abgehärtet ist man nie.
Wollten Sie schon immer diesen Beruf ausüben oder wie kam es dazu?
Ich habe vorher sechs Jahre in der SAPV gearbeitet und nebenbei das Netzwerk mit aufgebaut. Dann entschied ich mich im Mai 2022, als hauptamtliche Koordinatorin im HPN-Rosenheim zu arbeiten. Neben der Hotline habe ich auch Außentermine, mache Büro-Administration, arbeite an den verschiedenen Projekten und betreue die sieben dazugehörigen Arbeitsgruppen.
Wofür steht das Hospiz-Palliativ-Netzwerk (HPN)?
Das HPN steht für eine verbesserte und eng verzahnte Versorgung von Schwerstkranken, Sterbenden und ihren Angehörigen. Aber auch für Informationen für die Öffentlichkeit zu den Möglichkeiten in der Hospiz- und Palliativversorgung und eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Angebote. Das HPN will sektorenübergreifende Dialoge zwischen den Akteuren fördern, um die Betreuung und Versorgung der Betroffenen durchgehend gelingen zu lassen und Versorgungseinbrüche zu vermeiden. Die politischen Kommunen wie Stadt- und Landkreis Rosenheim, aber auch die einzelnen Gemeinden sind wichtige Parteien dabei.
Und wer zählt alles zu Ihren Netzwerkpartnern?
Das sind die ganzen Kliniken in Stadt- und Landkreis Rosenheim, überwiegend die Palliativstationen. Dann haben wir Hausärzte, Fachärzte, Apotheken, Sanitätshäuser, Pflegestützpunkt und die Gesundheitsregion Plus. Wir arbeiten aber auch mit Pflegediensten, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen zusammen.
Welche Patienten versorgen Sie?
Im Vordergrund stehen Krebsdiagnosen und Krebserkrankungen. Es sind Patienten, die austherapiert sind, aber auch schwer demenzkranke Patienten und schwer herzkranke Patienten.
Womit wird sich in der Palliativmedizin beschäftigt?
Palliativmedizin ist die Behandlung und Betreuung von Menschen mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung. Das Ziel ist es, die Lebensqualität des Kranken zu erhalten und zu verbessern. Das Besondere von Palliativ Care und Hospizarbeit ist, dass An- und Zugehörige miteinbezogen werden. Aber auch die Unterstützung bei der Absicherung der Angehörigen nach dem Versterben auf der psychischen Ebene und die Linderung von Angst und der Unruhezustände auf der spirituellen Ebene.
Und was sind das für sieben Arbeitsgruppen?
In den Arbeitsgruppen sind unter anderem der Jakobus Hospizverein, Jakobus SAPV, Hausärzte, Fachärzte, Leitungen der Palliativ Stationen, Pflegedienstleitungen, Pflegeheimleitungen, Apotheker, Sanitätshäuser, Sozialdienstleitung, Seelsorger, Kirchen, betreute Wohngruppen, Attl, Leitungen des Chiemsee Hospiz Bernau, AKM Kinder Hospiz München, Palliativ Care Fachkräfte, Lehrer der Heilerziehungsschule, Referenten, Kursleiter, Kunsttherapeutin.
Interview: Jennifer Beuerlein