Rosenheim – Es sind schwere Anschuldigungen gegen die Rosenheimer Polizei. Die Rede ist von „Schikane“, „Rache-Aktion“ und sogar eine Entführung wird den Beamten vorgeworfen. Auslöser ist eine Kundgebung des Kreisverbands der AfD mit deren Europaabgeordnetem Markus Buchheit am Freitagabend am Ludwigsplatz.
Kurz vor Beginn versammelte sich eine Gruppe von rund 50 Aktivisten aus der Antifa-Szene, um lautstark mit Bannern und Plakaten gegen die Versammlung der AfD zu demonstrieren.
Polizei schildert die
Situation anders
„Das war zwar laut, aber bis hierhin alles friedlich“, sagt einer der Aktivisten am Telefon, der anonym bleiben möchte. Die Rosenheimer Polizei schildert die Situation ein wenig anders. Zu einem sei die „form- und fristgerecht“ angemeldete Veranstaltung durch die Zwischenrufe gestört worden. Zum anderen hätten einige der Teilnehmer versucht, durch die Absperrungen auf die abgegrenzte Fläche zu kommen. Auch sei es zu Beleidigungen in Richtung der Teilnehmer der AfD-Versammlung gekommen.
Dem widerspricht der 21-jährige Aktivist. „Es hat niemand von uns versucht, in den Bereich zu kommen“, sagt er. Trotzdem hätten die „behelmten Polizisten“ irgendwann angefangen, ihn und die anderen Aktivisten durch Schieben und Drücken von der Veranstaltung wegzudrängen und einzukesseln. Daraufhin hätten sich rund 20 Demonstranten zwischen der Straße und dem Brunnen am Ludwigsplatz auf den Boden gesetzt. „Die wurden dann von den Polizisten weggetragen“, sagt der 21-Jährige.
Das bestätigt auch Hauptkommissar Robert Maurer. „Beim Wegtragen gab es keine Probleme, das war von beiden Seiten aus sehr friedlich und ohne Widerstand“, sagt der Polizist. Allerdings sei es schwierig gewesen, mit den Aktivisten ins Gespräch zu kommen. „Wir haben vorher schon versucht, mit ihnen zu sprechen und mit Lautsprecherdurchsagen darauf hinzuweisen, dass sie den Bereich verlassen sollen“, berichtet Maurer. Gebracht habe es nichts.
„Ein paar Leute haben schon probiert, weiter zu demonstrieren“, gibt auch der 21-jährige Aktivist zu. Deshalb sah sich die Polizei gezwungen, gegen vier Teilnehmer „freiheitsentziehende Maßnahmen“ einzuleiten.
Zwei Aktivisten aus
der Stadt gefahren
Zwei der Aktivisten seien auf die Dienststelle zur „Feststellung der Identität“ gebracht worden. Gegen die beiden anderen habe die Polizei einen Platzverweis ausgesprochen – der erneut ignoriert wurde.
„Wenn man einem Platzverweis nicht Folge leistet, hat die Polizei die Möglichkeit, die Person in Gewahrsam zu nehmen“, erklärt der Hauptkommissar. Das sei dann auch im Fall der zwei Aktivisten passiert.
Dabei sei die Rosenheimer Polizei allerdings „kreativ geworden“, sagt der 21-jährige Aktivist, der von einem der Platzverweise betroffen war. „Die haben mich ins Polizeiauto gesetzt und nach Riedering gefahren.“ Dort hätten sie ihn dann ohne Telefon und Bargeld am Rathaus „ausgesetzt“.
Den anderen Aktivisten hätten die Beamten nach Prutting gefahren. „Sie haben mir einen schönen Abend gewünscht und mehr oder weniger gesagt, dass ich schauen soll, wie ich heimkomme“, sagt der 21-Jährige. Und das in „menschenleeren Orten“ wie Riedering und Prutting, in denen es keinen Bahnhof oder Busverbindungen zu dieser Uhrzeit gebe. „Orientierungslos“ sei der 21-Jährige, der aus der Region stammt, dann durch den Ort geirrt, bis ihm Anwohner halfen, einen Freund in Rosenheim anzurufen.
„Mildere Maßnahme
als eingesperrt sein“
Dass ein solches Vorgehen eher die Seltenheit ist, bestätigt Robert Maurer. „Die Maßnahme nennt man einen erweiterten Platzverweis oder Verbringungsgewahrsam“, sagt der Hauptkommissar. Normalerweise sei die Folge eines Gewahrsams, dass man in eine Zelle gebracht wird. „Das ist der wesentlich schwerwiegendere Rechtseingriff für die Betroffenen“, sagt Maurer.
Daher hätten sich die Beamten nach „sorgfältiger Prüfung“ dazu entschieden, die beiden Aktivisten vom Ort des Geschehens wegzubringen. „Das war die mildere Maßnahme als bis zum Veranstaltungsende eingesperrt zu sein“, sagt Maurer. Zudem könne er den Vorwurf der „Aussetzung“ nicht nachvollziehen. „An dem Abend war es warm und um 20.30 Uhr war es dort noch nicht menschenleer und dunkel“, sagt der Hauptkommissar.
Auch warum die Wahl der Beamten auf Riedering fiel, erklärt der Polizist. Das sei eine Weg-Zeit-Berechnung. Dabei werde abgewogen, wie lange die Veranstaltung noch dauert und der Betroffene brauche, bis er wieder dorthin zurückkommen könnte. Eine Gefahr habe dabei für die beiden Aktivisten nie bestanden.
„Einschüchterung“
junger Aktivisten
Für die beteiligten Aktivisten der Gruppe „noROpression“ ist das Vorgehen der Polizei dennoch „völlig inakzeptabel“. „Derartige Maßnahmen dienen weniger einer ‚Gefahrenabwehr‘, als viel mehr der Einschüchterung junger Aktivisten“, teilt eine Sprecherin der Gruppe mit.
In der „Fahrt in die kleinen Dörfer“ sehe die Gruppe eine „Entführung von Antifaschisten“ von der Rosenheimer Polizei. Auch die Rosenheimer Jungsozialisten (Jusos) verurteilen das Verhalten der Polizei. Daher haben die beiden Co-Vorsitzenden Reka Molnar und Luca Fischer entschieden, eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzureichen.