Rosenheim – Im Rosenheimer Stadtteil Kastenau war Sieglinde Wunsam zu Hause. Nun ist sie im Alter von 80 Jahren verstorben. In der Kirche Heilige Familie Kastenau fand der Trauergottesdienst statt. Familie, Freunde und weitere Trauergäste nahmen dort Abschied von ihr. Gemeinsam blickten sie auf das Leben der Rosenheimerin zurück, welches geprägt war von Mut, Engagement und dem Einsatz für Gerechtigkeit.
Sieglinde Wunsam wurde 1943 in Dachau geboren, wo sie mit ihrer Schwester Liane aufwuchs. Nach der Mittleren Reife machte Wunsam eine Ausbildung zur Bürokauffrau bei der Firma Ostermann in Rosenheim. Dort lernte sie ihren Ehemann Ernst Wunsam kennen. Auf einer Weihnachtsfeier sollen sich die beiden ineinander verliebt haben. Zusammen mit ihrer Schwester Liane und deren Mann Schorsch Kirmeier kam es 1963 zu einer Doppelhochzeit. Seitdem waren Sieglinde und Ernst Wunsam bis zu dessen Tod unzertrennlich.
Familie stand immer an erster Stelle
Gekrönt wurde ihr Glück von der Geburt ihrer beiden Kinder Günther und Christine. Es folgten drei Enkelkinder und vier Urenkel, um die sich Sieglinde Wunsam gerne kümmerte. Denn Familie stand für die Rosenheimerin immer an erster Stelle. Und der ging sie mit einem guten Beispiel voraus: Wunsam setzte sich ihr Leben lang für die Gerechtigkeit ein.
Schon in jungen Jahren fing sie an zu rebellieren. „Sie hat durchgesetzt, die Mittlere Reife machen zu dürfen. Sie hat am Wochenende gearbeitet, um das Schulgeld zu verdienen, das der Vater nicht aufbringen konnte“, erinnert sich Hannelore Maurer, Gemeindereferentin der Kirche Heilige Familie. Und das sei erst der Anfang gewesen.
Sieglinde Wunsam war seit 1950 Mitglied im Trachtenverein D‘Innviertler und bei den Innviertler Sängerinnen in Rosenheim. „Sie hatte den Mut, sich als erstes Trachten-Dirndl die Haare abzuschneiden“, sagt Maurer. Das sei vorher undenkbar gewesen und eine „Katastrophe“. Wunsam war das egal. Nach und nach taten es ihr sogar andere Mitglieder nach.
Das Theater war ihre Herzensangelegenheit
Nachdem Sieglinde Wunsam ihre Ausbildung beendet hatte, arbeitete sie im Steuerbüro Gräf in Rosenheim. Danach war sie 25 Jahre Pfarrsekretärin in der Pfarrei Heilige Familie und weitere Jahre als Kirchenpflegerin tätig.
Nach der Gründung des Kastenauer Theaters vor fast 30 Jahren übernahm Wunsam die Regie. Sie habe immer aus allen das Beste herausgeholt und habe für jeden ein gutes Wort gehabt, so Maurer. Die Arbeit dort machte sie stets „mit einer aufrichtigen Herzlichkeit“.
Das Theater war für Wunsam eine Herzensangelegenheit. „Als ich sie noch gefragt habe, ob wir ihr noch einen Wunsch erfüllen können, meinte sie: ‚Ja, dass des mit dem Theater guad lafft. De solln sich dahinterklemmen‘“, erinnert sich Hannelore Maurer.
Neben dem Theater war Sieglinde Wunsam Fördervereinsmitglied der Stadtkapelle Rosenheim, wo sie die Verdienstmedaille des Musikbundes für hervorragende Verdienste um die bayerische Blasmusik erhielt. Außerdem war sie die zweite Vorsitzende im Förderverein des Städtischen Museums.
Auch in der Politik setzte sich Wunsam ein. 1990 ging die damals 47-Jährige für die CSU in den Rosenheimer Stadtrat. Dort war sie für insgesamt drei Wahlperioden aktiv und setzte sich für die Kommunalpolitik ihrer Heimatstadt ein. Wunsam machte sich stark für den Ausbau von Hortplätzen und engagierte sich für die Sicherung und Weiterentwicklung des Romed-Klinikums. In der CSU-Stadtratsfraktion war sie zudem Sprecherin im Jugendhilfeausschuss.
Einsatz für ältere Mitmenschen
Nach ihrer Zeit im Stadtrat setzte sich Sieglinde Wunsam für die Senioren der Region ein. Von 2013 bis 2023 war sie als Kreisvorsitzende der Senioren-Union Rosenheim-Stadt tätig. Sie wollte den älteren Mitmenschen eine bessere Lebenssituation bieten. So sollten die Senioren länger in ihrer vertrauten Umgebung leben können.
Um zur Ruhe zu kommen, fuhr Sieglinde Wunsam schon in ihrer Jugend gerne nach Italien ans Meer. Auch ihren Garten mit den vielen Blumen soll sie geliebt haben. Ihre Geschichte und ihre Eigenschaften werden vielen Menschen in Erinnerung bleiben.
„Sie war eine Frau, die die Stadtgesellschaft und die Stadtpolitik maßgeblich mitgestaltet hat“, sagt Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März. Ihr Engagement für den Ausbau der Kinderbetreuung bleibt ihm besonders in Erinnerung. Denn Sieglinde Wunsam sei es gewesen, die den Grundstein für das Kita-Angebot in der Stadt setzte und vorantrieb. „Rosenheimer Familien profitieren bis heute von ihren visionären Ideen von damals. Sieglinde Wunsam hinterlässt eine politische, soziale und vor allem menschliche Lücke in unserer Stadtgesellschaft, ihr Vermächtnis aber wird weiterleben“, sagt März.
Auch Rosenheims Zweiter Bürgermeister Daniel Artmann erinnert sich an die gemeinsame Zeit mit Sieglinde Wunsam. „Sie war für uns alle bedeutsam. Sie war ein außergewöhnlicher Mensch“, sagt er. Wunsam habe sich immer für die Menschen der Stadt eingesetzt und habe viel bewegt. „Ich habe von ihr gelernt, dass politisches Engagement keine Frage des Alters ist, sondern des Feuers, der Leidenschaft und der Ideen“, sagt Artmann.