Rosenheim – Damit gerechnet hat Oberbürgermeister Andreas März (CSU) nicht. Er steht im großen Saal des Gasthofs Höhensteiger, schaut in die Gesichter von rund 200 Bürgern. Eigentlich sollte die Anliegerversammlung im kleinen Raum stattfinden, doch bereits kurz vor 17.30 Uhr war jeder Platz besetzt. Also plante man kurzerhand um. Gäste und Kellner trugen Tische und Stühle in den großen Saal, öffneten die Café-Stube. Dann ergriff der Oberbürgermeister das Wort.
Überraschung über „hohen Wellengang“
„Mich überrascht es, dass die Entscheidung so hohe Wellen geschlagen hat. Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt er. Auch, weil das Thema in den vergangenen Jahren immer wieder bei ihm aufgeschlagen sei. So seien etliche Bürger auf ihn zugekommen mit dem Wunsch, die Lortzingstraße sperren zu lassen. Das Ziel: Den Durchgangsverkehr draußen halten.
Nach dem Neubau der Hammerbachbrücke hat März deshalb die Kollegen im Tiefbauamt gebeten, die Straße sperren zu lassen. „Ich habe niemanden informiert, weil ich der Meinung war, dass ein Großteil der Anlieger es sich so gewünscht hat“, sagt der Oberbürgermeister. Schnell und unbürokratisch ließ er also im Rahmen einer verkehrsrechtlichen Anordnung drei Pfosten aufstellen. „Den Durchgangsverkehr aus einem Wohngebiet rauszuhalten, ist auf den ersten Blick keine schlechte Idee“, ergänzte er. Es sind Worte, die für Applaus sorgen. Zumindest bei einem Teil der Anwesenden. Andere schütteln den Kopf.
Gedanken über
die Zukunft machen
Die unterschiedlichen Meinungen hatten Oberbürgermeister März und seine beiden Stellvertreter Gabriele Leicht und Daniel Artmann dazu bewogen, die Anliegerversammlung im Gasthof Höhensteiger einzuberufen. „Wir wollen uns Gedanken machen, wie wir in Zukunft weiter verfahren“, sagte März, bevor er das Mikrofon durch den Raum reichte. Fast eine Stunde lang äußerten sich die Bürger zu dem Thema.
Lortzingstraße in schlechtem Zustand
Einige begrüßten die Entscheidung, erinnerten daran, dass die Lortzingstraße in die Jahre gekommen ist, bereits absinkt und für den zusätzlichen Verkehr nicht gemacht ist. Ein Anwohner aus dem Wasserweg lobte März für das Aufstellen der Pfosten. „Im Minutentakt fahren durch die Lortzingstraße Autos. Die wenigsten halten sich an die Tempo-30-Regel“, sagte er. Das sei unter anderem deshalb problematisch, weil auf der Straße immer wieder Kinder spielen würden. „Ohne eine Alternative kann die Lortzingstraße nicht gesperrt werden“, entgegnete eine Anwohnerin aus der Gluckstraße. Im Moment werde sie dazu gezwungen, über die Ebersberger Straße zu fahren, dort stehe sie oftmals minutenlang im Stau. Ähnlich äußerte sich Claus Breit, der seit 32 Jahren in der Hugo-Wolf-Straße wohnt. „Seit der Sperrung vermissen wir den kurzen Weg Richtung Norden, aber auch zur neu gebauten Umgehung zur Autobahn“, sagte er.
Geh- und Radweg fehlt auf der Straße
Statt einer Sperrung plädierte er dafür, das Tempo auf der Lortzingstraße zu reduzieren und eine verkehrsberuhigte Zone einzurichten. Christian Berghofer erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass es auf der Lortzingstraße weder einen Geh- noch Radweg gibt. „Wir werden vom Durchgangsverkehr überrannt“, sagte er. In seinen Augen braucht es ein Konzept, dass alle Straßen, die parallel zur B15 verlaufen, gleichmäßig belastet werden.
Überlastung der Wertstoffinseln
Doch es gab eben auch Teilnehmer, welche die Sperrung so überhaupt nicht nachvollziehen konnten. „In der Neuen Heimat gibt es auch Durchgangsverkehr“, sagte ein Anwohner, der seit 75 Jahren in der Erlenau wohnt. Er könne die Argumente nicht verstehen, kritisierte März dafür, dass er die Pfosten hat aufstellen lassen, ohne die Bürger vorab zu informieren. Andere erinnerten daran, dass eine Sperrung der Lortzingstraße dazu führe, dass die Wertstoffinseln an der Gluck- und Austraße überlastet sind.
„Mit dieser Nacht- und Nebelaktion sind Sie auf viel Unverständnis gestoßen“, sagte eine Rosenheimerin. Sie plädierte dafür, nach einer Lösung zu suchen, mit der alle leben können.
„Die Botschaft ist angekommen“, sagte Oberbürgermeister März. So sei es den Anwohnern wichtig, dass der Durchgangsverkehr eingedämmt wird, die Anlieger aber auch weiterhin durch die Lortzingstraße fahren können – wenn vielleicht auch nicht mehr ganz so schnell. „Wir nehmen es als Hausaufgabe mit und schauen, ob wir eine Lösung finden, mit der möglichst viele Leute möglichst gut leben können“, sagte er.
Pfosten weg: „So geht es dann auch nicht“
Er versprach, die Bürger zeitnah darüber zu informieren, wie es weitergeht. Bis dahin bleiben die Pfosten. Zumindest einer davon wurde kurzzeitig von einem Anwohner entfernt, der das Ergebnis der Anliegerversammlung wohl nicht abwarten wollte.
„Der Pfosten steht mittlerweile wieder. So geht es dann auch nicht“, heißt es vonseiten der Stadt.