Rosenheim – „Völlig unerwartet starb in Rosenheim im Alter von 74 Jahren nach einer kurzen Krankheit Brauereibesitzer Franz Steegmüller“, meldet das Oberbayerische Volksblatt (OVB) in seiner Ausgabe vom 6. Juli 1974, „Sowohl für die Stadt Rosenheim, als auch für den Landkreis bedeutet Steegmüllers Tod einen Verlust, war der Verstorbene doch Jahrzehnte lang eine starke und bedeutende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens.“ Als Sohn eines Architekten in München geboren, kam Franz Steegmüller schon als Kind nach Rosenheim. „Er trat beruflich in die Fußstapfen des Vaters und studierte in München Architektur. In seiner Eigenschaft als Architekt war Steegmüller zwölf Jahre lang beim Stadtbauamt in Rosenheim tätig“, berichtet der Artikel.
Ursprünglich
Architekt
„Am gestrigen Montag fand im Rathaus, vorgenommen durch Herrn 1. Bürgermeister Dr. Knorr, die Ziviltrauung des Herrn Architekten Josef Steegmüller mit Frl. Maria Krichbaumer (Flötzinger) statt. Daran schloss sich heute in Wasserburg die kirchliche Trauung. Mit Wirkung vom 16. Mai hat übrigens Hr. Architekt Steegmüller sein Dienstverhältnis mit der Stadt Rosenheim gelöst“, hatte der „Rosenheimer Anzeiger“ am 30. Mai 1933 in seiner Rubrik „Familiennachrichten“ mitgeteilt. Die Flötzinger Brauerei besteht in Rosenheim bereits seit 1543. 1868 erwarb Johann Krichbaumer den gesamten Besitz der Familie Flötzinger. 1934 übernahmen dann die Eheleute Maria und Franz Steegmüller die Unternehmensführung.
Völlig neue Lebensaufgabe
„Der junge Ehemann sah sich damit einer völlig neuen Lebensaufgabe gegenübergestellt“, heißt es wiederum im Nachruf von 1974, „Aus einem tüchtigen Architekten wurde ein nicht minder tüchtiger Brauereifachmann. Er verstand es, dem Unternehmen neue Impulse zu verleihen, und seiner Tatkraft ist es vor allem zuzuschreiben, wenn dieser alteingesessene und wirtschaftlich wichtige Betrieb Rosenheims eine neue Blütezeit erlebte. Dass die Flötzinger Brauerei ihre Selbstständigkeit bewahren und ihre Kapazität außerordentlich steigern konnte, ist mit sein Verdienst.“
Weiter blickt der Nachruf auf Steegmüllers umfangreiches Engagement im öffentlichen Leben zurück: „Als Mitglied des Wirtschaftlichen Verbandes war er einer der Eifrigsten unter jenen Rosenheimern, die das Herbstfest nach dem Kriege wiederbelebten.“ Er war außerdem Vorsitzender des Motorsportclubs. „Selbst ein wahrhaft passionierter Jäger, stand er viele Jahre dem Jagdschutzverband vor und stellte seine Erfahrung und sein Wissen auch als Jagdberater für die Stadt und den Landkreis zur Verfügung.“ Viele andere Vereine hätten sich der Mitgliedschaft und der Förderung durch Franz Steegmüller erfreut. „Seine Geselligkeit und jägerische Fabulierkunst waren allgemein geschätzt, nicht zuletzt beim unvergesslichen Rosenheimer ‚Fünferl-Verein‘.“
Letzteres war ein Stammtisch im „Flö-Lö“, dem Flötzinger-Löchl, wobei es sich um den alten Flötzinger-Bierkeller handelte, „der nach dem Bau einer neuen, größeren Kelleranlage in den 1870er-Jahren als ganzjährige Gaststätte geführt wurde“, wie das Stadtarchiv Rosenheim zu berichten weiß. Das Gasthaus heißt seit 2010 „Flötzinger-Bräustüberl“. „Der Name Fünferl-Verein leitete sich von dem Beitrag pro Monat ab, der ein Fünferl betrug.“ Seit 1901 wurde der Stammtisch als „B.T.A.D.E.“ bezeichnet, der Abkürzung für „Bierehrlichster Tisch auf der Erde“.
„Hunderte von Trauernde versammelten sich gestern auf dem Rosenheimer Friedhof, um von Franz Steegmüller, Seniorchef der Flötzinger Brauerei, Abschied zu nehmen. Sechs Jäger flankierten den Sarg vor der Aussegnungshalle. Geistlicher Rat Josef Krempelsetzer, Pfarrer von St. Nikolaus, begleitet von Geistlichem Rat Johann Maier, nahm die Aussegnung vor. Die Dreder Musi, langjährige Festmusik im Flötzinger Bierzelt während der Herbstfestzeit, spielte Trauermärsche. Sie führte den langen Zug zur Familiengruft an“, heißt es dann in einem Bericht vom 10. Juli 1974.
Anerkennung für einen guten Christen
„Nach den Grabgebeten würdigte Geistlicher Rat Krempelsetzer die guten Taten im Leben Steegmüllers, der immer ein aktiver Christ gewesen sei. Anerkennend hob Krempelsetzer die Grundabtretung im Jahre 1938 für den Bau der Kastenauer Kirche hervor. Ansonsten sei Franz Steegmüller immer wieder als stiller Helfer bescheiden in Erscheinung getreten. Drei Böllerschüsse krachten, und die Dreder Musi intonierte den Präsentiermarsch, als die sterbliche Hülle Steegmüllers von ehemaligen Jagdkameraden in die Familiengruft gesenkt wurde“, heißt es weiter.
Abschied von
einem guten Chef
Dem folgte noch eine ganze Reihe an Ansprachen von Amts- und Würdenträgern sowie Vertretern des Vereinslebens. „Betriebsratsvorsitzender und Kellermeister Michael Schwertl nahm schweren Herzens von einem guten Chef Abschied, der stets Verständnis für seine Mitarbeiter aufbrachte.“ Während die Musik die Weise „Ich hatt‘ einen Kameraden“ spielte, hätten sich schließlich die Fahnen der Krieger- und Soldatenkameradschaft, des Seniorenvereins, der Krankenunterstützungsvereine, der Brauer und Schäffler, der „Concordia“, der Schützengesellschaften „Waldfrieden“ Kastenau und Niedernburg sowie des Trachtenvereins „Neuburgier“ Vagen über das offene Grab gesenkt, schließt der Bericht.