Alte Buche soll Neubau weichen

von Redaktion

In einer Straße in der Aisingerwies soll ein neues Haus entstehen. Das Problem: Um den Neubau realisieren zu können, muss eine alte Blutbuche gefällt werden. Für die Nachbarn ein Unding. Sie wollen die Fällung stoppen – mit Schildern und Schreiben an den Oberbürgermeister.

Rosenheim – Das Schild hängt erst seit einigen Tagen. Auf dem Din-A4-Blatt ist eine Figur mit einer Axt zu sehen, die sich gerade an einem Baum zu schaffen macht. Um beides ist ein roter Kreis gezogen. Darunter steht der Satz: „Gesunde, starke Bäume fällt man nicht.“ Das Schild hängt an der Blutbuche, die sich auf einem privaten Grundstück in der Aisingerwies befindet.

Traum vom
Eigenheim erfüllen

Genau dort, wo bald ein Neubau entstehen soll. „Meine Partnerin und ich sind in Rosenheim aufgewachsen und zur Schule gegangen. Viele Bekannte und Freunde von uns wohnen in Rosenheim, weshalb unser Herz immer an Rosenheim hing“, sagt der Eigentümer des Grundstücks, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Schon seit langem habe er mit dem Gedanken gespielt, in der Stadt ein Eigenheim für sich, seine Partnerin und die drei Kinder zu bauen. „Mit diesem Grundstück möchten wir diesen Traum verwirklichen“, ergänzt er.

Das Problem: Damit das Haus gebaut werden kann, muss die alte Buche, die sich am Rand des Grundstücks befindet, gefällt werden. Für zahlreiche Nachbarn ein Unding.

„Baumrecht sollte vor Baurecht kommen“, sagt eine Nachbarin, die ebenfalls anonym bleiben möchte. Die Frau hat in den vergangenen Wochen nicht nur zahlreiche Stadträte über das Vorhaben in Kenntnis gesetzt, sondern auch einen Brief an Oberbürgermeister Andreas März und Ralf Seeburger, Leiter des Rosenheimer Umweltamts, verfasst.

Anwohnerin macht
ihrem Ärger Luft

Auf zwei DIN-A4-Seiten macht sie ihrem Ärger Luft. „Im Hinblick auf Bäume kommt es gelegentlich zu Vorgängen und Entscheidungen, die mich und viele andere Bürger irritieren und besorgen“, heißt es in dem Schreiben, das auch unserer Redaktion vorliegt. Sie erinnert an die Bewirtschaftung des Mangfallwaldes und die zahlreichen Stadtbäume, die für den neuen Technologiepark der Technischen Hochschule gefällt werden müssen. Dass jetzt ein „sehr prägender Baum“ in der Aisingerwies einem Bauvorhaben weichen müsse, sei „ein Jammer“.

„Der Baum ist kerngesund und wahrscheinlich älter als jedes einzelne Haus in der Siedlung“, sagt die Anwohnerin. Zudem gebe es in dem Bereich ohnehin nur sehr wenig Bäume. Für sie Grund genug, den vorhandenen Baumbestand zu erhalten. Und das, obwohl sie grundsätzlich „großes Verständnis für die Rechte der Eigentümer am eigenen Grundstück hat“. Trotzdem könne sie die Entscheidung, die Buche fällen zu lassen, nicht nachvollziehen.

Die Entscheidung leicht gemacht hat sich der Eigentümer des Grundstücks jedoch nicht. „Der Erhalt unserer Natur ist mir ein großes persönliches Anliegen. Natürlich fällt man einen ausgewachsenen Baum nicht leichtfertig“, sagt er auf OVB-Anfrage. Bei der Planung seines Eigenheims habe er verschiedene Möglichkeiten abgewogen. „Ein Erhalt des Baums war jedoch unter Berücksichtigung der geltenden baurechtlichen Vorgaben wie etwa die Einhaltung der Abstandsflächen, der überbaubaren Grundstücksfläche und nicht zuletzt aufgrund der Verkehrssicherungspflichten nur schwerlich darstellbar“, sagt er.

Ersatzpflanzungen
vorgesehen

Aus diesem Grund habe er sich gemeinsam mit allen Ämtern und einer vereidigten Sachverständigen für Baumpflege nach langer Abwägung für eine Kompensation entschieden. Heißt: Die Buche wird gefällt, dafür werden im Stadtgebiet vier neue Bäume gepflanzt.

„Die vorgesehenen vier Ersatzpflanzungen könnten den ökologischen und optischen Wert der Buche allenfalls in Jahrzehnten ausgleichen“, kritisiert Steffen Storandt vom Bund Naturschutz. Er erinnert an das Klimawandelanpassungskonzept der Stadt, kritisiert, dass das Vorgehen so gar nicht dazu passe. „Das Konzept wurde 2023 einstimmig beschlossen. Ziel war es, den Stadtbäumen mehr Raum zu geben“, ergänzt Storandt.

„Fällung ist
vertretbar“

Christian Baab, Pressesprecher der Stadt Rosenheim, erinnert in diesem Zusammenhang nochmals an die Baumschutzverordnung, mit der die Stadt ein „wesentliches Element zum Schutz der städtischen Bäume geschaffen hat“. Dennoch lasse die Baumschutzverordnung Fällungen zu. „Im Falle der Buche in der Aisingerwies handelt es sich um einen Baum auf Privatgrund“, sagt der Pressesprecher auf OVB-Anfrage. Bei der Fällgenehmigung sei insbesondere das Recht auf Eigentum im Verhältnis zum öffentlichen Interesse geprüft worden. „Dieses muss gegenüber dem Individualinteresse, dem Grundrecht auf Eigentum, deutlich überwiegen, was es unserer Auffassung nach nicht tut“, sagt Baab. Das Recht des Antragstellers, sein „rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen“ sei höher einzustufen als der Wunsch der Nachbarschaft, mit dem Erhalt des Baumes in sein Eigentum einzuwirken.

Neben dem Recht auf Eigentum müssen dem Pressesprecher zufolge auch die restlichen Vorgaben der Baumschutzverordnung geprüft werden. „Unserer Auffassung nach ist die Fällung der Buche mit entsprechenden Ersatzpflanzungen vertretbar“, sagt er. Zumindest die Nachbarn dürften das anders sehen.

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