Rosenheim – Wieder aufgelebt ist der „Rosenheimer Ratsch“ der Freien Wähler. Unlängst fand das Angebot, sich mit den Mitgliedern der Stadtratsfraktion in lockerer Atmosphäre zusammenzusetzen, nach einer längeren, durch Corona ausgelösten Pause wieder statt. Zweck des Treffens ist ein ungezwungener Austausch, bei dem Bürger Dinge, die ihnen am Herzen liegen, bei den Stadtratsmitgliedern vorbringen können. Diese wiederum haben die Möglichkeit, Vorhaben und Entwicklungen, die die Stadt bewegen, aus ihrer Sicht darzulegen und ihre Haltung sowie die des gesamten Gremiums zu erläutern.
Dass das Format funktionieren kann und keine parteipolitischen Scheuklappen haben muss, zeigte zumindest seine Post-Corona-Premiere. Da wurde ausführlich über die Zukunft des Happinger Sees diskutiert. Anwesend war auch Markus Tiefenthaler von der Bürgerinitiative Happinger See. Die Bürgerinitiative sieht in der existierenden Bauvoranfrage der Stadt den Startschuss einer Entwicklung, die – wenn sie einmal ins Rollen gekommen wäre – nicht mehr zu stoppen sei und der Praxis „eines Sees für alle“ den Garaus machen könnte. Robert Multrus, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, bemühte sich zunächst um die Klarstellung, dass eine Bauvoranfrage noch beileibe kein Bauantrag sei und diese mitnichten bedeuten müsse, dass ein bereits fertiges Nutzungskonzept in den Schubladen der Stadt läge. Die Bauvoranfrage sei vielmehr als Versuch der Stadt zu werten, einmal festzustellen, was dort überhaupt und prinzipiell an Baumaßnahmen möglich wäre, ohne mit den Trägern öffentlicher Belange, allen voran dem Naturschutz, in ernste Konflikte zu kommen. Er betonte weiter, dass das eigentlich entscheidende Gremium in Sachen Seezukunft aber auf jeden Fall der Stadtrat sei. Und dessen eindeutige Haltung sei es seiner Ansicht nach wie vor, den Happinger See für die Allgemeinheit freizuhalten.
Für Markus Tiefenthaler von der Bürgerinitiative war das nur ein halber Trost. Sorge bereitet ihm vor allem, dass die Stadt sich nicht selber um die dortige vorhandene Bausubstanz kümmern wolle, sondern diese Aufgabe für Dritte zugänglich machen möchte: „Wenn das Areal in Erbpacht vergeben wird, hat die Stadt kaum noch eine Kontrolle über die Art und Weise, wie dort entwickelt wird und das 50 bis 90 Jahre lang.“ Robert Multrus war anderer Meinung. Er erläuterte, dass der Stadtrat in einer Erbpachtlösung ja gerade die Möglichkeit einer weitgehenden Festlegung jedes Pächters sähe. Entwicklungen, die einem „freien See“ widersprechen würden, könnten so von vornherein ausgeschlossen werden. Damit wären auch Befürchtungen unbegründet, auf dem Grundstück könnte ein Hotel oder ein großer Gaststättenbetrieb errichtet werden, mit eingeschränkter Seenutzung für die Allgemeinheit.
Im Nachgang zu diesem Abend zeigte sich aber die besondere Qualität des Rosenheimer Ratsches: Dass das, was dort besprochen wird, wirklich auch zu weiteren Überlegungen in der Stadtratsfraktion der Freien Wähler führt. In einem Nachgespräch sagte die Stadträtin und Architektin Christine Degenhart, dass man die Idee einer Erbpachtlösung in der Fraktion noch einmal diskutieren werde. Denn für sie lag tatsächlich eine gewisse Gefahr in der langen Laufzeit einer Erbpachtlösung. „Wir wissen eben nicht, welche Wünsche die Bürger bezüglich einer Seenutzung in 20, 30 oder gar 50 Jahren haben werden.“ Ein normaler Pachtvertrag über ein fertiges Gebäude sei demgegenüber ein viel feineres und präziseres Instrument. Klar sei andererseits aber auch, dass die Stadt für ein Bauen in Eigenregie nicht die nötigen Mittel habe.
Dieses Dilemma, so Christine Degenhart, müsse aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass man einfach alles beim Alten lasse und gar nichts tue. „Vielleicht tut sich ein Weg auf, wenn man das Problem einmal von der Seite neuer Nutzungsmöglichkeiten andenkt.“
Eine Idee dazu wurde schon beim Rosenheimer Ratsch vorgebracht: Das Gebäude auf dem Areal für eine besondere „Jugendherberge“ zu nutzen im Sinne einer einfachen Übernachtungsmöglichkeit – ohne überbordende Gastronomie, gedacht zum Beispiel für junge und alte Fahrradtouristen in der Region. jt