Der Wetterfrosch des Sommerfestivals

von Redaktion

Interview Meteorologe Bernd Eisert über Stürme, Starkregen und Konzertabbrüche

Rosenheim – Sturm, Hagel oder Starkregen: Kaum etwas kann einen Festivalbesuch so vermiesen, wie schlechtes Wetter. Doch wann muss eine Veranstaltung abgebrochen werden? Und wie verlässlich sind die Wetterapps? Meteorologe Bernd Eisert und Florian Englert, Geschäftsführer der Rosenheim Event GmbH, im Gespräch.

Ist wettertechnisch heute ein guter Tag?

Bernd Eisert: Jeder Tag hat seine Eigenheiten. Nehmen wir beispielsweise den vergangenen Freitag, 12. Juli. An diesem Tag ist eine Gewitterfront auf uns zugekommen. Anhand von Radar- und Satellitenbildern habe ich diese Front verfolgt, um dann die weitere Entwicklung abschätzen zu können.

Hört sich erst einmal kompliziert an.

Eisert: Es schadet nicht, wenn man die Wetterlage im Groben kapiert und im Hinterkopf hat, welche Dinge relevant sind (lacht). Es ist ein anderes Arbeiten, als beispielsweise mit einer App, bei der einem das fertige Produkt schon vorgesetzt wird. Da kann man leicht in die Irre geführt werden.

Also sollte man den Apps auf dem Handy nicht allzuviel Glauben schenken?

Eisert: Apps verwenden im Prinzip das gleiche Basismaterial, das jedoch mit einem Algorithmus aufgearbeitet wird. Das wiederum führt dazu, dass einige Daten nicht zu 100 Prozent korrekt sind. Deshalb bleibe ich lieber bei dem Rohmaterial und versuche, diese dann selbst zusammenzusetzen. Jemand, der nicht vom Fach ist, kommt mit der App natürlich deutlich besser klar.

Wie sieht ein Konzerttag für Sie aus?

Eisert: Das ist immer ganz unterschiedlich. Bereits in den Tagen zuvor verschaffe ich mir einen Überblick über die Wetterlage. Es geht vor allem darum, herauszufinden, ob es ein komplizierter Tag wird – also ein Tag, an dem möglicherweise mit einem Unwetter zu rechnen ist, oder ein eher entspannter Tag. Der Donnerstag, 18. Juli, war im Vergleich zu Freitag, 12. Juli, beispielsweise ein Tag ohne besondere Vorkommnisse.

Also waren Sie am Freitag, 12. Juli, angespannt?

Eisert: Wir wussten, dass es turbulent werden wird. Ich habe die Prognosen bereits am Vortag verfolgt. Am Tag selbst habe ich mir dann alle fünf Minuten die jeweiligen Radarbilder angeschaut. Wenn eine Gewitterfront auf uns zurollt, gibt es ständige Veränderungen.

Können Sie auf die Minute genau sagen, wann das Unwetter über Rosenheim hinwegfegt?

Eisert: Die Front am Freitag war relativ dankbar, weil ich sie sehr gut verfolgen konnte. Wir hatten die Entwicklung von Anfang an gut im Griff und konnten das Gewitter zeitlich gut eingrenzen. Uns ging es vor allem darum zu wissen, ob Rosenheim von den Hagel- und Sturmböen getroffen wird oder eher vom Starkregen. Auch war wichtig, zu wissen, ob eine Blitzschlaggefahr besteht.

Und da konnten Sie Entwarnung geben?

Eisert: Genau. So ist jeder zwar ziemlich nass geworden, eine Gefahr bestand aber zu keiner Zeit. Es hat aber auch andere Bereiche in der Region gegeben, wo es an dem Tag deutlich turbulenter zuging.

Wann müsste eine Veranstaltung abgesagt werden?

Eisert: Ich würde dazu raten, eine Veranstaltung abzusagen, wenn absehbar ist, dass die Erdblitzgefahr groß ist beziehungsweise Hagel- oder Sturmböen angekündigt sind.

Werden immer mehr Veranstalter Wert darauf legen, einen Meteorologen ins Boot zu holen?

Eisert: Für größere Veranstaltungen ist diese Maßnahme in meinen Augen sinnvoll. Man bekommt ja immer mal wieder mit, was alles passieren kann. So hat es erst kürzlich größere Zwischenfälle in Salzburg und Slowenien gegeben. Während man die Veranstaltung in Salzburg unterbrochen hat, war man in Slowenien wohl eher etwas nachlässiger. Da sind aufgrund des Sturms zum Teil Zelte eingestürzt.

Warum haben Sie sich als Veranstalter heuer dazu entschieden, auf einen Meteorologen zu setzen?

Florian Englert: Bei einer Großveranstaltung unter freiem Himmel gibt es natürlich immer wieder verschiedene Risiken. Für mich als Veranstalter ist eines der unkalkulierbarsten Risiken das Wetter. Auf unserem Gelände haben an Konzerttagen über 10000 Besucher Platz. Hinzu kommt das Personal und die jeweiligen Künstler. Das ist eine sehr große Verantwortung. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, Bernd Eisert als Berater ins Team zu holen.

Wie läuft die Zusammenarbeit ab?

Englert: Er schickt mir jeden Tag, nicht nur an Veranstaltungstagen, ein Update über die aktuelle Wettersituation. Darin informiert er mich in groben Zügen, was er zum aktuellen Zeitpunkt sagen kann und wie sich die Situation über die nächsten Stunden beziehungsweise Tage entwickeln wird. Manchmal weiß man relativ früh, dass es eher unspektakulär wird. An anderen Tagen, wie eben an dem Freitag, weiß man, dass man am Ball bleiben muss.

Und mit all diesen Informationen entscheiden Sie dann darüber, ob Konzerte abgesagt werden müssen?

Englert: Genau. Wir würden das Konzert entweder unter- oder abbrechen. Es kann natürlich auch passieren, dass die Veranstaltung gleich von Anfang an abgesagt werden muss. Wir hatten bereits in den vergangenen Jahren das Wetter auf dem Schirm und haben es immer genau beobachtet. Aber die Informationen, die wir jetzt haben, sind einfach deutlich detaillierter.

Eisert: Während sich Warnungen des Deutschen Wetterdienstes immer auf die gesamte Region und eine lange Zeitspanne beziehen, konzentriere ich mich genau auf Rosenheim und kann die Situation zeitlich und örtlich besser einschätzen.

Dann müssen die Informationen ja vor allem am Freitag, 12. Juli, Gold wert gewesen sein.

Englert: Ich weiß natürlich nicht, was wir gemacht hätten, wenn wir die ganzen Informationen nicht gehabt hätten. Weil wir sie aber hatten, waren wir sehr gut vorbereitet. Wir wussten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wetterfront kommt, sehr hoch ist. In welcher Form hat sich über den Tag immer wieder verschoben. Es hat sich dann relativ schnell herauskristallisiert, dass es uns gegen 22 Uhr treffen wird. Um 21.10 Uhr habe ich dann die Information bekommen, dass es um 21.40 Uhr beginnen soll. Wertvoll war in meinen Augen nicht nur, dass wir wussten, wann die Wetterfront kommt, sondern auch, was uns erwartet.

Interessant.

Englert: Ja. Wir wussten also, dass Böen kommen und es einen Blitzschlag geben wird. Aber eben nur die Wolkenblitze.

Eisert: Die sind in der Regel unproblematisch. Man hört schon Donner, aber die Mehrheit der Blitze bleibt, wie der Name schon sagt, in den Wolken. Erdblitze wären wesentlich gefährlicher. Hier konnte ich relativ früh Entwarnung geben.

Englert: Und das hat uns Gewissheit gebracht, zu sagen, dass wir die Veranstaltung wie geplant zu Ende spielen können. Wir wussten aber auch, dass wir im Anschluss schnell reagieren müssen, damit wir das Gelände geleert bekommen. Zu keiner Zeit bestand eine Gefahr für unsere Besucher. Das war sehr wichtig, für uns zu wissen. Ohne dieses Wissen hätten wir das Konzert vielleicht früher abbrechen müssen.

Der Fokus liegt sicherlich darauf, Veranstaltungen nicht unnötig abzusagen.

Englert: Natürlich. Aber was noch schlimmer wäre, eine Wetterlage falsch einzuschätzen, zu spät zu reagieren oder überhaupt nicht zu reagieren.

Warum sind Informationen an Tagen, an denen keine Konzerte stattfinden, wichtig?

Englert: Wir haben auch an diesen Tagen Personal auf dem Gelände. Zudem stehen dort zahlreiche fliegende Bauten – unter anderem unsere Bühne, die eine gewisse Windlast hat und geschützt werden muss. Wenn wir also wissen, dass ein Sturm kommt, müssen zum Beispiel die Planen geöffnet werden, damit die Windlast verringert wird. Wir wollen immer sichergehen, dass nichts passiert.

Auf welches Wetter können sich die Festivalbesucher heute freuen?

Eisert: Heute, vor allem zum Nachmittag hin, schaut es eigentlich gut aus.

Interview: Anna Heise

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