Rosenheim – Es ist wieder so weit – und darüber wird sich nicht jeder freuen. Am morgigen Freitag werden die Jahreszeugnisse an den Schulen verteilt. Während die meisten Schüler auf die Sommerferien hinfiebern, werden bei einigen Sorgen und Ängste vor schlechten Noten und der Reaktion der Eltern groß sein. Damit die Schüler eine Anlaufstelle bei Zeugnissorgen haben, gibt es die „Nummer gegen Kummer“ des Kinderschutzbundes Rosenheim. Die Sozialpädagogin und Koordinatorin des Hilfsangebots, Dorothée Ortner, erklärt im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen, wie den Kindern und Jugendlichen geholfen wird, was die größten Sorgen sind und welche Tipps es für den Zeugnisfreitag für Schüler und Eltern gibt.
Morgen gibt es Zeugnisse. Was sind denn die größten Sorgen der Schüler?
Meist ist es so, dass die Noten schon vor dem eigentlichen Zeugnistag bekannt sind. Die Eltern müssen die Proben ja in der Regel unterschreiben. Aber es macht immer noch einen Unterschied, wenn man die Jahresendnote schwarz auf weiß im Zeugnis sieht. Manchmal macht man sich ja auch Hoffnungen, dass es doch noch die bessere Note werden könnte. Oft verursachen aber auch die Zeugnisbemerkungen Unbehagen. Über die wissen die Schüler vorher manchmal nicht so genau Bescheid. Da ist die Sorge, dass in der Zeugnisbemerkung Punkte drinstehen, bei denen das Verhalten eines Kindes nicht so positiv bewertet wird. Und damit verbunden ist die Sorge, ob die Eltern schimpfen oder man sich eine große Moralpredigt anhören muss.
Das heißt, es rufen gerade viele Kinder und Jugendliche an?
Das Kinder- und Jugendtelefon klingelt ununterbrochen. Die Kinder wenden sich mit allen Themen, die sie im Alltag beschäftigen oder belasten, an die „Nummer gegen Kummer“. Hier können sie sich anonym und kostenfrei beraten lassen, sich bei einer neutralen, außenstehenden Person aussprechen und mögliche Lösungswege für das jeweilige Problem entwickeln. Wenn es auf das Jahreszeugnis hingeht, kann es auch durchaus sein, dass gehäuft Anrufe kommen, die mit Schule oder Zeugnis zu tun haben. Aber die gibt es auch unterm Jahr, weil die Schule ein zentraler Ort im Leben von Kindern und Jugendlichen ist.
Bei Ihnen können auch Eltern anrufen. Gibt es mehr Anrufe von Schülern oder Eltern?
Es rufen deutlich mehr Kinder und Jugendliche an. Sie haben meist mehr Zeit und sind spontaner als Erwachsene. Wenn die irgendetwas auf dem Herzen haben, dann rufen sie einfach an. Eltern überlegen sich schon genauer, ob sie bei Problemen im Erziehungsalltag anrufen, führen dann aber intensive und längere Beratungsgespräche.
Welche Sorgen teilen denn die Eltern am Telefon mit?
Bei den Eltern sind es bezogen auf Schulbildung und Zeugnisnoten die Zukunftssorgen. Sie wünschen sich einfach eine gute Zukunft für ihre Kinder. Gerade, wenn sie den Eindruck haben, dass das Kind nicht gerne zur Schule geht, die Hausaufgaben nur unwillig macht oder nicht genug lernt und deshalb schlecht in der Schule ist. Da wünschen sich die Eltern eine Beratung, wie sie diese Probleme lösen und erreichen können, dass ihr Kind mit ihnen kooperiert. Denn diese täglichen Konflikte rund um Schule und Hausaufgaben schaukeln sich in den Familien oft hoch und verstärken den Druck, unter dem die Kinder und Eltern stehen. Das beeinflusst die familiäre Atmosphäre. Aus diesem Grund können sich Eltern am Elterntelefon generell zu familiären und erzieherischen Themen beraten lassen.
Beklagen die Schüler oft den Druck, den die Eltern machen?
Leistungsdruck besteht natürlich, der ist aber das ganze Jahr über da. Vor allem auch, wenn es in Richtung Übertritt geht oder das nächste Schuljahr ein „Übertrittsjahr“ ist. Da zeigt sich der Wunsch der Eltern, erfolgreiche Kinder zu haben, eben auch. Viele Kinder erleben, dass die Eltern Druck ausüben. Leistungsdruck gibt es aber nicht nur von den Eltern, sondern die Kinder setzen sich selbst unter Druck und entnehmen diesen auch aus Informationen ihres Umfeldes.
Können Schüler etwas machen, damit der Druck am Zeugnisfreitag geringer ist?
Sie können im Vorfeld mit ihrer Lehrkraft sprechen und sagen, dass sie Angst davor haben, dass die Eltern negativ reagieren könnten. Dann kann man gemeinsam nach Lösungen suchen. Eine Möglichkeit ist, dass die Lehrer die Eltern zu einem Gespräch einladen. An den Schulen gibt es auch Vertrauenslehrer, mit denen man sprechen kann. Viele Schulen haben auch Schulsozialarbeit. Letztendlich ist der Rat, zu schauen, wen man rechtzeitig und gut mit ins Boot holen kann, damit die Eltern schon in diesen schwierigen Prozessen anders mit einbezogen und beraten werden.
Wie sollten Eltern den Zeugnistag angehen?
Eltern sollten im Grunde genommen –das geht aber auch schon früher los – viel mit ihren Kindern im Gespräch sein und Interesse daran zeigen, was das Kind beschäftigt. Und: Sie sollten akzeptieren, dass Kinder unterschiedliche Talente haben. In den Gesprächen sollten die schlechten Noten angesprochen und gemeinsam überlegt werden, was man dagegen machen könnte. Es ist vor allem wichtig, gegen die eigene Angst anzugehen, dass alles den Bach runtergeht, wenn Zeugnisse auch einmal schlechter ausfallen. Hilfreich ist zudem auch die Erinnerung an die eigene Kindheit und Jugend: Hatte auch ich schwierige Phasen in der Schule? Gab es Fächer, die ich nicht mochte? Habe ich auch schlechte Noten geschrieben und was war dann hilfreich für mich? Diese Erinnerungen verhelfen zu mehr Zuversicht im Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen, denn in der Regel ist ja aus den Eltern dann trotzdem etwas geworden.
Haben Sie Tipps für Eltern, wie die Vergabe ohne Sorgen vorbeigeht?
Man sollte sich auf das Positive in den Zeugnissen konzentrieren und mit den Kindern die Erfolge feiern. Dann sind auch Misserfolge leichter zu nehmen und das Kind ist motivierter, an diesen Misserfolgen zu arbeiten. Die Kinder und Jugendlichen sollen nach Möglichkeit erleben, dass sie sich auch bei Schwierigkeiten vertrauensvoll an die Eltern wenden können und dass gemeinsam nach positiven Lösungen gesucht wird.
Und welche Tipps haben
Sie für Schüler?
Schüler sollten mit den Eltern darüber sprechen, welche Ziele man sich für das nächste Schuljahr vornimmt. Und wie und mit welcher Unterstützung diese Ziele erreicht werden können. Auch könnten klare Vereinbarungen getroffen werden, in welchen Wochen in den Ferien entspannt wird und wann etwas für die Schule getan wird, wenn es vielleicht darum geht, Schulstoff nachzuholen. Interview: Julian Baumeister