Bürger fordern: „Haben Sie mehr Mut“

von Redaktion

Fehlende Radwege, Autoraser, Bauarbeiten und Busse: Diese Themen brennen den Rosenheimern schon lange unter den Nägeln. Jetzt konnten sie ihre Anliegen auf einem „Impulsabend“ gegenüber den Politikern der Stadt ansprechen. Diese standen Rede und Antwort.

Rosenheim – Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum erhöhen, die Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger steigern, den Busverkehr attraktiv und komfortabel gestalten. Vor der Stadt liegen riesige Aufgaben im Themenfeld „Mobilität“. Das wurde einmal mehr beim gut drei Stunden langen Impulsabend zum Thema im Ballhaus deutlich. Es war der spannende und intensive Auftakt in die letzte der vier Themenwochen des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes (ISEK).

Zum Thema „Öffentlicher Raum und Mobilität“ tauschten sich besonders viele Bürger mit den Experten aus. Auch Oberbürgermeister Andreas März nahm Platz am Podium. Der Saal war fast voll besetzt. Vereinzelt waren auch Stadträte im Publikum, ebenso die Dezernenten Christian Salberg und Levente Sárközy, Mitarbeiter der Verwaltung sowie der neue Geschäftsführer der Städtischen Verkehrsgesellschaft, Tobias Weiß.

Probleme und Themen im Stadtverkehr

Den meisten Raum nahmen die Fragen und Anregungen von Bürgern ein. Angesprochen wurden ganz konkrete Mobilitäts-Probleme im Alltag, aber auch ganz große, strategische Fragen. So wurden etwa fehlende Übergänge von Radwegen auf Abbiegespuren wie in der Prinzregenten- und Hubertusstraße, Lücken im Radwegnetz (Prinzregentenstraße) oder Straßen wie die Heilig-Geist-Straße, die Autofahrer aufgrund ihrer Gestaltung zum Rasen einladen, thematisiert.

Von gefährlichen Situationen in der Kufsteiner Straße stadtauswärts, wo sich der Radfahrstreifen zwischen Längsparkern und 40-Tonnern befindet, und in der „überlasteten Schlößlstraße“ war ebenso die Rede.

Ein Teilnehmer, der seit 20 Jahren in der Stadt wohnt, zeigte sich entsetzt darüber, dass noch immer kein Ende beim Bau neuer Umgehungsstraßen und beim Ausbau vorhandener Straßen in Stadt und Umland in Sicht ist. Stattdessen würden immer mehr Beeinträchtigungen und Beschneidungen von Natur und Naherholungsgebieten in Kauf genommen.

„Wo sollen die ganzen Autos noch hin?“

Von „Wahnsinn“ war die Rede, als die Bevölkerungsprognose auf den bereits heute stark ausgeprägten Individualverkehr umgelegt wurde. „Wo sollen die ganzen Autos denn eigentlich noch hin?“, fragte ein Bürger. Victoria Broßart regte Verbesserungen beim städtischen Busverkehr an, wie die Durchbindung der Linien im nördlichen Stadtgebiet zum neuen Verkehrsknotenpunkt am Bahnhof, eine gesamthafte Überarbeitung der Linienführungen und Fahrpläne sowie eine bessere Taktung mit den Zügen. Ein älterer Bürger kritisierte die Ausstattung der Haltestellen. So fehlen ihm zufolge am neuen Busbahnhof noch Sitzmöglichkeiten und Wetterschutz. Die Wartebank in der Kufsteiner Straße/Ecke Alpenweg sei arg verrostet und färbe deshalb auf Kleidung ab. Auch bei den Fahrplan-Aushängen sieht er großen Verbesserungsbedarf.

Andreas März versprach, dass sich die Stadt der Themen annimmt. Mit der Gründung eines neuen städtischen Busunternehmens, der Übernahme der Haltestellen-Infrastruktur und zugleich der Auflösung der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft (RoVG) als bisherige Dachorganisation reduziere man unnötige Schnittstellen. Künftig soll in Sachen Nahverkehr alles schneller gehen und besser werden.

Check-in-System
per Smartphone

Der Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) sei trotz Skepsis im Vorfeld ein wichtiger Schritt gewesen, um die Attraktivität des ÖPNV nachhaltig zu steigern, so März. Schon bald sei ein digitales Check-in-System per Smartphone möglich.

Klar wurde aber auch: In Sachen Kommunikation und Fahrgastinformation gibt es immens viel Optimierungsbedarf.

Deutlich mehr Grün in der Innenstadt und auf den städtischen Plätzen, bessere Zugänge für Fußgänger zu Riedergarten und Luitpoldpark sowie neue Überwege und Fahrradstraßen waren weitere Anregungen der Bürger. Mario Stürzl kritisierte unter anderem, dass Auto- und Lkw-Fahrer die Fahrrad-Markierungen in der Aisinger Straße nicht berücksichtigen. Auch die Grünfeldstraße als beliebte Route zu den Happinger Seen war Thema. Der Radverkehr sollte dort in die Gestaltung miteinfließen, hieß es. An der Hochschule fehlten Abstellplätze für Fahrräder. Die Aggressivität und das Stresslevel im Rosenheimer Straßenverkehr seien überdurchschnittlich hoch, wurde kritisiert.

Oberbürgermeister gegen Bürgerrat

Wie es nach der Baustelle in der Kaiserstraße weitergeht, wollte ein Bürger wissen. Oberbürgermeister Andreas März sicherte zu, dass mindestens jeden Samstag die Vollsperrung des Ludwigsplatzes bestehen bleibt, damit sich der neue Grüne Markt auf Dauer entwickeln kann. Langfristig könne er sich durchaus „mehr“ vorstellen. So war unter anderem von einer Einbahnstraße die Rede.

Experten bestätigen, dass neue städtebauliche Konzepte – wie die Sperrung des Ludwigsplatzes für den Individualverkehr und damit eine Vergrößerung der Fußgängerzone – meist mehrere Monate brauchen, bis sie dauerhaft verinnerlicht werden. März betonte, dass die Transformation der Stadt ein lang andauernder Prozess sei. Oftmals scheiterten Projekte auch daran, dass Eigentümer keinen Grund abtreten, so wie in der Mangfall- oder Schlößlstraße.

Der Oberbürgermeister sicherte zu, die Meinungen aus dem Ballhaus in die Gremien mitzunehmen. Das war etlichen Bürgern aber zu wenig. Armin Stiegler vom Fahrradbeirat regte an, auch einen Bürgerrat zu gründen. Der Oberbürgermeister konnte sich damit nicht anfreunden. Er verwies beispielhaft auf bereits bestehende Gremien wie den Seniorenbeirat und dessen Engagement in Sachen „Biotonne“ sowie auf weitere mögliche Räte wie Jugendrat und ÖPNV-Fahrgastbeirat. Das letzte Wort haben trotz alledem, März zufolge, immer noch der Stadtrat und der Ausschuss für Verkehrsfragen und ÖPNV als gewählte Gremien. Es gelte, die demokratischen Prozesse einzuhalten.

Konzepte nur
für die Schublade?

Allerdings seien schon zu viele Konzepte wieder in der Schublade verschwunden, kritisierten zwei Teilnehmerinnen. Sie nannten beispielhaft das Einbahnstraßen-Konzept für die Innenstadt, das Fahrrad-Konzept sowie die Bürgerbeteiligung vor rund zehn Jahren im Zuge vom Stadtentwicklungskonzept „Rosenheim 2025“. Wenn es um eine Priorisierung von Maßnahmen gehe, setzten die Entscheidungsträger dann doch immer wieder aufs Auto, so ein Vorwurf aus dem Publikum.

Die Moderatoren sicherten zu, diesmal eine Umsetzung zu forcieren und betonten die Transparenz der ISEK-Veranstaltungen. „Haben Sie mehr Mut“, empfahl eine Bürgerin dem Rathauschef. Vor zehn Jahren hätten sich in Paris auch noch niemand vorstellen können, dass die Stadt heute grüner und lebenswerter als bisher erstrahlt, so der Hinweis eines Fachexperten. aez

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