Kein „asozialer Graffitisprayer“

von Redaktion

Rosenheimer Street-Art-Künstler wehrt sich gegen Stereotype

Rosenheim – Marcus Göcht steht vor einer fünf Meter hohen Wand einer Schule in Rosenheim. Darauf sind fünf Reihen von grünen Buchstaben des Alphabets zu sehen, die ineinander verschlungen sind. Göcht erinnert sich, wie unwohl er sich fühlte, als er das Kunstwerk plante. „Ich habe vorher noch nie so ein großes Graffiti gesprüht“, sagt er. Über seine Kunst zu sprechen, fällt ihm nicht leicht, hin und wieder macht er Pausen beim Reden, um nachzudenken. Vieles seiner Kunst sei intuitiv und nicht leicht in Worte zu fassen.

Mit Hip-Hop
fing alles an

Genau so wie sein Pseudonym „Mobar“, unter dem Göcht als Street-Art-Künstler aktiv ist. „Der Name hat keine tiefere Bedeutung, ich finde, er klingt schön“, sagt er. Dieses Pseudonym sprüht er oft auf Wände. Und das meistens in der Nacht. Denn tagsüber kümmert er sich um seine zwei Kinder und arbeitet als Orthopädieschuhmacher. „In meiner Jugend ging es darum, mit dem eigenen Künstlernamen sein Territorium zu markieren“, sagt er. Seine Vorbilder seien Berliner Rapper gewesen, besonders die Hip-Hop-Künstler „Mach One“ und „Darn“. Beide Rapper seien in der Graffitiszene groß geworden und sprühen auch selbst.

Göcht ist in der Kleinstadt Delitsch nahe Leipzig aufgewachsen. 2021 zog er nach Rosenheim. Für die Stadt entschied er sich wegen seines Freundes Daniel Westermeier alias „Mister Woodland“. „Er sagte, komm nach Rosenheim, hilf mit, die Street-Art in der Stadt zu etablieren“, sagt Göcht.

Im Rahmen des Transit-Art-Festivals hat er jetzt sein erstes großes Graffiti gezeichnet. Bei allen seinen Werken ist sein Anspruch, die Buchstaben zu designen, mit Farben und Formen zu spielen, bis es zusammenpasst. „Stylewriting“ heißt das. „Ein Vorteil ist, dass man bei Buchstaben viel größere Freiheiten in der Umsetzung hat“, sagt er. Anders als bei Künstlern, die Gesichter und Figuren auf die Wand sprühen, kann Göcht sich intuitiv etwas dazu ausdenken oder weglassen.

Graffiti und
Stereotypen

Göcht sprüht bei jedem Wetter, egal ob Hitzewelle, Regen oder Schnee. „Ich habe schon öfter auch bei minus 13 Grad viele Stunden lang gearbeitet“, sagt er. An einem dieser kalten Tage habe ihm eine ältere Dame warmen Tee und eine Decke gebracht. Das sei für ihn etwas ganz Besonderes gewesen. „Die Menschen haben normalerweise negativ auf mein Sprühen reagiert“, sagt Göcht. Er wurde öfter beschimpft als gelobt.

Doch in den vergangenen Jahren habe sich viel geändert. „Damals herrschte das Stereotyp vom asozialen Graffitisprayer, heute wird es eher als eine Form der Kunst anerkannt“, sagt Göcht. Mittlerweile bekomme er von vorbeigehenden Menschen öfter Komplimente für seine Werke.

So auch von seinem Freund und Künstlerkollegen Westermeier. „Marcus gehört wohl zu den besten Stylewritern Deutschlands, weil er ein unübertroffenes Gespür für Dynamik und Schwung in seinen Linien hat“, sagt Westermeier. Die beiden Künstler kennen sich schon seit zwölf Jahren. In dieser Zeit sei Göcht einer von Westermeiers engsten Freunden geworden. „Mir gefällt sehr, wie er seinen Weg geht, ohne dem Mainstream nachzulaufen“, sagt er.

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