Auf jeder der beiden Stadionseiten befinden sich jeweils vier Rollstuhlplätze. Foto Baumeister
Rosenheim – Der Start in die Eishockeysaison in Rosenheim steht kurz bevor. Pünktlich zu den ersten Spielen der Starbulls ist der Umbau des Rofa-Stadions fast abgeschlossen. Günther Draxinger kann es kaum noch erwarten, dass endlich wieder Eishockey gespielt wird. „Es wird Zeit, dass es wieder losgeht“, sagt der 50-jährige Kolbermoorer. Grinsend schaut er sich im leeren Rofa-Stadion um. An allen Ecken wird gearbeitet, die letzten Kabel verlegt und die Eisfläche aufbereitet.
Per Hubbühne
geht‘s hinauf
„Ich habe so eine Vorfreude auf das erste Spiel“, sagt Draxinger. Dann fährt er mit seinem Rollstuhl auf die Bande zu und bleibt auf einer silbernen Metallplatte stehen. Er drückt auf einen Knopf an einem Gestänge, das links und rechts an der Platte befestigt ist. Es surrt, dann bewegt sich die Bodenplatte langsam nach oben. Nach kurzer Zeit erreicht Draxinger die Höhe, von der er das ganze Spielfeld perfekt beobachten kann. Sein Blick schweift über das Eis. „Das ist absolut cool“, sagt der 50-Jährige.
Er ist derjenige, der die neuen Rollstuhlplätze im Rosenheimer Eishockeystadion kurz vor Saisonstart der Starbulls offiziell einweihen darf. Diese wurden im Sommer im Rahmen des Umbaus des Rofa-Stadions installiert. Darüber hinaus wurde eine Flexbande eingebaut, welche die Verletzungsgefahr für die Spieler minimieren soll, es gibt neue Eingangstüren und einen Videowürfel.
Nicht auf fremde
Hilfe angewiesen
Insgesamt gibt es nun acht einzelne Hubpodeste für Eishockeyfans im Rollstuhl – jeweils vier im Bereich der beiden Haupteingänge. Und die neuen Plätze haben einen großen Vorteil, erklärt Bauleiter Josef Kula: „Die Rollstuhlfahrer können jetzt selbstständig auf ihren Platz und dann automatisch nach oben fahren“. Die Höhe der Hubpodeste – bis zu 49 Zentimeter – können die Besucher im Rollstuhl dabei je nach Wunsch frei wählen, da diese von jedem selbst bedient werden. Auf die bisherigen Plätze mussten die Rollstuhlfahrer, meist von einer Begleitperson oder vom Stadionpersonal, über eine herausziehbare Rampe manuell geschoben werden – und jedes Mal wieder herunter. Egal, ob es zum Getränkestand oder auf die Toilette ging. „Das war immer mit viel Aufwand verbunden“, sagt Daniel Artmann, Rosenheims Zweiter Bürgermeister und Vorsitzender des Wirtschaftsbeirats der Starbulls.
Umso wichtiger sei es, dass es den „vielen Eishockey-begeisterten Rollstuhlfahrern ab sofort ermöglicht werden kann, ohne Begleitperson ins Stadion zu kommen“, sagt Artmann. In den Einrichtungen der Stadt Rosenheim solle die Teilhabe wirklich gelebt werden. Gekostet haben die neuen Hubpodeste rund 250000 Euro. Die gesamten Kosten der Umbaumaßnahmen der beiden vergangenen Jahre liegen bei rund fünf Millionen Euro. Rund die Hälfte davon stamme aus Fördermitteln des Bundes über das Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“.
Für Günther Draxinger sind die neuen Rollstuhlplätze „ein Meilenstein“. „Jetzt bin ich auf überhaupt keinen mehr angewiesen“, sagt der 50-Jährige, der seit der Geburt eine Beeinträchtigung hat und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Beschweren wolle er sich über die alten Plätze aber nicht. „Da gab es nie Probleme. Mir hat immer jeder beim Hochfahren an der Rampe geholfen – sogar gegnerische Fans“, sagt Draxinger. Unter den Eishockey-Fans gebe es sowieso eine große Kameradschaft.
Allerdings könne er nun viel selbstbestimmter sein. „Man kann sich gar nicht vorstellen, was das für mich bedeutet, wenn ich etwas selber machen kann und nicht auf fremde Hilfe angewiesen bin“, sagt der Eishockey-Fan. „Das bedeutet für mich Lebensqualität.“ Umso dankbarer sei er, dass die neuen Plätze nun in dem Stadion umgesetzt wurden, in dem er vor 35 Jahren vom „Eishockey-Fieber infiziert“ wurde.
„Tolles, neues
Blickgefühl
Welchen der acht Plätze er in Zukunft haben wird, sei ihm daher auch egal. „Man sieht von jeder Seite aus sehr gut, sogar ein bisschen besser als vorher“, sagt Draxinger. Das sei ein „tolles, neues Blickgefühl“. Das liegt auch daran, dass die neue Bande etwas niedriger geworden ist. Zudem sind die Hubpodeste nur für eine Person gedacht. „Bei den alten Plätzen standen oft viele andere Menschen auf der Rampe, dadurch hat man vor allem bei den Topspielen manchmal nicht so viel gesehen“, sagt der Kolbermoorer. Auch das werde nun der Vergangenheit angehören, glaubt er.
Reichen
die acht Plätze?
Allerdings hoffe Draxinger, dass die acht Plätze auch für alle Rollstuhlfahrer ausreichen. „Nicht, dass es dann Probleme gibt, wenn mal mehr kommen“, befürchtet er. Im Moment rechne man im Schnitt mit sechs oder sieben Zuschauern pro Spiel, die einen der Rollstuhlplätze beanspruchen, sagt Daniel Artmann. „Wir schauen jetzt in dieser Saison, wie es angenommen wird, und dann leiten wir daraus notwendige Maßnahmen ab“, betont der Zweite Bürgermeister.
Günther Draxinger hat seine Dauerkarte für die neue Saison schon. Am meisten freut er sich in der nächsten Saison auf die Stimmung im Stadion und die Mannschaft – und auf seinen neuen Platz. „Das wird genial“, sagt er.