Mit der Trillerpfeife gegen Kinderlärm

von Redaktion

Kitaplätze in Rosenheim sind Mangelware. Aus diesem Grund wurde im Dezember 2022 das „Traumwerk“ in der Erlenau eröffnet – dem Protest der Anwohner zum Trotz, die sich einen alternativen Standort gewünscht hatten. Jetzt gibt es erneut Ärger – des Kinderlärms wegen.

Rosenheim – Es war nicht das erste Mal, dass sich Maria W. mit ihrer Trillerpfeife an den Zaun der Kita „Traumwerk“ an der Erlenaustraße stellte, tief Luft holte und einen lauten Pfiff abgab. Kurz verstummten die Kinder und schauten verdutzt nach links und rechts. Dann rannten sie weiter. Lachend und schreiend. „Ich weiß mir sonst einfach nicht mehr zu helfen“, sagt die 76-Jährige, die seit 33 Jahren in der Erlenau wohnt, nur wenige Meter von der Kita entfernt, die im Dezember 2022 eröffnet wurde. Seit diesem Zeitpunkt gibt es, so schildert es die Seniorin am Telefon, nur noch wenige ruhige Stunden. „Es ist extrem laut“, sagt sie.

„Sie dürfen machen,
was sie wollen“

Um die Situation zu verbessern, habe sie bereits das Gespräch mit Erziehern, Polizei und dem Ordnungsamt gesucht. Bisher ohne Erfolg. „Sie dürfen machen, was sie wollen“, kritisiert die 76-Jährige. Dabei habe sie überhaupt kein Problem mit Kindern. Ganz im Gegenteil. „Früher habe ich mich immer gefreut, wenn in unserer Siedlung Kinderlachen zu hören war.“ Doch es gebe eben einen Unterschied zwischen Lachen und Brüllen. Und das Brüllen und Schreien der Kinder höre sie auch dann noch, wenn alle Fenster und Türen geschlossen sind. Das bestätigt auch eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ihr Mann sei Lehrer, habe nach dem Feierabend noch etliches zu tun. Doch auf die Arbeit konzentrieren könne er sich nur in den seltensten Fällen. „Es ist ein brutaler Lärm“, sagt sie und nimmt auch die Erzieher in die Pflicht. „Die Kinder haben nicht gelernt, leise zu sein. Sie schreien sich an, anstatt sich normal zu unterhalten.“

Erfolgloser Kampf im
Vorfeld des Kita-Baus

Schon als sie vom Plan der Stadt erfuhr, dass am Fischerweg ein zweigeschossiger Modulbau errichtet werden soll, habe sie sich für einen anderen Standort starkgemacht. Es wurden Briefe geschrieben und Unterschriften gesammelt. Gereicht hat es am Ende nicht. „Seitdem ist es mit der Ruhe vorbei“, sagt die Anwohnerin.

Unmut über Eltern,
die querbeet parken

Das sagt auch ein Nachbar, der direkt gegenüber von der Kita wohnt. „Vor dem Bau wurde uns versprochen, dass es keine Probleme gibt, aber es gibt nur Probleme“, sagt er am Telefon. Nicht nur würden die Eltern Garagen und Hauszufahrten zuparken, auch der Lärm sei zum Teil unerträglich. „Man meint an manchen Tagen wirklich, dass jemand abgestochen wird“, sagt der Anwohner. Er habe nichts gegen Kinder, hat selbst fünf Enkel. Auch deshalb wisse er, dass der Lärm im „Traumwerk“ lauter ist als in anderen Einrichtungen. „Es ist nicht die Schuld der Kinder. Es ist die Sache der Erzieher und Eltern“, sagt er.

Auch in anderen Städten kommt es vor, dass sich Anwohner über Kitalärm beschweren – und hin und wieder sogar vor Gericht ziehen. „Klagen mit Bezug auf ‚Kinderlärm‘ treten nur vereinzelt auf“, sagt der Pressesprecher des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auf OVB-Anfrage.

Selten Ärger aufgrund
konkreter Vorfälle

Meist gehe es dabei nicht um einen konkreten Vorfall, sondern um die Anfechtung von Baugenehmigungen. Beispielsweise dann, wenn Bolzplätze in der Nähe von Wohnungen gebaut werden sollen.

Lärmwertgrenze für
Kitas gibt es nicht

Generell haben Klagen wegen Kinderlärms nur wenig Erfolg. Das zeigt ein Blick auf das Gesetz über Anforderungen an den Lärmschutz bei Kinder- und Jugendspieleinrichtungen. Dort ist geregelt, dass Kinderlärm „sozialadäquat“ ist. Heißt: Wer sich daran stört, dass Kinder in Kitas ab und zu mal kreischen, muss damit leben. Das hatte das Bundeskabinett bereits 2011 beschlossen und forderte damit mehr Toleranz ein – als Beitrag für eine kinderfreundliche Gesellschaft.

„Generell gelten für Kitas keine Lärmwertgrenzen“, bestätigt auch Christian Baab, Pressesprecher der Stadt Rosenheim. Der „unvermeidbare, regelmäßige Lärm spielender Kinder“ stelle keine immissionsrechtliche Störung dar. Das habe ein Schallgutachten ergeben, das die Stadt freiwillig in Auftrag gegeben hat. So liege der gesundheitsgefährdende Schallwert bei 70 Dezibel. „Der gemessene Wert im Bereich des Kindergartens zwischen 14 und 16 Uhr liegt mit 64 Dezibel deutlich darunter“, sagt Baab. Die Messung fand ihm zufolge an der Grundstücksgrenze von Maria W. statt.

Lösungsversuch durch
Gesprächsangebot

Verständnis für das Verhalten der Seniorin hat Baab ohnehin nicht. Nicht nur würde Maria W. „Kindergarten und Stadtverwaltung kujonieren, sondern auch die Kinder verängstigen“. Mittlerweile liegen ihm zufolge drei Meldungen wegen sogenannter besonderer Vorkommnisse bei der Stadt als Aufsichtsbehörde. Aus diesem Grund habe die Stadt, der Diakonie – Trägerin der Kita – empfohlen, beim nächsten Mal die Polizei einzuschalten. Trotz der „weit über das Ziel hinausschießenden Aktionen dieser einzelnen Anwohnerin“ seien Stadt und Diakonie Baab zufolge darum bemüht, einvernehmliche Lösungen zu finden. Aus diesem Grund soll zum neuen Kitajahr ein Treffen mit den Anwohnern stattfinden. „Auch, wenn es sonst keine Beschwerden gab“, unterstreicht Baab.

Trillerpfeife bleibt
vorerst im Einsatz

Für Maria W. ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Sie hofft, dass bei dem Gespräch eine Lösung gefunden wird. An der Trillerpfeife festhalten will sie vorerst auch weiterhin.

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