Rosenheim/Istrien – Drei Wochen Istrien. Meer, Sonne, Zeit mit der Familie – das ist für mich seit acht Jahren im August feste Tradition. Doch diesmal trübte die negative Berichterstattung über die „Meeresblüte“, in manchen Veröffentlichungen auch abwertend als „Meeresrotz“ oder „Algenschleim“ bezeichnet, meine Vorfreude. Er sei „ekelhaft stinkend“ und mache das Baden im Meer „unmöglich“. Es wurde von einem „Hitzemeer“ und „kochendem Meerwasser“ berichtet. Von ungereinigten Abwässern, dem Klimawandel und industriellen Verschmutzungen als Ursache des „Algenterrors“.
Trotzdem fuhren meine Familie und ich Anfang August in das istrische Dörfchen Funtana bei Porec. Ich wurde empfangen von glasklarem Wasser, das etwas wärmer als in den Vorjahren war und dem bekannten schönen Sommerwetter. Erst nach ein paar Tagen bildete sich ab Mittag in der kleinen Bucht ein Film aus Algen an der Wasseroberfläche, der am Abend aber wieder verschwand.
Da der Wind die Algen direkt in die Bucht trieb und nur das Ufer am Strand davon betroffen war, gingen wir und die anderen Urlauber einfach über die Felsen ins klare Meer und störten uns nicht an diesem Naturphänomen. Wir duschten danach ausgiebig, wenn wir doch einmal am Ufer mit den Algen in Berührung kamen, da sie eine schleimige Konsistenz auf der Haut hinterließen. Allerdings war da keineswegs ein ekelhafter Geruch. Eine Urlauberin aus Deutschland berichtete mir im Gespräch: „Wir geben viel Geld aus für Algen in Kosmetik, hier gibt es das umsonst, wir stören uns daran überhaupt nicht!“
Was genau ist
die sogenannte
„Meeresblüte“?
Doch was hat es mit der sogenannten „Meeresblüte“ auf sich? Die „Meeresblüte“ tritt derzeit an der istrischen Küste zwischen Porec und Rovinj vereinzelt tageweise auf. Dabei handelt es sich um ein natürliches Phänomen, das durch einen schnellen Anstieg der Meerestemperatur verursacht wird. Durch das Zusammenspiel von Wärme und im Wasser gelösten Nährstoffen vermehrt sich sogenanntes Phytoplankton, was zu einer schleimigen Ansammlung von Algen an der Wasseroberfläche führt.
„Für die Menschen ist dieser unansehnliche Teppich vorerst gesundheitlich unbedenklich“, so Dr. Marcel Kovacic vom Naturhistorischen Museum in Rijeka. „Die derzeitigen Temperaturen und das stabile Wetter der vergangenen Wochen haben optimale Bedingungen für das Wachstum des Phytoplanktons geschaffen“, erklärt Dr. Ana Petrovic, Meeresbiologin am Institut für Ozeanografie in Pula. Laut den Wissenschaftlern ist das Phytoplankton ein wesentlicher Bestandteil des marinen Ökosystems, da es als Grundlage der Nahrungskette dient. Die diesjährige Blüte sei, so die Experten, ein Zeichen für die natürliche Dynamik des Meeres. „Die aktuelle Blüte zeigt uns, dass die Ökosysteme der Adria in einem gesunden Gleichgewicht stehen“, sagt Dr. Ivan Marovic, ein weiterer Experte der Meeresbiologie. „Phytoplankton spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des Kohlenstoffdioxidgehalts in der Atmosphäre, da es Kohlendioxid absorbiert und Sauerstoff produziert. Diese Blüte ist ein wichtiger Prozess für die Gesundheit unseres Meeres.“
Allerdings weisen die Wissenschaftler auch darauf hin, dass nicht alle „Meeresblüten“ harmlos sind. In seltenen Fällen können bestimmte Algen giftige Substanzen produzieren, die sowohl für Meerestiere als auch für den Menschen gefährlich werden können. In Istrien gibt es derzeit jedoch keine Hinweise auf derartige Gefahren.
So gefährlich sind
die Algen für
Badende wirklich
„Wir beobachten die Situation genau, aber bislang ist diese ,Meeresblüte‘ vollkommen unbedenklich“, beruhigt Dr. Petrovic. Für mich ist die diesjährige Algenblüte ein faszinierendes Naturphänomen, das auf das komplexe Zusammenspiel von Licht, Nährstoffen und Temperaturen im Meer zurückzuführen ist. Unter bestimmten Bedingungen kann das Phytoplankton, also mikroskopisch kleine Algen, eine explosionsartige Vermehrung erleben, die sich sichtbar auf die Wasseroberfläche ausdehnt. Dieses Phänomen spiegelt doch die Vitalität des Meeres wider und zeigt, wie lebendig und dynamisch unsere Ozeane sind. Susanne Grun