Wachsende Angst vor Unwetterfolgen

von Redaktion

Bei jedem Unwetter geht in Fürstätt in Rosenheim die Angst um. Immer häufiger steht dort bei Starkregen ein ganzer Straßenabschnitt unter Wasser. So hoch, dass auch einige Häuser volllaufen. Nun soll etwas passieren. Allerdings befürchten die Anwohner nun das Schlimmste.

Rosenheim – Mit einem bangen Blick verfolgt Georg Schrank die dunklen Wolken, die am Himmel aufziehen. „Da wird man schon wieder nervös“, sagt der Mann, der mit seiner Frau in der Großholzstraße in Fürstätt wohnt. Er steht an der Einfahrt seines Grundstückes neben einem Holzzaun. Schrank bückt sich und deutet auf eine Stelle am Zaun in einer Höhe von rund 20 Zentimetern. „Bis hierhin sind damals richtige Wellen geschwappt“, sagt er. Damals – im August 2023 – sorgten zwei schwere Unwetter innerhalb weniger Tage für starke Überschwemmungen in der Großholzstraße.

Sturzfluten
bei Starkregen

Schrank geht ein paar Meter auf die Straße und zeigt auf einen Graben auf der anderen Straßenseite, durch den der Kirchbach entlang der Großholzstraße fließt. Eigentlich ein Rinnsal, bei Gewittern werde der Bach aber schnell zu einem reißenden Gewässer. Das seien dann solche Wassermassen, dass der Kirchbach über das Ufer tritt, sagt Schrank. Und das ist noch nicht alles. Der Rosenheimer dreht sich um, blickt auf die Hügel hinter seinem Haus im Norden der Großholzstraße. Von den Feldern dort kämen bei starken Unwettern zusätzlich Massen an Oberflächenwasser herunter, erklärt Schrank.

Das seien lauter kleine Sturzbäche, die in Richtung Straße schießen. „Wenn der Kirchbach jetzt aber schon voll ist und selbst alles überflutet, kann er dieses Wasser erst recht nicht mehr aufnehmen“, sagt der Anwohner. Die Folge: Das Wasser sammelt sich zwischen Bach und den Hängen wie in einer Senke. Und genau dort stehen die Häuser von Georg Schrank und seinen Nachbarn.

Bei manchen Unwettern steige das Wasser so hoch, dass es in die Keller und vereinzelt sogar in die Wohnzimmer der Anwohner laufen könne. Nur dank selbstgebauter Schutzmaßnahmen gegen die Fluten sei in den vergangenen Jahren Schlimmeres verhindert worden, sagt Schrank. Sein Nachbar habe bereits rund 40000 bis 50000 Euro investiert.

Auch er selbst hat mehrere Tausend Euro ausgegeben. Am Türrahmen der Haustür hat Schrank zwei Metallschienen angebracht. „Da kann ich eine Platte hineinschieben, damit die Tür verstärkt wird“, sagt er und zeigt auf das untere Ende der Tür. In seinem Garten liegen überall Sandsäcke verteilt – „wenn es mal schnell gehen muss“, sagt Schrank. Nur so sei im August 2023 das Wasser nicht in sein Haus gelaufen. Auch die Kellerschächte hat Schrank mit Betonplatten versiegeln lassen. Und dennoch: Die Angst vor jedem Gewitter bleibt. „Wenn für die Nacht ein Unwetter angesagt ist, dann schläft man nicht gut“, sagt Schrank. Er fahre bei dunklen Wolken am Himmel auch oft später in die Arbeit oder früher nach Hause, um im Notfall reagieren zu können. „Es ist auch so, dass entweder unser Nachbar oder wir in den Urlaub fahren, gemeinsam ist das nicht mehr möglich. Es muss immer jemand zu Hause sein“, sagt der Rosenheimer.

Allerdings, das befürchtet Georg Schrank, könnten die Sorgen in Zukunft größer werden. Der Grund dafür ist eine Entscheidung der Stadt. In der jüngsten Sitzung haben die Mitglieder des Stadtrates mehrheitlich entschieden, dass der Flächennutzungsplan „Großholzstraße Süd“ geändert wird. Der Bereich südlich des Kirchbaches zwischen den Hausnummern 15 und 25 ist bisher eine landwirtschaftliche Fläche – derzeit eine mit Mais bepflanzte Wiese. Mit der Änderung wurde der Bereich nun in ein „reines Wohngebiet“ umgewidmet. Heißt: Auf der Wiese könnte irgendwann gebaut werden.

„Die Rede ist von drei oder vier Einfamilienhäusern“, sagt Schrank. Damit, dass dort grundsätzlich gebaut wird, habe er kein Problem. Schließlich fehle es in Rosenheim an Wohnraum. „Allerdings verlieren wir mit der Versiegelung der Wiese eine wichtige Retentionsfläche“, gibt der Rosenheimer zu Bedenken.

Seine Befürchtung: Mit der neuen Bebauung könnte das Wasser, das bisher beim Überlaufen des Kirchbachs dorthin abgelaufen und versickert ist, bei Unwettern zusätzlich in Richtung der Grundstücke auf der anderen Seite der Großholzstraße fließen. „Dann sitzen wir mitten in einem See“, sagt Schrank.

Sein Vorwurf: „Bevor man etwas Neues macht, müsste man zuerst eine Lösung für das bestehende Problem finden.“ Bereits seit einigen Jahren sei man wegen der Wasserproblematik und möglicher baulicher Schutzmaßnahmen am Kirchbach schon im Austausch mit der Stadtverwaltung – passiert sei aber nichts. Die Änderung des Flächennutzungsplans sei daher überraschend gekommen. „Man fühlt sich jetzt ein bisschen schutzlos ausgeliefert. Und anstatt, dass man Hilfe bekommt, wird die Situation noch verschärft“, kritisiert Schrank.

Konkrete Maßnahmen
zu späterem Zeitpunkt

Warum in der Großholzstraße noch keine Maßnahmen zum Schutz der Anwohner umgesetzt wurden, wollte die Stadt auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen nicht genau beantworten. „Konkrete Maßnahmen, welcher Art auch immer“, hängen immer von der Lage möglicher Bauwerke ab, teilt der städtische Pressesprecher Christian Baab mit. Und die Änderung eines Flächennutzungsplans schaffe noch kein Baurecht und lege nicht die genaue Position der neuen Häuser fest. „Folglich kann über einen Flächennutzungsplan auch nicht geregelt werden, welche Maßnahmen erforderlich sein können oder nicht“, betont Baab. Erst im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens könnten Belange des Hochwasserschutzes oder der Versiegelung geklärt werden.

So könnte bei der Genehmigung einzelner Bauvorhaben noch einmal auf die Wasserproblematik Einfluss genommen werden. Georg Schrank reicht das nicht aus. „Wir müssen uns halt jetzt total darauf verlassen, dass das wirklich dann auch passiert.“

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