Rosenheim/Großkarolinenfeld – Hinter Nicole Rauscher und ihrem Mann Michael liegen turbulente Wochen. Sie wurden bedroht und beschimpft. Auf Google häufen sich die schlechten Rezensionen. Und dabei wollten die beiden Betreiber des Fitnessstudios „Fitness Mountain Karo“ nur helfen. „Die ganze Aufregung ist für mich schwer nachvollziehbar“, sagt Michael Rauscher am Telefon. Trotzdem haben er und seine Frau sich Zeit genommen, um ihre Sicht auf die Dinge zu schildern.
Bestürzung in
Großkarolinenfeld
Im Mai 2024 erfuhren sie von der Insolvenz des Fitnessstudios „Transformer Gym“ in Rosenheim. „Wir waren sehr bestürzt“, erinnert sich Michael Rauscher. Auch, weil er den Betreiber des Studios, Björn Schloßmacher, gut kenne. Er habe ihn angerufen, gefragt, wie er helfen könne. Gemeinsam tüftelten die Männer an einem Plan. „Ich hab ihn gefragt, ob er sich nicht vorstellen könnte, bei uns weiterzumachen“, sagt Michael Rauscher. Die Idee sei gewesen, dass sich Schloßmacher in das Erdgeschoss des Studios in Großkarolinenfeld einmietet und sein Studio von dort aus weiterbetreibt. „Er fand die Idee ganz gut“, sagt Rauscher.
Während sich der ehemalige Betreiber des Fitnessstudios „Transformers Gym“ also Gedanken über eine mögliche Zukunft in Großkarolinenfeld machte, nahm Michael Rauscher Kontakt zu dem Insolvenzverwalter auf. Seine Idee sei es gewesen, den Kunden eine Perspektive zu bieten. Also habe er nicht nur den Namen „Transformer Gym“ gekauft, sondern auch die rund 400 Mitgliedsverträge – samt der einzelnen Kontodaten.
Kostenloses Angebot
für zwei Monate
„Für uns war das eine Win-win-Situation“, sagt Michael Rauscher. Er und seine Frau hätten die Kunden per E-Mail – später per Post – angeschrieben und sie darüber informiert, dass sie für zwei Monate kostenlos im „Fitness Mountain Karo“ trainieren könnten. Anschließend starte die neue Mitgliedschaft in Großkarolinenfeld. „Diejenigen, die kein Interesse hatten, konnten unkompliziert kündigen und haben dies sofort getan“, sagt Nicole Rauscher.
Doch genau hier fangen die Probleme an. Denn die E-Mail scheint nicht bei allen Kunden angekommen zu sein. Das geht sowohl aus den Rezensionen hervor als auch aus zahlreichen E-Mails, die unsere Redaktion erhalten hat.
So schimpft ein Nutzer im Internet über die „Dreistigkeit des Studios“. „Persönliche Daten wurden rechtswidrig gekauft. Anschließend wurden willkürlich Beiträge von meinem Konto abgebucht, obwohl ich nicht einmal dort gewesen bin oder jemals Kontakt zu diesem Studio gehabt habe“, schreibt er. Wieder andere werfen den Betreibern „unverschämtes und unseriöses Verhalten“ vor, kritisieren, dass sie einen Vertrag kündigen müssen, den sie niemals abgeschlossen haben. „Vertrags- und datenschutzrechtlich eine absolute Frechheit“, schreibt ein weiterer Nutzer.
Aggressives Verhalten
mancher Kunden
Es ist nur eine kleine Auswahl aus einer Vielzahl von Rezensionen, die auch Nicole und Michael Rauscher kennen. „Einzelne Kunden haben uns und unseren Mitarbeitern gegenüber sehr aggressiv reagiert“, sagt Michael Rauscher. Ihn habe dieses Verhalten schockiert. Zumal er dachte, dass er den ehemaligen Kunden des „Transformer Gym“ etwas Gutes tue. All diejenigen, die kein Interesse an der Mitgliedschaft im zehn Kilometer entfernten Großkarolinenfeld gehabt haben, hätten bequem kündigen können. Per E-Mail, telefonisch oder über die sozialen Medien. „Wir haben es für die Kunden so einfach wie möglich gemacht“, sagt Nicole Rauscher.
Neben zahlreichen Kündigungen habe es auch einige Kunden gegeben, die sich über die Möglichkeit freuten, für einen guten Preis in Großkarolinenfeld weitertrainieren zu können, nachdem ihr Studio in Rosenheim schließen musste. Zumal es im „Fitness Mountain Karo“ neben kostenlosen Getränken auch eine Sauna gebe. „Wir haben ein ganz anderes Niveau als in Rosenheim. Trotzdem haben wir die Beträge nicht angehoben“, sagt Michael Rauscher.
Studiobetreiber
sieht keine Fehler
Dass er etwas falsch gemacht hat, glaubt der Studiobetreiber nicht. „Ein Problem wurde zum bestmöglichen Ausgang aller Beteiligten gelöst“, sagt er. Hinzu kommt, dass das Geld eines jeden, der kein Interesse daran gehabt hat, in Großkarolinenfeld zu trainieren, innerhalb kürzester Zeit wieder zurückgebucht wurde. Das bestätigen auch mehrere Leser übereinstimmend. Bleibt die Frage, ob die Betreiber einfach so die Daten der Kunden kaufen konnten. Zumindest Christian Rösch, Rechts- und Fachanwalt für Arbeitsrecht, bleibt hier skeptisch.
Datenkauf rechtlich
wohl problematisch
„Wenn lediglich der Name und der Kundenstamm erworben werden, handelt es sich rechtlich nicht etwa um einen ‚Share Deal‘, sondern um einen ‚Asset Deal‘“, sagt der auf OVB-Anfrage. Das bedeutet ihm zufolge, dass der Kunde im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertrags ausdrücklich seine Zustimmung erteilen muss und das Geld nicht automatisch abgebucht werden darf. „Insofern ist festzustellen, dass das Studio rechtswidrig gehandelt hat“, sagt er. Allerdings liege ihm weder der konkrete Vertrag über den Verkauf noch das Informationsschreiben des Studios vor, um die ganze Situation abschließend bewerten zu können.
Anspruch auf
Beitragsrückzahlung
Dass das Studio die Kunden betrügen wollte, glaubt der Anwalt nicht. Auch, weil die Kunden über das Vorhaben informiert worden waren. Er macht aber noch einmal deutlich, dass alle Kunden – nach dem ihm vorliegenden Informationsstand – einen Anspruch auf die Rückzahlung ihrer Beiträge haben. Und genau dem kommen Nicole und Michael Rauscher nach.
Björn Schloßmacher war für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. Die Pläne, sich mit einem Studio in Großkarolinenfeld niederzulassen, scheinen jedoch vorerst vom Tisch zu sein.