„Ich bin ein Kriegskind“

von Redaktion

Loujayn Hamdu Alnaser musste mit 18 Jahren ihre Familie zurücklassen und aus ihrer Heimat flüchten. Ohne ein Wort Deutsch zu können, baute sie sich ihr Leben in Rosenheim auf. Der Anfang war schwer, doch nun hilft sie anderen Betroffenen.

Rosenheim – Vor drei Jahren flüchtet Loujayn Hamdu Alnaser aus ihrer Heimat in Damaskus in Syrien. Ohne ihre Familie ging es für sie zunächst in den Libanon und kurz darauf nach Deutschland. Zuerst lebte sie in Landshut, ehe sie Anfang 2023 nach Rosenheim umzog. Ihre Mutter und ihre drei Geschwister musste sie in Syrien zurücklassen. „Das war das Schlimmste, was ich erlebt habe. Denn ich war immer mit meiner Familie zusammen“, sagt Hamdu Alnaser.

Haus dem Erdboden gleichgemacht

Die heute 21-Jährige habe wegen des Krieges flüchten müssen. Ihr Haus sei dem Erdboden gleichgemacht worden und als Sunnitin habe sie in ständiger Angst gelebt, ins Gefängnis zu müssen. „Ich komme aus einer Stadt, wo die Einwohner gegen die Regierung sind. Deshalb durfte ich nicht mehr bleiben“, sagt sie. Ihre Flucht endete zunächst im Libanon. Dort habe sie Mobbing und Ausgrenzung erlebt und keine Möglichkeit erhalten zu studieren. Also ging es für Hamdu Alnaser nach Landshut, wo ihr Vater lebte. „Er kam 2015 mit anderen Asylanten nach Deutschland, um zu arbeiten“, sagt sie.

Das Einleben sei Hamdu Alnaser schwergefallen, denn sie sprach kein Wort Deutsch. „Ich hatte schon das Gefühl, dass ich alleine bin“, sagt sie. Sie blieb ein Jahr in Landshut. Ihr Vater musste beruflich nach Berlin ziehen. Für Hamdu Alnaser kam das nicht infrage. Also zog sie Anfang 2023 nach Rosenheim zu ihrem Onkel. Lange Zeit suchte sie nach einer eigenen Wohnung und einen Platz in einer Schule. Mittlerweile fühlt sich die 21-Jährige in Raubling daheim und vor einigen Wochen machte sie ihren Abschluss an der Mädchenrealschule in Rosenheim.

Dass sie das erreicht hat, war für Hamdu Alnaser ein harter Kampf. In Landshut habe sie zunächst keinen Platz in einer Sprachenschule bekommen. Also fing sie an, zu Hause Deutsch zu lernen. „Mir wurde oft gesagt, dass die deutsche Sprache leicht zu lernen ist. Aber leider war es nicht so“, sagt Hamdu Alnaser. Um ihre Aussprache zu verbessern, arbeitete sie gleichzeitig ehrenamtlich in verschiedenen Einrichtungen, wie Schulen und Kindergärten. In Rosenheim dann auch als Sanitäterin beim Bayerischen Roten Kreuz.

Nun steht Hamdu Alnaser einmal die Woche im Treffpunkt der Caritas in Rosenheim. Dort bringt sie seit einem Jahr im Alphabetisierungstreff Menschen die deutsche Sprache bei. Das Ehrenamt hat sie ins Leben gerufen. Als Hamdu Alnaser noch keinen Platz in einer Sprachenschule hatte, half ihre eine ältere Dame aus der Nachbarschaft beim Lernen. „Ich bin so dankbar, dass sie mich unterstützt hat. Das will ich jetzt auch machen“, sagt sie.

An dem Treff nehmen Menschen mit verschiedenen Nationalitäten und unterschiedlichem Alter teil. Derzeit seien es zwölf, die zu ihrem Unterricht kommen und gar nicht oder kaum Deutsch können. „Es macht mir sehr viel Spaß und es freut mich immer, wenn die Leute Fortschritte machen“, sagt sie. Zu Beginn lernten die Teilnehmer das Alphabet. Mittlerweile können sie Sätze grammatikalisch richtig schreiben und Verben konjugieren. „Die Teilnehmer können schon kleine Gespräche führen“, sagt Hamdu Alnaser.

In dem Alphatreff soll es aber auch um etwas anderes gehen. „Für mich ist es wie eine kleine Gemeinschaft“, sagt sie. Jeder von ihnen sei aus den unterschiedlichsten Gründen nach Rosenheim gekommen. Einige sind wie Hamdu Alnaser hierher geflüchtet. „Der Treff soll ein Ort sein, wo wir zusammen die Sprache lernen, denn das ist etwas, was uns verbindet“, sagt die 21-Jährige.

Das Ehrenamt bedeutet Hamdu Alnaser sehr viel. „Ich bin ein Kriegskind und ich brauchte mein ganzes Leben Hilfe von anderen“, sagt sie. Jetzt könne sie etwas zurückgeben.

Für die Zukunft hat sie auch schon Pläne gemacht. Sie möchte ihr Abitur machen und dann Medizin studieren. „Ich musste schon in jungen Jahren wegen des Krieges in Krankenhäusern aushelfen“, sagt sie. Ärzte habe es dort kaum noch gegeben, also hätten alle mithelfen müssen. Für Hamdu Alnaser war das eine schwierige Zeit, doch sie habe daraus auch gelernt, wie wichtig es ist, sich zu unterstützen.

Alnaser ist
ein Geschenk

Von Hamdu Alnasers Einsatz ist Sylvia Braun, Integrationslotsin und Ehrenamtskoordinatorin der Caritas in Rosenheim, sehr beeindruckt. Hamdu Alnaser besuchte die interkulturelle Frauengruppe der Caritas und wurde von anderen auf ihre guten Deutschkenntnisse angesprochen.

Daraufhin habe sie die Initiative gepackt und vorgeschlagen, den Alphatreff zu organisieren. „Für uns ist sie ein Geschenk“, sagt Braun.

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