Das Geheimnis des Sonnenrings

von Redaktion

Stroh zu Gold zu spinnen, funktioniert nur bei den Gebrüdern Grimm. Doch es gibt einen Beruf, der ähnlich Märchenhaftes schafft. Die Rosenheimer Goldschmiede Gangkofer gibt einen exklusiven Einblick in eines der ältesten Handwerke der Menschheit.

Rosenheim – So schön Edelmetalle oder -steine auch sein mögen – zu einzigartigen Kunstwerken werden sie erst in den Händen von Goldschmieden. Sie schmelzen das Edelmetall, geben ihm eine Form, schmieden und glühen es, biegen und schleifen, polieren, mattieren, gravieren und fassen Edelsteine ein. Es gibt ein ganzes Universum an Möglichkeiten, wie aus einem unscheinbaren Klümpchen ein außergewöhnliches Schmuckstück werden kann. Die Goldschmiede Gangkofer aus Rosenheim hat ihre Türen geöffnet und dem OVB einen spannenden Einblick in eines der ältesten Handwerke der Menschheit eröffnet.

Arbeiten bei
sengender Hitze

Goldschmiedin Tamara Bjelovuk legt Silberstreifen in einen Schmelztiegel. Mit der Flamme eines Bunsenbrenners bringt sie das Edelmetall auf eine Temperatur von etwa 1000 Grad Celsius. Es wird flüssig, glüht rot. Sie trägt eine Schutzbrille, um ihre Augen vor dem Licht und der Hitze zu schützen.

Die Werkstatt heizt sich auf wie eine Sauna. Die Flammen rauschen so laut, dass kein Gespräch mehr möglich ist. Schließlich hat sich das Silber verflüssigt. Bjelovuk kippt es in eine vorgefertigte Gussform, wo es abkühlen kann.

Den nächsten Arbeitsschritt übernimmt Goldschmiedin Nicole Gangkofer. Sie ist die Schwiegertochter der Firmengründerin, wird das Rosenheimer Unternehmen voraussichtlich später einmal übernehmen.

Viele Arbeitsschritte
für den einen Ring

Heute steht sie an der Walze: „Jetzt wird der Ring in die richtige Form gepresst.“ Sie steckt das mittlerweile ausgekühlte Stück Silber in die Maschine und kurbelt los. Mehrere Male wird der Silberrohling zwischen den eisernen Walzen durchgeschoben, ehe er dünn genug ist. Dann wird die entstandene Ringschiene ausgemessen und an ihren beiden Enden zusammengeschweißt.

Nun steckt der Ring auf einem metallenen Zylinder, dem sogenannten Ringriegel. Mit einem Hammer klopft Nicole Gangkofer den Ring zurecht. Sie achtet besonders darauf, dass er überall den gleichen Durchmesser hat. Schließlich ist die silberne Ringschiene fertig.

Währenddessen arbeitet Julia Dziedziel schon an der Dekoration für den Ring. Die Gravurmeisterin ist konzentriert bei der Arbeit, zeichnet mit einem dünnen Filzstift eine Sonne auf eine Goldmünze. Mit schnellen Schlägen ihres Meißels graviert sie das Motiv ein.

Dass eine Gravurmeisterin in einer Goldschmiede fest angestellt ist, ist ungewöhnlich, erklärt Christian Mühlbauer, der Obermeister der Goldschmiede-Innung Oberbayern: „Es braucht schon sehr viele Gravuraufträge, damit der Graveur 40 Wochenstunden beschäftigt ist.“

Doch die Goldschmiede Gangkofer hat sich auf gravierte Schmuckstücke spezialisiert. Der Sonnen-Ring ist nur eines von vielen gravierten Kunstwerken, die hier entstehen.

Inzwischen hat Nicole Gangkofer die goldene Sonnen-Münze poliert. Jetzt kann sie am silbernen Ring befestigt werden. Fertig ist das Schmuckstück. „Wir entwerfen alle Designs gemeinsam, so kann sich jede von uns einbringen“, sagt Nicole Gangkofer, die stolz auf das frisch geschmiedete Gemeinschaftskunstwerk ist.

Der Beruf ist eine
Frauendomäne

Dass in einer Goldschmiede nur Frauen arbeiten, ist laut Innungs-Chef Mühlbauer normal. Der Beruf ist eine Frauendomäne. 80 Prozent der Lehrlinge und die Hälfte aller ausgebildeten Goldschmiedinnen seien Frauen. So alt wie der Beruf des Goldschmiedes ist, so selten ist er auch. Die Zahl der Lehrlinge ist rückläufig. Gab es 2009 bundesweit in Handwerk und Industrie noch 860 Goldschmiede-Azubis, waren es 2021 gerade noch 497.

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