Flüchtlinge, Kitas und der Busverkehr

von Redaktion

Interview Oberbürgermeister Andreas März über aktuelle Probleme und Nachbesserungen

Rosenheim – Oberbürgermeister Andreas März ist gut gelaunt. Er trägt Tracht, scherzt mit dem Fotografen und nimmt sich eine Stunde Zeit, um den umfangreichen Fragenkatalog zu beantworten. Es geht um die Unterbringung geflüchteter Menschen, Ecken in der Stadt, die nicht ganz so schön sind und das Thema Kommunikation.

Sind Sie schon eine Runde Karussell gefahren?

Nein, noch nicht (lacht).

Wie sieht ein perfekter Herbstfest-Tag für Sie aus?

März: Ich mag den ersten Sonntag sehr gerne. Mittags gehe ich immer mit meiner ganzen Familie auf die Wiesn. Da sind dann auch meine Geschwister und Eltern dabei. Wir gehen essen und trinken, die Kinder fahren Karussell.

Das politische Leben geht trotz Herbstfest weiter. Stimmen Sie in das allgemeine Klagelied der Kommunen angesichts der Herausforderungen durch geflüchtete Menschen?

Die Situation in Rosenheim ist stabil. Wir haben mit Blick auf Polizeieinsätze kaum Probleme. Womit wir Probleme haben, ist die Verlegung der Menschen aus der Luitpoldhalle in eine Anschlussunterkunft. Diese Plätze haben wir einfach nicht.

Kommen nach wie vor geflüchtete Menschen nach Rosenheim?

Nein. Wir haben seit Juli einen Zuweisungsstopp. Darum habe ich bei der Regierung von Oberbayern gebeten. Der gilt noch bis Oktober. Bis dahin sollte unsere Erstaufnahmeeinrichtung am Bahnhof fertig sein. Geplant ist, dass Mitte September die ersten Menschen aus der Luitpoldhalle umziehen.

Also stehen die Chancen dafür, dass die Luitpoldhalle bald wieder als Sporthalle genutzt werden kann, gar nicht so schlecht?

Ich denke, dass die Luitpoldhalle ab der zweiten Oktoberhälfte wieder frei ist. Dann muss noch aufgeräumt und alles wieder hergerichtet werden. Anschließend werde ich mich dafür einsetzen, dass die Halle dauerhaft für den Schul- und Vereinssport zur Verfügung steht und nicht mehr reflexartig als Unterkunft genutzt wird.

Doch auch von dort müssen die Menschen irgendwann anderswo untergebracht werden.

Bezahlbaren Wohnraum zu finden, ist eine Herausforderung. Nicht nur für geflüchtete Menschen. Einfache Lösungen dafür gibt es nicht. Hin und wieder schreiben wir Eigentümer an und bitten sie um Unterstützung. Aber auch das ist immer nur eine temporäre Lösung.

Gebaut wird in der Stadt trotzdem recht fleißig.

Auf der BayWa-Wiese stehen wir mit unserem großen Wohnungsbauprojekt kurz vor der Fertigstellung. Auch in Oberwöhr haben wir damit begonnen, Wohnungen zu bauen.

Gerüchten zufolge steht das Vorhaben auf der Kippe.

Tatsächlich? (lacht). Nein, es geht in Oberwöhr ganz normal weiter. Die Erschließungsstraße ist praktisch fertig und die Arbeiten auf einem der Baufelder laufen bereits. Auch auf dem Bahnareal Süd soll neuer Wohnraum entstehen.

Glauben Sie, dass der Fokus in Zukunft auf der Schaffung von noch mehr sozial geförderten Wohnraum liegt?

Worauf unser Fokus in Zukunft liegt, ist die Schaffung von gefördertem Wohnraum für mittlere Einkommensklasse, also diejenigen mit einem Jahreseinkommen von 40000 bis 90000 Euro. Diesen Menschen steht laut Gesetz ein geförderter Wohnraum zu. Nur gehen diese Menschen eben nicht aufs Sozial- oder Wohnungsamt. Hier gibt es einen großen Aufklärungsbedarf. Aus diesem Grund wollen wir zeitnah eine Marketingkampagne starten.

Eine Kampagne gab es auch, um zusätzliche Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen. Wie wurde das angenommen?

Erstaunlicherweise ganz wenig. Jeder, der sich bei uns bewirbt, kommt aus der näheren Umgebung. Niemand, der beispielsweise in Hessen lebt, wird sich in Rosenheim als Kinderpfleger bewerben. Auf dem Papier war die Idee sicher nicht verkehrt, aber in der Realität hat sie sich nicht bewährt.

Aufgrund des fehlenden Personals bekommt nicht jedes Kind einen Kitaplatz.

Auch aus baulicher Sicht könnten wir nicht jedem Kind einen Platz anbieten. Aber mit dem nötigen Personal würde es für das ein oder andere Kind noch einen Platz geben.

Wie viele Kinder bekommen keinen Platz?

Es fehlen ungefähr 200 Plätze. Das hört sich natürlich erst einmal dramatisch an. Aber wenn man das ins Verhältnis setzt, zu denjenigen, die ihren Rechtsanspruch geltend machen, sind es doch relativ wenig.

Liegt das daran, dass die meisten gar nicht wissen, dass sie einen Rechtsanspruch haben?

Nein. Jeder, der von uns eine Mitteilung erhält, dass keine Plätze mehr verfügbar sind, bekommt auch eine Mitteilung, dass es einen Rechtsanspruch gibt und dieser formlos formuliert werden kann.

Dass Plätze fehlen, ist nicht neu. Glauben Sie, dieses Problem wird man irgendwann in den Griff bekommen?

Wir werden es nie genau hinbekommen, dass es sich auf plus/minus null ausgeht. So wird es immer Zuzüge geben, die man nicht auf dem Schirm hatte. Unser Ziel ist es jedoch, dass nicht mehr Hunderte von Plätzen fehlen. Das schaffen wir nicht im kommenden Jahr, aber bis 2027 wäre es durchaus realistisch.

Wann sind Sie eigentlich zum letzten Mal mit dem Bus gefahren, Herr März?

In der zweiten Schuljahreshälfte bin ich ein paar Mal mit dem Bus gefahren. Ich musste feststellen, dass ich mit dem Bus genauso schnell im Büro bin, als wenn ich mit dem Auto gefahren wäre.

Würden Sie sagen, dass sich der Kauf des Stadtverkehrs gelohnt hat?

Ja, aus einem einfachen Grund: Wir haben jetzt eine unmittelbare Kommunikation mit unserem eigenen Geschäftsführer. Alles geht deutlich schneller. Wenn also an einer Haltestelle etwas nicht passt, schickt unser Geschäftsführer jemanden hin, ohne vorher stundenlang klären zu müssen, wer eigentlich zuständig ist.

Wie etwa bei den Fahrplänen, die am Boden angebracht wurden.

Ja, genau solche Dinge. Wir haben jetzt ein viel besseres Verständnis dafür, warum manche Haltestellen dort sind, wo sie sind, und warum es eine bestimmte Taktung gibt.

Wäre es nicht sinnvoll, diese Kommunikation auch an die Bürger weiterzugeben?

Das machen wir tatsächlich noch zu wenig. Natürlich geht der Rosenheimer Bürger zu Recht davon aus, dass der Bus zu der Zeit fährt, die auf dem Plan steht, der Busfahrer freundlich ist und es nicht zu heiß in den Fahrzeugen ist. Wenn das nicht passt, hagelt es Kritik und der gesamte ÖPNV ist beschissen. Dann kommen Aussagen wie die, dass es überall besser läuft als in Rosenheim. Das glaube ich einfach nicht.

Wie sieht es mit dem Busverkehr an Sonn- und Feiertagen aus?

Das werden wir uns vorerst nicht leisten können. Und ich bin auch der Meinung, dass sich die Nachfrage an diesen Tagen in Grenzen halten wird.

Auch in Sachen Busverkehr gibt es Gerüchte. Man munkelt, dass einige Linien eingestampft werden sollen.

Im Moment gibt es einen Fahrplan, der bereits um 4.30 Uhr beginnt. Wir haben uns hier die Frage gestellt, ob das wirklich sein muss. Stattdessen wäre die Idee, den Nachtverkehrsplan auch in den frühen Morgenstunden zu fahren. Das würde wiederum bedeuten, dass wir zu den Kernzeiten eine höhere Taktung hinbekommen könnten. Alles in allem kann schon jetzt gesagt werden, dass wir zum Fahrplanwechsel 50000 Kilometer mehr fahren werden. Linien werden also definitiv nicht eingestampft.

Was eingestampft wurde, ist der Promille-Express und der Direktbus im Rahmen des Herbstfestes. Wäre es nicht sinnvoll, diese Entscheidungen noch einmal zu überdenken?

Sicherlich könnte man darüber nachdenken, ob es während der Herbstfestzeit nicht sinnvoll wäre, dass die Busse länger fahren und vielleicht auch zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden. Aber natürlich ist das auch eine Geldfrage.

Der Abschnitt der Kaiserstraße war lange Zeit gesperrt, das Verkehrschaos ist ausgeblieben. Trotzdem scheint eine permanente Sperrung vorerst nicht infrage zu kommen.

Die Kaiserstraße ist eine ganz wichtige Zubringerstraße in die Innenstadt. Und das soll auch so bleiben. Unser geplantes Verkehrskonzept ist jetzt etwas ins Stocken geraten, aber sobald die Westtangente offen ist, schauen wir uns das noch einmal genauer an. Grundsätzlich gilt: Verkehre, die nicht in die Stadt müssen, sollen auch nicht durch unsere Stadt fahren.

Wenn Sie durch Rosenheim spazieren: Gibt es Orte und Plätze, wo etwas gemacht werden müsste?

Ja, da gibt es einige Beispiele. Ein Teil der Kufsteiner Straße gehört dringend aufgewertet. Gleiches gilt für die Münchener Straße stadtauswärts. Im Kernstadtbereich schaut es ganz gut aus, auch weil sich in der ehemaligen Karstadt-Sports-Filiale bald etwas tun soll. Alles rund um den Medical Cube am Bahnhof schaut sehr spektakulär aus, aber etwas weiter davon entfernt gibt es noch Luft nach oben. Gut vorstellen könnte ich mir hier eine Art Promenade, wie es sie in Barcelona gibt, mit Alleen in der Mitte. Auch der Äußeren Münchener Straße würde eine Aufwertung an manchen Stellen guttun.

Waren das auch Punkte, die im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) aufgeploppt sind?

Nein, da ging es mehr um Themen rund ums Rad, den Busverkehr und den Wunsch nach weniger Autos.

Die Bürgerbeteiligung war – nett formuliert – eher überschaubar.

Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr Bürger gewesen wären. Wenn ich, vermeintlich eigenmächtig, die Lortzingstraße sperre und zu einer Anliegerversammlung einlade, kommen über 300 Menschen. Wenn wir zu einer Bürgerbeteiligung einladen, wo es um die Stadtentwicklung für die nächsten 15 Jahre geht, dann kommen weniger als 100. Uns beschäftigt nur das, was wir jeden Tag sehen.

Harter Themenwechsel: Wie sehr belastet das Thema Romed-Klinikum gerade die Ferienstimmung?

Das Thema belastet die Stimmung nicht. Wir haben bei Romed zwei große Themen. Zum einen gibt es eine Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft. Hier soll geklärt werden, ob bei Geburten Fehler gemacht wurden. Es ist in meinem ureigenen Interesse, herauszufinden, was im eigenen Haus passiert ist.

Und dann wäre da noch das Defizit.

Korrekt. Wir bekommen einen neuen Geschäftsführer und hoffen, dass er Ideen mitbringt und umsetzt, die das Defizit über die nächsten Jahre wieder deutlich reduziert. Die Diskussion darüber, ob das Defizit zwischen Stadt und Landkreis richtig aufgeteilt ist, werden wir uns in einem Arbeitskreis noch einmal genauer anschauen.

Das letzte Wort gehört Ihnen.

Ich würde mir wünschen, dass wir als Gesellschaft wieder gelassener sind. Uns geht es wirklich gut. Und natürlich kann man sich darüber ärgern, wenn ein Bus ausfällt, aber man muss doch nicht gleich alles infrage stellen. Interview: Anna Heise

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