Herbstfest-Bedienung mit 150000 Fans

von Redaktion

Ein Internet-Video aus Rosenheim geht um die Welt – 13 Masskrüge machen Tanja Fechner berühmt

Rosenheim – Das Video, das Tanja Fechner berühmt gemacht hat, dauert gerade einmal 20 Sekunden. Sie steht an der Schänke 1 in der Auerbräu-Festhalle. Vorsichtig stapelt sie die gefüllten Masskrüge aufeinander. Auf die sechs Krüge, die auf der Theke stehen, stapelt sie weitere sechs. Obendrauf stellt sie Mass Nummer 13. Mit der linken Hand umfasst sie die unteren sechs Krüge, mit der rechten die Gläser in der Mitte. Kurz geht sie in die Knie, dann hebt sie die 13 Gläser in die Luft und macht sich auf den Weg zu den Gästen.

„Anders könnte ich die Gläser gar nicht tragen. Das ist die Hälfte meines Körpergewichts“, sagt Tanja Fechner und lacht. Sie sitzt im Auerbräu-Biergarten. Noch ist es ruhig. Wo jetzt gähnende Leere herrscht, werden sich in wenigen Stunden Hunderte von Gästen tummeln. Mittendrin: Tanja Fechner.

Seit 2023 in der
Auerbräu-Festhalle

Die gebürtige Wasserburgerin liebt den Trubel – und das Kellnern. Schon als Minderjährige hat sie sich ihr Taschengeld mit Jobs in der Gastronomie verdient. Mal in Wirtshäusern, mal auf Festivals. „Das hat mir schon immer wahnsinnig viel Spaß gemacht“, sagt sie. Nachdem sie in den vergangenen Jahren auf dem Volksfest in Mühldorf gearbeitet hat, ist sie seit 2023 in der Auerbräu-Festhalle. „Die Stimmung ist gut, es herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre“, sagt sie. Einen Großteil ihrer Kollegen kennt sie bereits seit einigen Jahren – vom Gäubodenvolksfest in Straubing oder dem Münchener Oktoberfest. „Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die aufeinander schaut“, sagt Tanja Fechner. Es sind Gründe, warum sie ihren Job so gerne macht. Trotz der langen Arbeitszeiten. Denn hin und wieder komme es durchaus vor, dass ihre Schicht um 9.30 Uhr beginnt und sie um 23 Uhr immer noch in der Halle steht – nur um Stunden später erschöpft ins Bett zu fallen.

„Es ist ein anstrengender Job“, sagt sie. Ihre Geheimwaffe: ein Mix aus Magnesium und Melatonin. Kraft- oder Ausdauertraining in Vorbereitung auf die Volksfest-Zeit macht sie nicht. „Das werde ich aber tatsächlich oft gefragt“, sagt sie. Für sie liege der Fokus stattdessen auf gutem und vor allem festem Schuhwerk sowie Schweißbändern. Die trägt sie, um ihre Handgelenke zu stabilisieren. Nur so gelinge es, die 13 Masskrüge zu transportieren. Denn ein gefüllter Krug wiegt 2,3 Kilo. Insgesamt transportiert die junge Frau so hunderte Male pro Tag 30 Kilogramm.

„Es sieht spektakulärer aus, als es ist“, sagt sie. Nervös, dass mal etwas schiefgeht, sei sie nach wie vor. Trotz der jahrelangen Erfahrung. Auch, weil eine ihrer Freundin erst kürzlich gestürzt sei – mit Masskrügen in der Hand. „Es geht ihr wieder gut, aber sie hat etliche Narben im Gesicht“, sagt Tanja Fechner. Seitdem ist die junge Frau noch konzentrierter als ohnehin schon. Zwar muss sie – anders als beim Oktoberfest – keine Treppen steigen. Doch der Boden in der Auerbräu-Festhalle sei oft rutschig.

Auch Tablett tragen
muss gelernt sein

Wenn Fechner nicht mit 13 Masskrügen durchs Zelt spaziert, kümmert sie sich darum, dass die Gäste ihr Essen bekommen. Auch keine leichte Aufgabe, wie sie anmerkt. Denn das Tablet – und damit das gesamte Gewicht – wird oft nur auf einer Schulter transportiert.

Probleme mit Gästen hatte sie bisher kaum. „Alle sind sehr respektvoll“, sagt sie. Nur einige seien „ein bisschen zu freundlich“. Das habe sie erst wieder an ihrem Geburtstag gemerkt, den sie vor einigen Tagen gefeiert hat. „Mich haben Leute umarmt, die ich noch nie vorher gesehen habe“, sagt sie. Dass diese Menschen überhaupt wussten, dass es ihr Geburtstag war, hängt wohl mit den sozialen Medien zusammen. Auf Instagram folgen der Wasserburgerin 150000 Menschen. Als Influencerin würde sich Tanja Fechner trotz allem nicht bezeichnen. Auch, weil sie mit der Plattform kein Geld verdient. Das verdient sie mit ihrem Job als Bankkauffrau – oder eben als Bedienung.

„Reich wird man damit aber nicht“, sagt sie. Auch, weil es etliche Ausgaben gibt. So müssen Bedienungen beispielsweise Dirndl und Kellnergürtel selbst kaufen. Hinzu kommen neben dem Besteckgeld in Höhe von 300 Euro in der Regel auch Übernachtungskosten. Die für Tanja Fechner zumindest für das Herbstfest entfallen, da ihre Mutter in Großkarolinenfeld wohnt. Beim Oktoberfest in München sieht es da schon wieder anders aus. Zum Teil werden Wohnungen dort für 2000 Euro angeboten. Umso mehr ist die junge Frau auf das Trinkgeld der Gäste angewiesen.

Bediengeld ist
kein Trinkgeld

Eine Sache, die ihr in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist: Das auf den Bier- und Essensgutscheinen angegebene Bediengeld ist laut ihrer Aussage kein Trinkgeld. Vielmehr handelt es sich um einen Betrag, der auch noch versteuert werden muss. „Viele Gäste wissen das nicht“, sagt sie. Sich über ein zu geringes Trinkgeld ärgern, tut sie selten. „Ich habe das große Glück, dass ich von den Einnahmen nicht abhängig bin“, sagt sie. Vielmehr sei es für sie ein Extra-Taschengeld, das sie vor allem dazu nutzt, um zu verreisen.

Daran, mit dem Kellnern aufzuhören, denkt Tanja Fechner noch lange nicht. „Solange es mir Spaß macht, werde ich weiterhin im Festzelt stehen“, sagt sie. Zu schön sind die Erinnerungen, zu besonders die Atmosphäre. „Ich bin mal Roberto Blanco beim Oktoberfest an einem Tisch versumpft. Das war lustig“, erinnert sie sich. Promis würde sie im Rahmen ihrer Tätigkeit immer wieder treffen. Einige verwickeln sie in ein Gespräch, andere würden ihr Nachrichten schreiben. Davon aus der Ruhe bringen lässt sie sich nicht.

Eine klare Regel:
„Finger weg!“

Bei ihr gibt es nur eine Regel: „Ich mag es nicht, wenn Gäste mich anfassen“, sagt sie. Wichtig sei ihr zudem, dass die Gäste verstehen, dass ein Kellner, der nicht in ihre Richtung schaut, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht für ihren Bereich zuständig ist. „Oft sind die Gäste deshalb schnell genervt, das ist schade“, sagt sie. Worüber sie und ihre Kolleginnen sich in der Regel immer freuen: Wenn Gäste sie fragen, ob sie auch etwas trinken möchte. „Das ist eine schöne Geste und zeigt Wertschätzung.“

Das sagt die Brauerei „Auerbräu“

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