Eine Königin und eine Weltenbummlerin

von Redaktion

Es sind zwei kuriose Geheimnisse vom Rosenheimer Herbstfest. Denn was viele nicht wissen: Im Flötzinger-Festzelt bedient nicht nur eine Königin, sondern auch eine Weltenbummlerin, die Tausende von Kilometern reist, nur um dort zu arbeiten. Was hinter den Geschichten der beiden Frauen steckt.

Rosenheim – Vroni Ettstaller scheint eine große Liebe für Bier zu haben. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet sie als Bedienung im Flötzinger-Festzelt. Dass sie dort die gesamten 16 Tage arbeitet, sei jedoch nie geplant gewesen. Durch ihr Amt als Bayerische Bierkönigin von 2019 bis 2021 sei sie auf das Herbstfest in Rosenheim aufmerksam geworden. Und für sie ist das etwas ganz Besonderes.

Als Bayerische Bierkönigin musste die Gmunderin ganze 409 Termine absolvieren. „Ich war gefühlt keinen einzigen Tag zu Hause“, sagt Ettstaller und lacht. So reiste sie unter anderem zwischen Tegernsee, Mexiko, Namibia, Shanghai und Italien umher, besuchte knapp 250 Brauereien und stellte den bayerischen Gerstensaft vor.

Langes
Auswahlverfahren

Um überhaupt eine „Hoheit“ zu werden, musste die 26-Jährige ein langes Auswahlverfahren über sich ergehen lassen. Beim Bayerischen Brauerbund gab sie ihre Bewerbung ab. „Voraussetzungen dafür sind unter anderem, dass man mindestens 21 Jahre alt ist und in Bayern aufgewachsen ist“, sagt Ettstaller. 2019 habe es 80 Mitbewerber gegeben. 25 davon kamen in die engere Auswahl und mussten zu einem Casting nach München. Dabei wurden sieben Finalisten ausgewählt.

Einen Monat konnten über ein Online-Voting die endgültigen Finalisten ausgewählt werden. Im Mai 2019 fand dann in München der große Wahlabend mit Jury- und Publikumsabstimmung statt. Dabei ging die Krone an Ettstaller. „Durch Corona habe ich noch ein zweites Amtsjahr drangehängt“, sagt sie.

Durch das Amt als Bierkönigin kam Ettstaller in Kontakt mit der Familie Steegmüller von der Flötzinger Brauerei. Vergangenes Jahr entschied sich die Gmunderin dann, als Bedienung im Festzelt auszuhelfen. Das Schöne ist für sie die familiäre Atmosphäre.

„Die Flötzinger Brauerei und auch unser Festwirt Andi Schmidt haben immer ein offenes Ohr für Fragen oder Anliegen“, sagt sie. Außerdem sei jede Bedienung nicht „nur eine Nummer“, wie auf dem Dirndl zu sehen ist. „Es wird jeder mit dem Namen angesprochen und das schätze ich sehr“, sagt Ettstaller.

Die 26-Jährige bedient die Gäste auf der Galerie. Bis zu zehn Mass trägt sie auf einmal die Stufen hinauf. Doch das sei nicht das anstrengendste an ihrem Job. Eher der Schlitten, auf dem die Vor-, Haupt- und Nachspeisen transportiert werden. Auf diese harte Arbeit bereitet sich Ettstaller aber nicht vor. „Ich war vor dem Herbstfest noch im Urlaub, da habe ich genügend Kraft getankt“, sagt sie und lacht. Das Schöne am Bedienen ist für sie die Gaudi mit den Gästen. Hin und wieder komme aber auch jemand zu ihr, der sie als ehemalige Bierkönigin erkennt. Das freue sie sehr und ein Foto ist für sie immer drin.

Auf dem diesjährigen Herbstfest hat Vroni Ettstaller auch schon für das Münchner Hofbräuzelt trainiert. Denn dort wird sie ebenfalls als Bedienung im Einsatz sein. Wenn alle Feste vorbei sind, geht es mit dem Bier aber gleich weiter. Denn die ehemalige Königin absolvierte ihr Studium im Brauwesen und Getränketechnologie. Vor Kurzem beendete sie noch ihr Studium in Hauswirtschaft. „Wenn die Feste vorbei sind, möchte ich wieder als Braumeisterin arbeiten“, sagt Ettstaller. Der Beruf sei noch stark von Männern dominiert. In ihrem Studium habe es 60 Männer und nur zehn Frauen gegeben. Doch der Beruf mache ihr viel Spaß, „und wir Frauen halten die Fahne hoch“.

Die letzten Tage im Flötzinger-Festzelt für dieses Jahr will sie noch in vollen Zügen genießen. Dafür reist sie jeden Tag von Tegernsee an. Sie parkt bei einer Kollegin und zusammen radeln sie auf dem Fahrrad zum Herbstfest. Ganz entspannt lässt sich Ettstaller dabei auf dem Gepäckträger fahren – so, wie es sich eben für eine echte Königin gehört.

Die wohl längste und außergewöhnlichste Anreise hatte allerdings eine Kollegin von Ettstaller. Christine Fuchs ist mehrmals um die halbe Welt gereist, nur um auf dem Herbstfest zu arbeiten. Denn im Jahr 2016 ist die 44-Jährige aus Vagen mit ihrer Familie nach Neuseeland gezogen. „Für die Wiesn in Rosenheim und München bin ich aber immer hin- und hergeflogen“, sagt Fuchs. Die Kosten für die Flüge habe sie dabei gerne in Kauf genommen. Nach dreieinhalb Jahren auf der Südhalbkugel ging es für Fuchs weiter nach Schweden. Und auch da: Extra für das Herbstfest reiste sie zurück nach Rosenheim. Dass das möglich ist, sei auch immer ihre Bedingung für die Auswahl des neuen Wohnortes gewesen.

„Die Arbeit auf dem Herbstfest ist halt ein bisschen wie so ein Virus“, sagt die Flötzinger-Bedienung und lacht. Entweder einem gefalle es und man bleibe ewig dabei oder man habe es einmal gesehen und mache es nie wieder. Angefangen habe sie damit während ihres Tiermedizinstudiums im Jahr 2008. Ihre Schwester hatte die Idee, daraufhin haben sich die beiden beim Auerbräu beworben – und wurden beide genommen.

Ihre Schwester habe allerdings einen Vorteil gehabt: „Sie hatte schon ein wenig Erfahrung in der Gastronomie“, sagt Fuchs. Daher habe sie mit ihrem Onkel, der damals Brauereivertreter einer Münchner Brauerei war, vor dem Herbstfest im Garten geübt. „Er hat mir dann die Krüge gebracht, damit ich das Tragen lerne“, sagt die 44-Jährige.

Da ihr das erste Jahr so Spaß gemacht habe, ist Fuchs bis heute ohne Pausen dabeigeblieben.

Allerdings habe sie 2013 die „Seiten“ auf dem Herbstfest gewechselt. Nach fünf Jahren in der Auerbräu-Festhalle wurde sie im Flötzinger-Festzelt Bedienung. Zunächst im Biergarten, später im Boxen-Bereich. Inzwischen lebt Christine Fuchs mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern wieder fest in Deutschland – vorerst zumindest. „Wir überlegen noch, ob es nochmal weiter weggeht, wir können nichts ausschließen“, sagt die 44-Jährige und lacht.

Zum Bedienen auf das Herbstfest wolle sie aber unabhängig davon kommen. Auch, wenn es dabei genauso schwierige Momente gibt. Vor allem das Verabschieden von der Familie zu der Zeit in Neuseeland sei schwer gewesen. „Meist bin ich da für mehrere Wochen alleine nach Deutschland geflogen“, erzählt Fuchs. Nur einmal sei ihr Mann nachgeflogen, aus einem ganz wichtigen Grund: „Wir haben an dem Wochenende zwischen dem Herbstfest und Oktoberfest standesamtlich geheiratet.“

Kaum Zeit
für Heimweh

Viel Zeit für Heimweh habe sie aber dennoch nicht gehabt. „Wenn man auf der Wiesn ist, ist man sowieso in einer anderen Welt, da bekommt man einfach gar nichts von außen mit“, sagt Fuchs. Zudem hat sie nebenbei auch immer etwas Urlaub in der „alten Heimat“ gemacht. „Und dann war es eigentlich auch schön, einfach die ganzen Freunde wiederzusehen.“ Daher hat die Vorfreude immer überwogen.

Allerdings hätte sie auch gut vorstellen können, dass sowohl in Neuseeland als auch in Schweden größere Volksfeste wie in Bayern eingeführt werden – damit die Wartezeit auf das Herbstfest nicht so lang ist. „Deswegen habe ich schon mal nachgefragt, ob die Flötzinger-Brauerei da drüben nicht irgendwas aufbauen möchte“, sagt Fuchs und lacht.

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