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von Redaktion

Interview Lokschuppen-Leiterin Jennifer Morscheiser über das Fantasy-Lesefestival

Rosenheim – Jennifer Morscheiser kann lange über Fantasy-Romane sprechen. Die Leiterin des Rosenheimer Lokschuppens erinnert sich gerne an ihre Kindheit mit Büchern wie „Herr der Ringe“. Doch nicht nur die Werke Tolkiens zählen für sie zum Fantasy-Genre, sondern auch einige von Goethes Werken, etwa „Faust“. Für ein Lieblingsbuch kann sie sich aber nicht entscheiden, dafür gebe es zu viele tolle Geschichten. Jetzt hat
Morscheiser zusammen mit der Stadtbibliothek Rosenheim das erste Fantasy-Lesefestival der Stadt ins Leben gerufen. Die Veranstaltung richtet sich an alle Altersklassen. Vom Freitag, 20. September, bis zum Sonntag, 22. September, werden mehr als 20 Autoren ihre Werke vorlesen. Dabei soll es sich nicht um „gewöhnliche“ Vorlesungen handeln.

Was ist Ihre Lieblings-szene aus einem
Fantasy-Roman?

In „Der kleine Hobbit“ von J.R.R. Tolkien gibt es eine Stelle, bei der der Drache Smaug über die Seestadt fliegt, um sie zu zerstören. Als ich diese Stelle als Kind vorgelesen bekam, konnte ich die Angst der Bewohner deutlich spüren. Deshalb wollte ich den Film zum Buch nie sehen. Kein Film kann diese Atmosphäre richtig einfangen. Ich wäre nur enttäuscht worden.

Was finden Sie am Fantasy-Genre so spannend?

Durch Fantasy können ernste Themen aufgegriffen und von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet werden. Wie es etwa die „Schattenelfen“-Buchreihe von Bernhard Hennen zeigt. Die Welt ist in verschiedene Reiche aufgeteilt, die jeweils verschiedene Politiksysteme haben. Ein Land, das vom Kommunismus inspiriert wurde, scheint auf den ersten Blick perfekt, doch die Anforderungen, überhaupt in das Land zu kommen, sind so hoch, dass Unruhen ausbrechen. Ein anderes Land wird im autoritären Stil regiert. All diese Ideen, die unsere Realität betreffen, können in der Fantastik durchgespielt und damit auch ausprobiert werden. Gleiches gilt für die im Festival auch vertretene Science-Fiction.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Fantasy-Lesefestival zu veranstalten?

Susanne Delp, die Leiterin der Rosenheimer Stadtbibliothek, und ich hatten gemeinsam die Idee dazu. Ich habe durch meine frühere Tätigkeit im Krefelder Museum Burg Linn den Kontakt zu einigen bekannten Fantasy-Schriftstellern erhalten. Damals haben wir zusammen mit Bernhard Hennen für eine Märchenausstellung viele bekannte und unbekannte Autoren eingeladen. Zum Beispiel Kai Meyer, Markus Heitz, Akram El-Bahai – bis auf wenige Autorinnen und Autoren kenne ich daher die nach Rosenheim Eingeladenen schon länger.

Wie konnten Sie die Autoren überzeugen, nach Rosenheim zu kommen?

Da musste ich niemanden überzeugen. Hier in Bayern gibt es nicht viele Angebote und Veranstaltungen für Fantasy-Fans. Es gibt keine Buchmessen wie in Leipzig oder Frankfurt. Das möchten wir gerne ändern. Wir haben auch hier in Bayern eine Fantasy-Szene, das merke ich allein schon in der Ausstellung „Heldinnen und Helden“, und das sind nicht nur Jugendliche! Ganz im Gegenteil sind die Leserinnen und Leser dieses Genres inzwischen auch schon im Rentenalter.

Wie wird das Festival
ablaufen?

Die Autoren werden in der Stadtbibliothek, dem Innmuseum, dem Ballhaus und dem Stadtjugendring sowie dem Lokschuppen lesen. Die eigentliche Veranstaltung ist so geplant, dass kurze Passagen gelesen werden und dann moderiert über die Bücher gesprochen wird. Das dauert ungefähr eine Stunde, dann ist aber nicht gehetzt der Raum gleich wieder belegt, sondern Zeit für Gespräche. Dabei kann man alles fragen. Die Autoren nehmen sich bewusst Zeit und freuen sich über den Austausch zu ihren Werken.

Am Samstagabend findet dann der Höhepunkt statt: Eine Bühnenveranstaltung im Ballhaus, auf der alle Autoren zusammentreffen.

Was wird bei dem Höhepunkt passieren?

Die Autoren reden über ganz unterschiedliche Aspekte des Schreibens, aber vielleicht auch über den Buchmarkt mit seinen aktuellen Herausforderungen. Etwa, wie sich die Buchindustrie in Zeiten von der Online-Leseplattform Wattpad verändert hat. Oder über das Thema Fanfiction, also Texte, die von bereits bestehenden Büchern, Filmen und Videospielen inspiriert sind. Die Gespräche werden spannend sein, denn dabei treffen verschiedene Persönlichkeiten aufeinander, zum Beispiel eine junge lesbische Autorin auf einen älteren, konservativen Mann: Das bietet spannende Diskussionen.

Warum sind die Lesungsorte über die Stadt verteilt?

Wir wollen die Stadt Rosenheim einbeziehen. Die Besucher und Autoren sollen mehr von der Stadt kennenlernen. Außerdem haben wir sehr viele Autoren und brauchten dementsprechend auch mehrere Orte, damit für alle genügend Zeit bleibt. Manchmal überschneiden sich zwei Lesungstermine, aber wir haben darauf geachtet, dass das so selten wie möglich vorkommt.

Was ist der Unterschied zu üblichen Vorlesungen?

Jede einzelne Lesung wird moderiert, damit auch die Leser, die sich nicht so gut mit Fantasy auskennen, in die Geschichte geführt werden. Der Dialog mit dem Publikum soll im Vordergrund stehen. Die Autoren werden Textstellen vorlesen, singen oder schauspielern – und dann mit dem Publikum ins Gespräch kommen.

Was sind Ihre Hoffnungen für das Festival?

Ich wünsche mir, dass die Fantasy-Szene in Bayern mehr Treffpunkte und die deutsche Fantastik mehr Beachtung finden. Wenn man an Fantasy-Autoren denkt, denkt man schnell an J.K. Rowling oder J.R.R. Tolkien und die deutschen Schriftsteller rücken in den Hintergrund. Mit dem Festival möchte ich zeigen, dass auch die deutschen Fantasy-Autoren spannende Geschichten schreiben.

Interview: Cordula Wildauer

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