Saure Mienen bei Rasern in Fürstätt

von Redaktion

Viertklässler ziehen Temposünder aus dem Verkehr und verteilen Zitronen

Rosenheim – Matthias Bädermann hat schon die ein oder andere brenzlige Situation erlebt. Der Lehrer an der Grund- und Mittelschule in Fürstätt radelt fast täglich die Hochfellnstraße entlang. „Wie die Autofahrer zum Teil an mir vorbeischießen, ist grenzwertig“, sagt er. Auch der Sicherheitsabstand werde in den wenigsten Fällen eingehalten. Vor allem für Kinder entstehen so immer wieder gefährliche Situationen. Umso mehr freut sich der Lehrer über die Initiative der Rosenheimer Polizei. Unter dem Motto „Schokolade oder Zitrone“ wurden am gestrigen Donnerstagvormittag Autofahrer kontrolliert – mit Unterstützung zahlreicher Viertklässler. Während die Beamten bereits das Lasermessgerät in der 30er-Zone aufbauten, erhielten die Schüler letzte Anweisungen von ihrem Lehrer. „Autofahrer, die sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, bekommen ein Stück Schokolade. Wer zu schnell unterwegs ist, muss in eine Zitrone beißen“, erklärt Polizeihauptkommissar Robert Maurer. Während er erklärt, winkt sein Kollege, Polizeimeister Lennart Busch, bereits die erste Autofahrerin aus dem Verkehr. Die Frau schaut irritiert aus dem Fenster, wirft dann einen Blick auf ihren Tacho und öffnet die Tür.

Lasermessung
in der 30er-Zone

„Keine Sorge, Sie haben nichts falsch gemacht“, beruhigt sie Polizist Thomas Unterlinner. Er klärt die Frau über die Aktion auf, lobt sie dafür, dass sie sich an die Geschwindigkeit gehalten hat. Hinter ihm haben sich bereits zwei Viertklässlerinnen aufgestellt, ein Mädchen hält eine Tafel Schokolade in der Hand. Schüchtern reicht sie der Frau ein Stück. „Vielen Dank, dass Sie alles richtig gemacht haben“, sagt sie, bevor sie zurück zu ihren Freundinnen rennt.

Nur wenige Minuten später ruft Busch das Wort „Zitrone“. Aufgeregt öffnen die Schüler einen Glasbehälter mit den Zitronenscheiben und laufen auf den roten Honda zu. Der Fahrer, ein ehemaliger Schüler der Grund- und Mittelschule, war mit 40 Stundenkilometern unterwegs – in einer Tempo-30-Zone. „Ich habe es eilig. Aber es tut mir leid, dass ich zu schnell unterwegs war. Das war mein Fehler“, sagt er. Weil er sich einsichtig zeigt, stellt ihn Polizist Thomas Unterlinner vor die Wahl: Entweder in die Zitrone beißen oder eine Geldstrafe zahlen. Der junge Mann muss nicht lange überlegen und nimmt die Zitrone in den Mund, bevor er seine Fahrt fortsetzt.

„Die Aktion ist total wichtig. Kinder haben kein Gespür für die Geschwindigkeiten für Autos“, sagt Lehrer Matthias Bädermann, während er seine Schützlinge dabei beobachtet, wie sie Schokolade und Zitronen verteilen. Die Kinder würden schon seit Wochen auf den Termin hinfiebern. „Sie reden von nichts anderem mehr. Es macht ihnen Spaß, mit Verkehrssündern zu sprechen“, sagt er und lacht.

Währenddessen hat Polizeimeister Lennart Busch bereits das nächste Auto aus dem Verkehr gezogen. Der Rosenheimer war mit 43 Stundenkilometern deutlich zu schnell unterwegs. „Ich habe verschlafen und habe einen wichtigen Termin im Krankenhaus“, sagt er. Die Kinder stehen vor ihm, fragen, ob er nicht wisse, dass man auf der Hochfellnstraße nur 30 Stundenkilometer fahren dürfe. Zudem weisen sie ihn darauf hin, dass überhöhte Geschwindigkeit für Schüler durchaus gefährlich sein kann. Auch er zeigt sich einsichtig, entschuldigt sich und beißt in die Zitrone.

„Bei erhöhter Geschwindigkeit verlängert sich auch der Bremsweg. Das kann eine mögliche Unfallursache sein“, erklärt Robert Maurer. Vor allem auf dem Schulweg sei es deshalb wichtig, dass Autofahrer nicht zu schnell unterwegs sind. Das weiß auch die Fahrerin eines weißen Skoda. Trotzdem war sie an diesem Vormittag mit acht Stundenkilometern zu schnell unterwegs. „Ich habe einen Friseurtermin. Auf der Autobahn hat schon Chaos geherrscht. Normalerweise bin ich nie zu schnell“, sagt sie. Die Kinder hören zu, nicken. Sie scheinen die Erklärung zu akzeptieren. In die Zitrone beißen muss die Frau trotzdem. Kurz bevor sie ihre Fahrt fortsetzt, bekommt sie noch einen Ratschlag von Polizist Thomas Unterlinner mit auf den Weg: „Fahren Sie langsam in Zukunft, auch wenn Sie im Stress sind. Den Kindern zuliebe.“

Zwei Stunden
Kontrolle

Nach rund zwei Stunden ist die Kontrolle beendet. „Das Ergebnis ist durchwachsen“, sagt Hauptkommissar Robert Maurer. Es habe etliche Autofahrer gegeben, die sich an die vorgeschriebene Geschwindigkeit gehalten haben und mit einem Stück Schokolade belohnt wurden. Gleichzeitig habe es aber auch einige Verkehrssünder gegeben – die von Polizei und Schülern getadelt wurden. „Ich glaube, es ist uns trotzdem gelungen, das Bewusstsein für die Verkehrssicherheit zu stärken“, sagt Maurer.

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