„Erhebliche Gefahrensituationen“ für Tesla-Fahrer

von Redaktion

Mann aus der Region klagt – Gutachter bricht Probefahrt ab – Fall am Landgericht Traunstein anhängig

Traunstein/Rosenheim – Irgendwann wurde es zu gefährlich. Während ein vom Landgericht Traunstein bestellter Gutachter mit dem E-Auto Tesla „Model 3“ eine Probefahrt machte, wurde es plötzlich brenzlig. Ohne erkennbaren Grund bremste das Auto im Autopilot-Fahrbetrieb – vergleichbar mit einem Tempomaten – stark ab. Von 140 km/h auf 94 km/h, mitten auf der Autobahn. Die nachfolgenden Fahrzeuge mussten ausweichen oder ebenfalls stark abbremsen. Es sei zu „erheblichen Gefahrensituationen“ gekommen. So schildert es der Gutachter in seinem Bericht, welcher der Redaktion vorliegt. Daraufhin wurde der Test aus Sicherheitsgründen abgebrochen.

Der Probefahrt vorausgegangen war, dass ein Mann aus der Region Klage beim Landgericht gegen Tesla eingereicht hat. Denn auch der Kläger musste feststellen, dass sein Auto immer wieder sogenannte Phantombremsungen durchführt. Den Eingang der Klage bestätigt auch die Pressesprecherin des Gerichts auf OVB-Anfrage. Dort sei das Verfahren seit April anhängig. Schuld an dem Problem sei das Autopilot-System des Tesla, erklärt Dr. Christoph Lindner, Rechtsanwalt aus Rosenheim, der den Kläger vertritt. Denn Tesla verzichte auf sämtliche Radar- und Ultraschallsensoren, die normalerweise für Assistenzsysteme wie Einparkhilfen oder Notbremsfunktionen verwendet werden. Stattdessen sollen die verbauten Kameras im Auto ausreichen, um alle Situationen richtig einzuschätzen. Dafür habe es in der Vergangenheit bereits Kritik von Experten gegeben, da das System unzuverlässiger sei. Teilweise war sogar die Rede davon, dass die Kunden als Testpiloten missbraucht werden.

Es sei zwar kein Sensoren-System perfekt, aber andere Hersteller könnten es bereits deutlich besser umsetzen als Tesla, sagt auch Christoph Lindner. Er vertritt deutschlandweit Mandanten im dreistelligen Bereich, die gegen den amerikanischen Konzern klagen. „Damit wollen wir grundsätzlich die Elektromobilität und die Verkehrswende mit guten, wegweisenden Fahrzeugen voranbringen.“ Die momentane Technik im Tesla sei allerdings „im Moment eben nicht Stand der Technik und nicht verkehrssicher“. Und die Verwendung des Autopiloten damit ein „Sicherheitsrisiko“.

Für Lindners Mandanten steht daher fest: So will er das Auto nicht mehr nutzen. „Im Moment geht es bei der Klage letztlich um ein neues Fahrzeug, weil Tesla auch behauptet, dass man das nicht reparieren kann“, betont der Rechtsanwalt. Da Tesla die Vorwürfe aber bisher zudem bestreite, habe er sich nach langen Diskussionen darum bemüht, dass das Gericht ein unabhängiges Gutachten in Auftrag gibt. Aufgrund der Ergebnisse sehen sich Lindner und sein Mandant bestätigt. Denn während der rund 700 Kilometer langen Probefahrt über die Autobahn sei es mehrere Male zu heiklen Situationen gekommen. Immer wieder habe das Fahrzeug des Mannes „unplausibel gebremst“. Damit sei die Problematik der Phantombremsungen nun nachgewiesen. Und zum ersten Mal auch von einem unabhängigen Gutachter in Deutschland.

„Signalwirkung“ über
den Einzelfall hinaus?

Welche Folgen das Gutachten hat, das kann Lindner noch nicht sagen. „Von einer Signalwirkung kann man aber schon ausgehen“, so der Anwalt. Vor allem, wenn das Gericht der Klage stattgibt. „Das könnte Auswirkungen über den Einzelfall hinaus haben.“ Auch, weil mit einem Urteil der Druck auf den Hersteller, zuverlässigere Systeme zu verbauen, größer werden könnte. Bis es zu einem Urteil kommt, wird es wohl aber noch dauern. „Es ist voraussichtlich mit einem Urteil im Laufe des Jahres 2025 zu rechnen“, teilt die Landgericht-Pressesprecherin mit. Zuvor will Tesla den Gutachter im Dezember noch mündlich vor Gericht anhören. Julian Baumeister

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