Ringen um Aisings „Alten Wirt“

von Redaktion

Abrisspläne sorgen für Existenzängste und Unmut – Protestwelle im Ort wächst täglich

Rosenheim – Für Rudolf Babl wäre es das Ende einer Ära. Seit 45 Jahren ist er Mitglied in der Schützengesellschaft „Immergrün“ in Aising, seit neun Jahren ist er als Schützenmeister tätig. Zweimal in der Woche trifft er sich mit einem Großteil der Mitglieder im Schützenheim, das sich im Nebengebäude des Wirtshauses „Alter Wirt“ in Aising befindet. Es wird geratscht, trainiert und in Erinnerungen geschwelgt.

Droht das Ende des
Schützenvereins?

Doch damit könnte jetzt bald Schluss sein. Denn auch Rudolf Babl hat davon gehört, dass der „Alte Wirt“ abgerissen werden soll. „Das würde auch das Ende unseres Schützenvereins bedeuten“, sagt er. Noch gut erinnert er sich an die Erzählungen der älteren Mitglieder. Sie seien es gewesen, die beim Bau des Wirtshauses mitgeholfen hätten und sich – in Absprache mit Auerbräu – dafür eingesetzt hatten, dass in einem Teil des Gebäudes eine neue Heimat für den Schützenverein entsteht. Seit 1951 kommen die rund 120 Mitglieder in Aising zusammen. Im Keller des „Alten Wirts“ befinden sich acht Schießstände, die auch von den Sommerbiathleten immer wieder genutzt werden. Es läuft gut, trotz der Nachwuchssorgen. „Während der Pandemie haben wir viele Jugendliche verloren“, sagt Rudolf Babl. Trotzdem sei der Verein mit einem blauen Auge davongekommen. Jetzt steht man vor der nächsten Herausforderung.

Gemeinsame Suche
nach Lösungen

Denn sollte der „Alte Wirt“ tatsächlich abgerissen werden, steht die Schützengesellschaft „Immergrün“ ohne Bleibe da. „Ich war sehr traurig, als ich von der Nachricht erfahren habe“, sagt der Schützenmeister. Er habe das Gespräch mit dem Eigentümer – der Brauerei „Auerbräu – gesucht und sich die Pläne zeigen lassen. Gemeinsam habe man nach einer Lösung gesucht. So sei durchaus vorstellbar, dass der Verein auch im geplanten Neubau einen Platz finden könnte.

Für Rudolf Babl ist das nur ein schwacher Trost. Nicht nur würde der Verein bis zur Fertigstellung ohne Bleibe sein und dadurch wohl zahlreiche Mitglieder verlieren, auch steht im Moment noch nicht fest, wie hoch die Miete ausfallen wird. „Die Kosten müssen wir als Verein stemmen. Deshalb darf es nicht zu teuer sein“, sagt Babl. Zwar sei vorstellbar, dass der Verein für kurze Zeit anderswo unterkommt, doch wirklich optimistisch ist der Schützenmeister nicht.

Etwas mehr Glück hat Pano Theodoropulos. Seit zwölf Jahren betreibt er den Fruga-Getränkemarkt direkt neben dem „Alten Wirt“. Über mehrere Ecken habe er davon erfahren, dass auch sein Gebäude abgerissen werden soll. Denn neben dem Grundstück, auf dem sich der „Alte Wirt“ befindet, soll auch die angrenzende Fläche weiterentwickelt werden. Für Theodoropulos und seinen Markt wäre das das Aus. „Ich wäre dann existenzlos“, sagt er am Telefon. Umso glücklicher ist er darüber, dass eine Lösung gefunden wurde.

Fruga-Getränkemarkt
muss umziehen

Im Februar zieht der Fruga-Getränkemarkt um – auf die gegenüberliegende Fläche, etwa 200 Meter entfernt vom jetzigen Standort. „Da haben wir sehr viel Glück gehabt“, sagt Pano Theodoropulos. Ein Landwirt habe seine Halle so ausgebaut, dass auch der Getränkemarkt Platz findet. Trotz der glücklichen Fügung macht er aus seinem Unmut kein Geheimnis. Denn der Umzug bedeutet für den Inhaber einen „Riesenaufwand“.

Sein Geschäft wird im Februar deshalb voraussichtlich für eine Woche geschlossen bleiben. „Es hilft ja nichts“, fügt er hinzu. Unzufrieden sind auch die Mitglieder der Interessengemeinschaft Rosenheim Süd um die Vorsitzende Johanna Schmid. Sie haben Banner aufgestellt, werben für den Erhalt des „Alten Wirts“. Nachvollziehen, dass das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, kann von den Mitgliedern niemand. Zumal andere Häuser in der Umgebung mit einer ähnlichen Bauweise geschützt sind.

„Das ehemalige Gasthaus, das aus dem mittleren 19. Jahrhundert stammt, wurde vor allem im Inneren stark verändert“, teilt eine Sprecherin des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege auf OVB-Anfrage mit. Im Sommer 2024 habe es einen Ortstermin gegeben, bei dem festgestellt wurde, dass das gesamte Erdgeschoss entkernt wurde und große Fenstereinbrüche in die Außenwände eingebaut wurden. Im Obergeschoss wurde der Sprecherin zufolge der Grundriss verändert, die Treppenanlage sei aus den 1980er-Jahren und der gesamte Bestand an Fenstern, Oberflächen und Bodenbelägen sei neu.

„Nur einige Türen und Dielenböden der Zeit um 1900 im Bereich der einstigen Fremdenzimmer sind erhalten geblieben“, sagt die Sprecherin. Sie erinnert zudem daran, dass das Wirtschaftsgebäude, das früher nördlich des einstigen Gasthauses stand, bereits abgerissen wurde, wodurch auch das äußere Erscheinungsbild der historischen Gastwirtschaft verloren ging. „Eine Denkmaleigenschaft kann wegen des hohen Maßes an reduzierter historischer Bausubstanz nicht erkannt werden“, fasst es die Sprecherin zusammen. Aus diesem Grund sei kein Eintrag des „Alten Wirts“ in die Denkmalliste erfolgt.

Einem Abriss steht somit nichts im Weg. Zum Unverständnis der Interessensgemeinschaft Rosenheim Süd. Sie fürchten vor allem, dass sich durch den Neubau das Aisinger Ortsbild massiv verändern wird. Hinzu kommt, dass der „Alte Wirt“ sehr prägend für den Ortsteil sei. „Überall in der Stadt wird Tradition und Historie großgeschrieben. Nur in Aising scheint es egal zu sein“, meinte ein Mitglied der Interessensgemeinschaft.

Teil der Fassade soll
erhalten bleiben

Johanna Schmid und die Mitglieder der Interessensgemeinschaft hoffen, dass zumindest ein Teil der Fassade erhalten bleiben kann. Doch die Chancen dafür stehen wohl eher schlecht. „Der ‚Alte Wirt‘ gehört zu den bekanntesten Gebäuden im Landkreis“, sagt ein Mitglied. Er selbst habe mehrmals das Gespräch mit den Planern und Eigentümern gesucht, immer wieder Vorschläge in den Raum geworfen, wie es doch noch gelingen könnte, das Gebäude zu erhalten. Bisher jedoch ohne Erfolg.

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