Rosenheim – Es ist ein Fall, der für Aufsehen sorgt: In der Pernauerstraße hat ein 58-jähriger Mann, der erst kürzlich nach Rosenheim gezogen ist, zur Motorsäge gegriffen, weil er sich an einer Hecke störte. So schildert es ein Sprecher der Rosenheimer Polizei. Die Hecke befand sich im Gemeinschaftsgarten der Wohnanlage und sollte eigentlich als Sichtschutz zwischen zwei Wohnungen dienen. Nach einem verbalen Streit, bei dem offenbar keine Lösung gefunden werden konnte, entfernte der neu zugezogene Nachbar kurzerhand einen Teil der Hecke mit einer Motorsäge.
Mit Bildern
vom „Tatort“
„Es war furchtbar laut“, erinnert sich eine Nachbarin, die ebenfalls in der Pernauerstraße lebt. Anrufe bei weiteren Anwohnern verlaufen ins Leere. Mehr Informationen gibt es jedoch bei der Rosenheimer Polizei. „Solche Fälle kommen immer wieder vor“, bestätigt ein Sprecher auf OVB-Anfrage. Im Fall von Dienstag habe die Betroffene den Vorfall direkt im Anschluss bei der Polizei gemeldet. Sie habe Bilder dabei gehabt und genau gezeigt, welche Bäume gefällt wurden. Laut Polizei handelt es sich um eine Thujen-Hecke. Vier Bäume wurden gefällt, diese seien ihm zufolge zwischen zwei und drei Metern hoch gewesen. „Der Hausmeister wurde bereits informiert. In den kommenden Wochen sollte ohnehin eine neue Hecke gepflanzt werden“, so der Sprecher weiter. Ob gegen den 58-jährigen Mann dennoch eine Anzeige erstattet wird, sei Sache des Hauseigentümers. Fälle dieser Art kennt auch Gisbert Teubner. Seit elf Jahren arbeitet er auch als Güterichter am Amtsgericht Rosenheim und versucht, bei Streitigkeiten zu vermitteln. „Nachbarschaftsstreits kommen häufig, aber nicht regelmäßig vor“, sagt er auf OVB-Anfrage.
Das weiß auch Rechtsanwalt und Mediator Max Jelinek. „Jede Art der Nachbarschaftsquerele ist mir bekannt“, sagt er. Noch gut erinnert er sich an Fälle, die ihm über Strafrichter zugewiesen wurden, bei denen Nachbarn mit Spitzhacke und Spaten aufeinander losgegangen seien. Er rät dazu, so „frühzeitig wie möglich aufeinander zuzugehen, um sich über die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse auszutauschen“. So kann es ihm zufolge gelingen, eine Lösung zu finden. In Fällen, in denen eine Lösung nicht über den Gartenzaun hinweg möglich ist und es bereits zu einem Rechtsstreit gekommen ist, wird Richter Gisbert Teubner ins Boot geholt. „Ich mache mit den Beteiligten häufig einen Termin vor Ort aus, um mir die Situation genau anzuschauen“, sagt er. Nur so würden sich die Nachbarn auch ernst genommen fühlen. Hin und wieder gelinge es dadurch, eine schnelle Lösung zu finden. Beispielsweise dann, wenn nur einige Äste gestutzt werden müssen.
Kniffliger wird es, wenn der Baum zu nahe an der Grundstücksgrenze steht und beispielsweise einen Schatten auf das Haus wirft. Davon aus der Ruhe bringen, lässt sich Gisbert Teubner nur selten. Auch, weil er weiß, dass die Ursache des Streits meist ganz woanders liegt. „Es ist oft interessant, zu erfahren, warum die Hecke überhaupt gepflanzt wurde. Häufig ist es eine Trotzreaktion, um den Nachbarn zu ärgern“, sagt er. In anderen Fällen sei es überhaupt nicht um die Bepflanzung gegangen, sondern um die Zufahrt zum Grundstück. Wenn aber keine Lösung gefunden werden kann, kochen die Emotionen immer weiter hoch und münden in einem neuen Streitthema – beispielsweise einer Hecke auf dem gemeinsamen Grundstück.
Äste müssen
überhängen
Fest steht, dass Nachbarn eine Hecke oder einen Baum nur dann scheiden dürfen, wenn die Äste überhängen. In anderen Worten: Wenn die Äste des Nachbarbaums auf meinem Grundstück hängen, darf selbst Hand angelegt werden. Zudem müssen Bäume oder Hecken mindestens zwei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt stehen. Alles, was näher dran ist, darf nicht höher als zwei Meter sein. „Wird das eingehalten, kann der Nachbar pflanzen, was er möchte“, sagt Teubner. Wächst der Baum doch höher als gedacht, und sorgt für Laub und Schatten auf dem Nachbargrundstück, muss zwischen den einzelnen Parteien noch einmal neu verhandelt werden. „Mein Rat ist hier immer ein Blick in die jeweilige Gemeindesatzung“, sagt Rechtsanwalt und Mediator Max Jelinek. Auch das bayerische Justizministerium hat unter dem Motto „Rund um die Gartengrenze“ eine Broschüre mit Informationen zusammengestellt.