Rosenheim – Manuel Klem war schon mit 20 Jahren klar, dass er sein Leben Gott widmen möchte. „Ich habe damals eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker gemacht und bin in meiner Freizeit gern feiern gegangen“, sagt der 32-Jährige aus dem Schwarzwald. Nebenbei besuchte er eine berufsbegleitende Bibelschule. „Da hat es plötzlich Klick gemacht“, sagt Klem.
Er habe gemerkt, dass Gott einen anderen Lebensweg für ihn vorgesehen habe. „Ich sah in meinem Herzen keinen Sinn mehr in dem, was ich bisher gemacht habe“, sagt er. Daraufhin änderte er sein Leben radikal: Er brach seine Ausbildung ab, trat in die Freie evangelische Gemeinde (FeG) ein und wurde bald zum wohl jüngsten Pfarrer Rosenheims. „Das Christentum ist nicht nur eine Religion für mich. Es ist mein Leben“, sagt er.
Taufe erst mit
20 Jahren
Klem ist mit den Grundsätzen der Freien evangelischen Kirche aufgewachsen. Seine Eltern waren bereits Mitglied in der Gemeinde. Trotzdem stand es Klem frei, ob er den Weg seiner Eltern einschlagen wollte oder nicht. „Bei uns ist es sehr wichtig, dass man sich freiwillig zu Gott bekennt“, sagt er. So ließ er sich erst mit 20 Jahren taufen.
Matthias Pöhlmann, Weltanschauungsbeauftragter der evangelisch-lutherischen Landeskirche, definiert die Freie evangelische Gemeinde als evangelikal geprägte Freikirche. „Das bedeutet: eine Freiwilligkeitskirche“, schreibt er auf OVB-Anfrage. Das Ziel der FeG sei, einen christlichen Lebensstil zu pflegen. So geben die Mitglieder ein Zehntel ihres Einkommens an die Kirche ab. Weiterhin halten sie sich an Einsichten aus der Bibel. Dabei gebe es viele Gemeinsamkeiten zwischen der FeG und der evangelisch-lutherischen Kirche. Der größte Unterschied liege beim Taufen. Das bestätigt auch der Priener Pfarrer Hartmann Otto, der die FeG Rosenheim vor 20 Jahren gegründet hat. „Wir taufen keine Kinder, ansonsten sind wir der evangelischen Kirche ähnlich.“
Die Rosenheimer Freikirche begann laut Otto erst als Hauskreis. „Es gab damals noch keine freikirchliche evangelische Gemeinde in Rosenheim, alle Freikirchler mussten nach München pendeln“, erinnert er sich. Deswegen gründete er damals den Treffpunkt. Nach und nach kamen immer mehr Menschen zusammen. Diese kamen nicht nur aus Rosenheim, sondern auch aus Kiefersfelden, Wasserburg und Bad Aibling. So wurde die FeG Rosenheim geboren, die mittlerweile 120 Mitglieder hat und ihr 20-jähriges Bestehen feiert.
„Die Freie evangelische Gemeinschaft ist meine Heimat“, sagt beispielsweise der Rosenheimer Rentner Werner Maier, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nur die Pfarrer sollen Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfen, findet er. Dass die Mitglieder sich nur anonym äußern wollen, ist laut dem Weltanschauungsexperten Matthias Pöhlmann nicht unüblich. „Als Nichtpastor können und wollen sie sich wohl nicht offen zu theologischen Überzeugungen äußern.“ Dafür kann Maier über seine Erlebnisse in der Gemeinschaft unter Pfarrer Klem sprechen.
Vertrauen auf
die Kraft Gottes
„Ohne die Gottesdienste würde mir etwas fehlen“, sagt Maier, der schon von Anfang an Mitglied in der FeG ist. In der Gemeinschaft könne er sich selbst reflektieren und sich als Mensch und Christ kontinuierlich verbessern. „Unsere Gemeinschaft ist in den letzten 20 Jahren von zehn auf mehr als 100 Mitglieder gewachsen“, sagt Maier. Dadurch würden manche Unterhaltungen über die Bibel und das evangelische Christentum etwas hitziger werden. Etwa beim Thema LGBTQ+. „Es ist nicht leicht, so viele Menschen zusammenzubringen, doch Pfarrer Klem bewahrt stets die Ruhe und stellt sicher, dass wir friedlich debattieren“, sagt er.
Doch Klem ist nicht nur Pfarrer: Er steckt gerade in seinem Theologie-Masterstudium und erzieht zusammen mit seiner Frau Jenny zwei Kinder im Alter von ein und drei Jahren. Auf die Frage, wie er das alles unter einen Hut bringt, lacht er. „Gar nicht“, irgendetwas leide immer. Deshalb könne er aktuell nur Teilzeit-Pfarrer sein. „Aber ich gebe mein Bestes und vertraue darauf, dass Gott mir Kraft gibt.“