Angeregte Diskussion um „Worum geht es beim Gendern?“

von Redaktion

Podiumsgespräch liefert Einblicke in viel diskutierten Wunsch nach einer geschlechtergerechteren Sprache

Rosenheim – Worum geht es beim Gendern? Um diese Frage ging es unlängst am Abend „Gedankenspiele“ des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Rosenheim im „Cuca“. Auf dem Podium sprachen Agnes Matrai, Geschäftsführerin der VHS Wasserburg und Linguistin, Helga Gold, frühere Direktorin des Amtsgerichts Rosenheim, Simon Hausstetter, Rohrdorfer Bürgermeister, und Tayfun Samli, Mitgründer und Gruppenleiter bei W3. Die Moderation hatte Dekanin Dagmar Häfner-Becker. Zunächst wurde in der Runde diskutiert, anschließend ging es in den Austausch mit dem Publikum.

Agnes Matrai vertrat zu Beginn eine weite Begriffsdefinition. Gendern sei jede sprachliche Bemühung, unterschiedliche soziale Geschlechter zu berücksichtigen und dadurch sichtbar zu machen. Die Möglichkeiten reichen von statt „jede und jeder“ das Wort „alle“ zu verwenden bis zum Gebrauch von Sonderzeichen. Einigkeit bestand, dass die Verwendung von Sprache nicht vorgeschrieben werden darf. Denken und Sprache seien frei. Daran zu rütteln, könne ein Schritt in die falsche Richtung sein. Denn Grenzen des Vorschreibbaren zu definieren, sei schwierig.

In der Diskussion um das Gendern würden oft Themen vermischt. So ging es an dem Abend auch darum, diese Themen zu benennen und zu unterscheiden. So gibt der Rat für deutsche Rechtschreibung Empfehlungen heraus, indem er anhand vieler Texte analysiert, wie Schriftsprache verwendet wird. Es geht dabei um Regeln der Rechtschreibung, nicht um die Verwendung von Sprache, außerdem um Empfehlungen, nicht um Vorschriften. Dr. Agnes Matrai berichtete von einer Schulkinder-Studie, in der sich zeige, dass Kinder bei der Verwendung des generischen Maskulinums überwiegend verstünden, dass es sich um männliche Personen handelt. Einig war man sich auch, dass sich unsere Gesellschaft verändere. Damit verändere sich notwendigerweise Sprache. Eine Sprache, die aktuelle Verhältnisse nicht beschreiben könne, sterbe. Als prominentes Beispiel nannte Simon Hausstetter Latein. In dieser Gesellschaft möchten viele Gruppen sichtbarer werden und besser wahrgenommen werden. Das drücke man über Sprache aus. Sprache sei zudem generationenabhängig. In der Runde wurde daher für Toleranz geworben. Beobachtet werden könne, dass die Verwendung und Wahrnehmung von Sprache durch kulturelle oder geschichtliche Erfahrungen geprägt seien.

Veränderungen in der Sprache seien langsamer als die Entwicklungen in der Gesellschaft. Daher seien sie eine logische Konsequenz auf gesellschaftliche Prozesse.

Tayfun Samli betonte die Notwendigkeit einer guten Fehlerkultur. Fehler dürften gemacht und benannt werden. Nicht zuletzt gehe es bei dem Thema auch um Macht und den Umgang mit Macht. Helga Gold wies auf die Würde des Menschen hin, die im Grundgesetz verankert ist und allen gleichermaßen gilt. Jedem Menschen sei gleich respektvoll zu begegnen. Das sei eine wichtige Grundhaltung, die unabhängig von der Frage des Genderns gilt und in der Debatte auch leitend sein sollte.

Der Abend mache deutlich: Es sei wichtig, Meinungen in offener Atmosphäre auszutauschen. Andere müssten nicht immer andere von der eigenen Meinung überzeugen. Es dürfen unterschiedliche Ansichten nebeneinander stehenbleiben.

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