Todesfahrt auf A94 erneut vor Gericht

von Redaktion

Drei Syrer vor dem Landgericht Traunstein – Prozess nach einer Stunde unterbrochen

Traunstein/Ampfing/Wien – Ein weiterer Prozess rund um den schrecklichen Schleuserunfall mit sieben Toten und 15 teils Schwerstverletzten am 13. Oktober 2023 auf der A94 bei Ampfing sollte am gestrigen Mittwoch vor der Jugendkammer am Landgericht Traunstein starten. Nach einer Stunde war jedoch bereits wieder Schluss – nach Befangenheitsanträgen der Verteidiger. Das Verfahren beginnt jetzt neu am 6. November um 9.30 Uhr.

Das Gericht mit Vorsitzender Richterin Heike Will muss prüfen, welche Rolle drei junge Syrer aus Wien im Vorfeld der Tragödie spielten. Laut Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling sollen sie den 25-jährigen Todesfahrer von einem Scoutwagen aus vor Polizeikontrollen gewarnt haben. 

Angeklagte sollten
wohl kundschaften

Den drei Männern, inzwischen 18, 23 und 24 Jahre alt, liegt Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge zur Last, während es bei dem eigentlichen Schleuser im Hauptvorwurf um Mord geht. Staatsanwalt Markus Andrä hat bereits auf eine lebenslange Freiheitsstrafe und Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“ plädiert (wir berichteten). Das Schwurgericht mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler wird das Urteil gegen den 25-Jährigen am 5. November um 11 Uhr verkünden.

Die Vorwürfe in der neuen Hauptverhandlung decken sich in weiten Teilen mit denen aus dem Verfahren gegen den Fahrer. In jener Nacht gegen 3.15 Uhr war ein ziviles Dienstfahrzeug der Bundespolizeiinspektion Freilassing auf den Kleinbus Mercedes Vito, der auf der
A94 in Richtung München unterwegs war, aufmerksam geworden.

Statt auf die Anhaltesignale der Streife zu reagieren, gab der 25-jährige Fahrzeuglenker Gas. Auf der Fluchtfahrt erreichte er Geschwindigkeiten von bis zu 180 Kilometern pro Stunde. Als er die Autobahn an der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing mit Tempo 146 verlassen wollte, kam der mit 22 Flüchtlingen total überladene neunsitzige Kleinbus ins Schleudern. Er verfing sich in der Leitplanke, überschlug sich und landete auf dem Dach. Sieben Insassen, darunter ein sechs Jahre altes Kind mit seinem Vater, flogen aus dem sich überschlagenden Bus und waren sofort tot. 15 Personen trugen teils massivste Verletzungen davon. Ein Mann befindet sich bis heute im Wachkoma und bleibt für immer ein Pflegefall.

Angeblich haben sich die drei Männer mit dem 25-Jährigen für die Organisation der Schleusung am 13. Oktober 2023 zusammengetan. Alle wussten mutmaßlich von der Überladung des Kleinbusses und dass es keine ausreichenden Sicherheitsgurte gab.

Auch soll den drei Männern bekannt gewesen sein, dass die ungesicherten Passagiere bei einem Unfall schwerste und tödliche Verletzungen davon tragen könnten. Der 23-Jährige soll den 25-Jährigen zudem als Fahrer des Kleinbusses angeworben und ihm 300 Euro Schleuserlohn pro Flüchtling offeriert haben. 

Die drei Scouts sollen dem Mercedes Vito in einem Pkw BMW 520d mit österreichischem Kennzeichen auf der geplanten Route vorausgefahren sein. Ziel war laut Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling, eventuelle Polizeikontrollen auszukundschaften. Als sie die Polizei am Grenzübergang Simbach entdeckten, sollen sie das Schleuserfahrzeug zum Übergang Burghausen umgeleitet haben.

Der BMW 520d soll auf der weiteren Fahrstrecke des Mercedes in der Nähe gewesen sein. Seit Februar 2024 sitzen die drei Männer in Untersuchungshaft. Während der 25-Jährige vor dem Schwurgericht ein volles Geständnis abgelegt hatte, kam es gestern nicht einmal zur Verlesung der Anklageschrift. Die Hauptverhandlung der Jugendkammer gegen die drei Scouts endete nach gut einer Stunde.

Der Grund für die Unterbrechung: Alle Verteidiger – Anita Süßenguth aus Neuötting, Michael Vogel und Jens Diedrich aus Traunstein sowie Raphael Botor aus Rosenheim – hatten einen Befangenheitsantrag gegen einen der ehrenamtlichen Richter gestellt – nachdem bekannt geworden war, dass er am 13. Oktober 2023 an der Unfallstelle als Ersthelfer eines Rettungsdienstes tätig war.

Schöffe war als
Ersthelfer tätig

Die Anwälte begründeten, dass das schlimme Geschehen mit Toten und Verletzten am Unfallort sich dem Schöffen eingeprägt habe. Eine objektive Einschätzung des Geschehens sei damit nicht mehr möglich.

Letztlich startet der Prozess nun am 6. November um 9.30 Uhr völlig neu – mit einem neuen Schöffen. Dann erst wird die Anklage verlesen. Die Termine am 27. November und am 11. Dezember bleiben bestehen. Möglicherweise benötigt die Jugendkammer noch einen weiteren Verhandlungstag.

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