Höchst umstrittener Auftritt im Kuko

von Redaktion

Er soll den Holocaust verharmlosen und Verschwörungsmythen verbreiten: Der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser ist umstritten. Nach einem Auftritt in Bad Aibling kommt er jetzt nach Rosenheim. Forderungen nach einer Absage werden laut.Die Kritik ist massiv, das Thema jedoch komplex.

Rosenheim – Es soll um Weltfrieden gehen, einen Blick hinter die „Kulissen der aktuellen Machtpolitik“ und die Frage, wie man Kriegslügen erkennen kann. So heißt es in einer Ankündigung zu einem Live-Vortrag im Kultur- und Kongresszentrum in Rosenheim. Zu Gast ist Daniele Ganser, ein Schweizer Historiker mit riesiger Fangemeinde, der unter Kritikern als Verschwörungstheoretiker gilt.

Gut vernetzt mit
rechten Esoterikern

Er verbreitet seine eigenen Ansichten zu den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001, Corona und den Ukraine-Krieg. Die Impfkampagne gegen Corona bezeichnet er als Spaltung der Gesellschaft, zudem soll er den Holocaust verharmlosen. „Er ist mit der rechts-esoterischen Szene eng vernetzt“, sagt Dr. Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

Ganser sorgt ihm zufolge für Verunsicherung, schafft eine Allianz des Misstrauens und spaltet mit seinen Aussagen die Gesellschaft. Trotzdem – oder gerade deswegen – stößt er mit seinen Vorträgen immer wieder auf eine große Resonanz. „Er wirkt sehr sympathisch, kann sich sehr gut selbst inszenieren und kommt besonders bei Frauen sehr gut an“, sagt Pöhlmann.

Kritik an Ganser äußert auch Tobias Holl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern. „Daniele Ganser nutzt in seinen Vorträgen extrem rechte, antisemitische und geschichtsrevisionistische Narrative“, sagt er auf OVB-Anfrage. Dabei gehe er geschickt vor: Er hantiere nicht offen mit rechtsextremen Parolen, sondern stellt Suggestivfragen. Er zitiere korrekt, aber oft aus dem Zusammenhang gerissen. „Quellen und Einschätzungen, die nicht zu seinem Argument passen, verschweigt er“, sagt Holl.

„Gefahr für die
Demokratie“

Es sind Punkte, die in anderen Städten immer wieder für Proteste gesorgt haben – und jetzt auch in Rosenheim das „Bündnis gegen rechte Hetze – No AfD“ auf den Plan gerufen hat. Das Bündnis kritisiert, dass der angebliche Verschwörungstheoretiker in Rosenheim eine Bühne bekommt, hinterfragt, wie es sein kann, dass ein „städtischer Eigenbetrieb völlig kritiklos und unkommentiert seine Räume einem gefährlichen Demagogen bereitstellt“.

Genau das ist auch für Tobias Holl von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus ein Rätsel. „Wir finden, dass extrem rechten, verschwörungsideologischen Demagogen wie Daniele Ganser keine Bühne geboten werden darf“, sagt er. Desinformation und Verschwörungsideologien seien eine Gefahr für die Demokratie. „Kommunen sollten alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um solche Veranstaltungen zu verhindern“, fährt er fort.

Doch genau das scheint alles andere als einfach zu sein, wie ein Blick nach Dortmund verrät. Dort hatte sich Daniele Ganser ebenfalls angekündigt. Im vergangenen Jahr sollte er in der Westfalenhalle auftreten. Die Stadt untersagte den Auftritt, berief sich auf eine Resolution gegen Antisemitismus, die der Rat der Stadt 2008 verabschiedet hatte. In dieser heißt es laut Pressesprecher Christian Stein, dass Organisatoren, Vereine und Personen, die den Holocaust leugnen oder relativieren, keine Räume oder Flächen zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Stadt machte die Rechnung jedoch ohne das Oberverwaltungsgericht des Landes. Die Richter kassierten den Beschluss und ließen den Auftritt zu. Ihre Entscheidung begründeten sie damit, dass die Halle für Veranstaltungen aller konzipiert sei und eine Untersagung des Auftritts gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verstoßen würde.

Genau auf diese Aussage stützt sich auch Florian Englert, Geschäftsführer der Veranstaltungs- und Kongress GmbH (VKR). Er erinnert daran, dass das Kultur- und Kongresszentrum, von der VKR betrieben wird, welche zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Rosenheim steht. „Beim Kuko handelt es sich insofern um eine öffentliche Einrichtung der Stadt Rosenheim, welche dem gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben der Stadt Rosenheim gewidmet ist“, sagt er auf OVB-Anfrage.

Absagen können
nicht erteilt werden

Aufgrund dieser Konstellation sei die VKR bei der Bearbeitung von Veranstaltungsanfragen an das öffentliche Recht, insbesondere die Grundrechte der anfragenden Veranstalter gebunden. Heißt: Wenn die angefragten Räumlichkeiten nicht anderweitig vergeben sind, die Personenkapazität nicht überschritten wird und bei der Veranstaltung keine verfassungsfeindlichen oder strafrechtlich relevanten Inhalte zu befürchten sind, können keine Absagen erteilt werden.

Das gilt eben auch für den geplanten Auftritt von Daniele Ganser. „Die Veranstaltung wurde nach Maßgabe der genannten Entscheidungskriterien überprüft, bevor ein Vertragsschluss erfolgte“, sagt Englert. Die Veranstaltung findet ihm zufolge im Rahmen der genehmigten Personenkapazitäten statt und dient als Vortrag dem gesellschaftlichen Widmungszweck des Kultur- und Kongresszentrums.

„Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist es keine Aufgabe der Betreiber öffentlicher Einrichtungen, den Meinungsdiskurs durch willkürliche Veranstaltungsverbote zu unterbinden. Somit ist es auch nicht Aufgabe der VKR, ein Veranstaltungsprogramm mit eigener politischer, künstlerischer oder gesellschaftlicher Zielsetzung zu kuratieren“, fährt Englert fort.

Dass Auftritte dieser Art schwer zu verbieten sind, weiß auch Matthias Pöhlmann. Umso wichtiger seien zivilgesellschaftliche Gegeninitiativen, die kritisch über Verschwörungsideologen informieren und den Finger in die Wunde legen. „Es stünde Rosenheim insgesamt sehr gut zu Gesicht, im Stadtrat eine klare Leitlinie und ein zum Schutz einer diversen und offenen Stadtgesellschaft zu verabschieden und dies als Grundlage für Verträge im Kuko zu nutzen“, ergänzt der Halfinger Politik-Experte Florian Wenzel.

Kritischer Blick auf
Gansers Hintermänner

Das unterstreicht auch Tobias Hell von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern. Er weist zudem darauf hin, dass nicht nur Daniele Ganser das Problem ist, sondern auch der Veranstalter – der rechtsesoterische „Hambacher Kulturförderverein“. „Der Vorsitzende des Vereins, Erich Hambach, ist seit Jahren als Netzwerker in einer verschwörungsideologischen und in Teilen extrem rechten Szene aktiv“, sagt er. Mit Gernot Mörig – dem Organisator des Potsdamer Geheimtreffens – soll er nach den Worten von Tobias Hell das rechte Medienprojekt „FreeDoLine“ geplant haben. Zudem sei er Buchautor und Vortragsredner, der auf extrem rechten Konferenzen spricht.

„Er ist, genau wie Ganser, so etwas wie ein Bewegungsunternehmer im extrem rechten Verschwörungsbusiness. Beide arbeiten mit diesem für die verschwörungsideologische Szene üblichen Vorgehen und untergraben so das Vertrauen in die Demokratie“, sagt Hell.

Wegsehen ist die
falsche Strategie

Gelingt es nicht, die Veranstaltungen zu verhindern, sollte dafür gesorgt werden, dass die Auftritte nicht unwidersprochen hingenommen werden, sagt er. Wegsehen oder verharmlosen ist in seinen Augen die falsche Strategie.

„Sie führt dazu, dass extrem rechte Narrative immer normaler und extrem rechte Milieus immer stärker werden“, sagt er. Langfristig rät er Kommunen dazu, ihre Räume über entsprechende Widmungen, Benutzungsordnungen, das Hausrecht und Ausschlussklauseln vor Veranstaltungen dieser Art zu schützen.

Artikel 5 von 8