Rosenheim – Rainer Kumberger wusste, worauf es im Leben ankam: seine Familie, Sport, sein Glaube und seine Weisheiten an alle weiterzugeben, die sie hören wollten. „Mein Vater war kein Freund von Smalltalk. Wenn man mit ihm zusammen war, ging es tief“, sagt seine Tochter Renate am Telefon und lacht.
Man hört ihr an, dass sie sich gerne an ihren Vater erinnerte, daran, wie er sie immer wieder dazu aufforderte, „noch mehr ins Herz zu gehen“, noch „liebevoller, verständnisvoller und gütiger“ zu werden.
Seifenblasen
bei der Trauerfeier
Es sind Dinge, die Renate Kumberger auch auf der Beerdigung ihres Vaters erzählt hat. „Es war wunderschön“, sagt sie. Ein Großteil der Besucher sei in bunten Trainingsanzügen gekommen, zwischen die zahlreichen Seifenblasen mischte sich immer wieder Gelächter. „Für meinen Papa war es ein Freudenfest“, sagt sie.
Sie beschreibt ihn als Philosophen, als jemanden, der immer positiv gewesen sei. „Er hat sich nie erlaubt, zu jammern“, sagt sie. Selbst schlechte Nachrichten konnten ihn nicht aus der Bahn werfen. Für alles gebe es einen Grund. So äußerte er sich im Februar 2024, als er bekannt gab, dass er sein geliebtes Studio „1st Fitness“ im Rosenheimer Aicherpark schließen musste. Während der Corona-Pandemie habe die Zahl der Kündigungen zugenommen, die Einnahmen sanken. Er musste Mitarbeiter entlassen, schmiss das Studio seit September 2021 alleine. Ausgemacht habe ihm das nichts. Im Gegenteil. Er liebte es, den ganzen Tag in seinem Studio zu verbringen, gab den Mitgliedern Tipps für die Übungen – und fürs Leben.
Schon als kleiner Bub
sportbegeistert
Schon als kleiner Bub war es der Sport, der ihn begeisterte. Er turnte, probierte sich im Taekwondo und landete schließlich beim Bodybuilding. 1983 eröffnete er sein eigenes Studio in Kolbermoor. Auf 500 Quadratmetern schaffte er ein Paradies für Bodybuilder. Drei Jahre später zog es ihn in die Georg-Aicher-Straße in Rosenheim.
„Zu den Hochzeiten haben 1500 Leute bei mir trainiert“, sagte er im Februar. Er erweiterte sein Studio von 1400 auf 2000 Quadratmeter. Es lief gut, bis die Pandemie alles veränderte. Doch Rainer Kumberger blieb optimistisch. Selbst dann, als an einer Schließung kein Weg mehr vorbeiführte. „Wenn eine Tür zugeht, geht irgendwo eine andere auf“, sagte er damals.
Die neu gewonnen Freizeit nutzte er, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen, Klavier zu spielen und zu lesen. Aber auch, um sich um seine Gesundheit zu kümmern. Denn 2023 wurde bei Rainer Kumberger Krebs festgestellt. „Er hat nie gejammert oder sich beschwert“, sagt seine Tochter Renate. Stattdessen habe er auch die Krankheit als eine Chance gesehen – um noch mehr zu lieben und noch mehr zu reflektieren.
„Trotz seiner Krankheit und all dem Leid, dass er in den letzten Monaten ertragen musste, haben seine Augen bis zum letzten Tag gestrahlt“, sagt seine Tochter. Um ihre Worte zu unterstreichen, erzählt sie von dem Moment, als ihm die Ärzte mitteilten, dass er nun ein Palliativpatient sei. „Ich habe geheult und Papa hat plötzlich angefangen, das Lied ‚Mit 66 Jahren‘ zu singen“, sagt Renate Kumberger. Auch jetzt bringt sie diese Erinnerung noch zum Lachen.
In den letzten Tagen vor seinem Tod hätten ihn zahlreiche Menschen besucht. „Mir wurde da erst richtig klar, wie viele Herzen er in seinem Leben berührt und ihnen gleichzeitig einen Schubs in die richtige Richtung gegeben hat“, sagt seine Tochter. Immer wieder habe sie Gespräche mit Leuten geführt, die ihr gesagt hätten, wie viel sie von ihrem Vater gelernt hätten – vor allem Geradlinigkeit.
„Mein Vater wurde vom Krebs besiegt, doch was ihn wirklich ausmacht, sein Geist, seine Seele, hat sich bereits zu Lebzeiten über den Krebs erhoben“, sagt sie. Für ihn sei der Krebs nie ein Unglück gewesen. Stattdessen habe er ihr immer wieder gesagt: „Ich bin so im Frieden mit mir. Ich habe keinen Stein in meinem Garten und ich bin bereit zu gehen. Ich freue mich auf alle, die vor mir gegangen sind und jetzt auf mich warten. Das wird ein großes Wiedersehensfest.“
Es gibt zahlreiche dieser Anekdoten, die Renate Kumberger über ihren Vater erzählen könnte. Wie die vom letzten Tag seines Fitnessstudios. Damals hätten ihn Mitglieder gefragt, ob er nicht traurig sei, dass er sein Studio aufgeben musste. Seine Antwort: „Tibetische Mönche machen einmal im Jahr ein riesiges Mandala aus buntem Sand auf den Boden in ihrem Tempel. Da sind mehrere Mönche mehrere Tage am Stück beschäftigt. Diese Mandalas sind wunderschön, ein wahrhaftes Kunstwerk. Wenn die Mönche damit fertig sind, zerstören sie es wieder. Das Mandala steht für die Vergänglichkeit im Leben und für das Loslassen.“ Das „1st Fitness“ sei sein Mandala, sagte er. „Und ich bin dankbar, dass ich 40 Jahre lang meinen Traum leben durfte.“