Viel Gewäsch für viel Eintrittsgeld

von Redaktion

Volles Haus für fragwürdige Thesen: Daniele Ganser trat in Rosenheim auf und zog Fans aus dem weiten Umkreis an. Wie der umstrittene Auftritt am Sonntag im Kuko verlief und warum die Diskussion über solche Veranstaltungen anhalten wird.

Rosenheim – Daniele Ganser in Rosenheim: Der Auftritt des umstrittenen Vortragsreisenden hat schon Tage davor für Diskussionen gesorgt. Hätte man den Schweizer nicht wieder ausladen können, muss man so jemandem im Kuko ein Forum geben? Die Stadt rechtfertigt die Veranstaltung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung.

Kritiker rufen zur Demo auf. Unter dem Motto „Kein Raum für Hetze, Desinformation und Hass von Demokratiefeinden“ versammeln sich rund 120 Menschen vor dem Kuko. Noch eine Reaktion von offizieller Seite: Oberbürgermeister Andreas März und der Aufsichtsrat des Kultur- und Kongress-Zentrums haben sich von der Ganser-Veranstaltung distanziert.

Ganser macht Kasse
mit kruden Theorien

Das Kuko: ausverkauft. In zwei langen Schlangen schieben sich die Ganser-Fans auf den Einlass zu. Soweit zu sehen, bleiben keine Plätze frei. 1600 Menschen mit Tickets zu fast 30 Euro, das macht fast 48000 Euro. 3000 Euro kostet die Saalmiete. Das Personal hat Ganser selbst mitgebracht, von den vorgeschriebenen Mitarbeitern der Stadt abgesehen. Bleiben wahrscheinlich immer noch über 40000 Euro, die Ganser und Co. einsacken. Mit Erzählungen vom großen Satan USA und der von wem auch immer gelenkten Demokratie lässt sich Kasse machen.

Der Beginn des Vortrags gibt den Ton des Abends vor. Daniele Ganser mokiert sich über die Gegendemo und fragt sich laut, wie man nur „gegen den Weltfrieden“ demonstrieren könne. Dabei demonstrierte draußen vor dem Kuko niemand gegen den „Weltfrieden“. Es ging um Klimaerwärmung und die Gefahr des Rechtsextremismus. Und es ging um Verschwörungstheorien sowie um Ganser und seinen angeblichen Weltfriedensplan.

Die Predigt
eines Polit-Gurus

Der Vortrag selbst: eine Predigt, gehalten von einem Polit-Guru, der sich offensichtlich gern reden hört und den daher die Längen im eigenen Vortrag naturgemäß nicht stören. Daniele Ganser spricht ansonsten gewandt, setzt Pointen treffsicher. Nach vielen Vorträgen kennt er die Erwartungen seines Publikums und weiß sie beredt zu erfüllen. Immer wieder erntet er Gelächter und Applaus. Besonders dann, wenn sich der Schweizer über die deutsche Regierung lustig macht.

Kein Wort über
Putins Untaten

Manchmal ähnelt der Schweizer einem Comedian. James Bond macht also Propaganda für den britischen Geheimdienst. Meint Ganser das ernst? Die Fakten: auf dem Niveau eines Kollegstufen-Referats. Man muss kein ausgewiesener Kenner der Geschichte sein, um Konflikte aufzuzählen, die die Vereinigten Staaten vom Zaun gebrochen haben. Nichts Neues also, auch wenn Ganser in bekannter Manier so tut, als erfahre er als „Forscher“ allenthalben Widerstand wegen seiner bahnbrechenden Erkenntnisse.

Man müsste übrigens auch kein Russland-Kenner sein, um zur Ergänzung Untaten Putins aufzuzählen. Das lässt Ganser sein. Russland-Schelte würde auch nicht ins Bild passen. Schließlich muss Deutschland raus aus der Nato, wie er sagt. Das nordatlantische Bündnis habe ja schließlich auch Russland zum Angriff auf die Ukraine provoziert. Derlei hört man ja oft. Durch die Wiederholung wird’s aber nicht wahrer.

Ganser äußert Meinungen, die er als Fakten verkauft. Immer wieder öffnet er Räume für den Zweifel – was an sich nicht schlecht wäre. Aber er füllt diese Räume sogleich mit Halbwahrheiten, die sich im Laufe seines Vortrages zu Gewissheiten verdichten. So wird in seinem Vortrag die CIA zum Hauptverdächtigen im Mordfall John F. Kennedy und die Regierung der USA zum Strippenzieher des Anschlags vom 11. September. „Wir wurden belogen“, raunt er dem Publikum zu.

Zum Abschluss
eine Seerose

Ein paar Tipps zur Erhaltung des Weltfriedens und des inneren Gleichgewichts, dazu das Bild einer Seerose, projiziert auf die Leinwand hinter Ganser, schließen nach fast drei Stunden den Abend. Viel Gewäsch für viel Eintrittsgeld. Fans von Ganser werden das anders sehen. Wie überhaupt viele Sachen auf der Welt. Als Rat für den nächsten Besuch bei Freunden hat Ganser den Zuhörern einen Tipp mitgegeben. Wenn die Gastgeber gute Köche seien, solle man die Frage, ob die CIA eine Terrororganisation sei, erst am Ende stellen. „Sonst entgeht Ihnen noch ein gutes Essen, wenn Sie früher gehen müssen.“

Ludwig Spaenle
warnt vor Ganser

Hätte man dem nun ein solches Forum wie das Kuko geben müssen? Die Demonstranten vorm Kuko kritisieren die Visite Gansers in Rosenheim. Und sind darin einer Meinung mit einem CSU-Politiker. Mit Auftritten des „Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser“ dürfe man sich nicht abfinden, fordert der Beauftragte der Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Dr. Ludwig Spaenle. Die Diskussion in Rosenheim dürfte anhalten.

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