Brennpunkt Salingarten

von Redaktion

160 Anzeigen in elf Monaten – Polizei und Stadt in Sorge

Rosenheim – Michael B. ist im Salingarten kein Unbekannter. Der Mann, der eigentlich anders heißt, ist hier fast täglich anzutreffen. Er wohnt derzeit in einer Obdachlosenunterkunft in der Stadt, teilt sich dort ein Zweibettzimmer. „Manchmal wird es mir dort einfach zu laut“, sagt er. Dann packt er seine Sachen, kauft sich auf dem Weg in die Innenstadt ein Bier – oder auch zwei – und sucht sich einen Platz im Salingarten.

Lange alleine sitzt er dort nie. Auch nicht an diesem Nachmittag. Sechs Männer haben es sich auf den Bänken bequem gemacht. Sie haben Decken dabei, aus der kleinen Musikbox schallt die Stimme des britischen Blues- und Soulsängers Rory Charles Graham, bekannt als Rag‘n‘Bone Man, der darüber singt, dass er auch er „nur ein Mensch ist“, der Fehler macht und nicht für alles die Schuld trägt. Michael B. nippt an seinem Bier. „Wir sind immer eine unterschiedliche Gruppe“, sagt er. Es komme darauf an, wer ihn anruft. Die Stunden im Salingarten gehören für ihn zum Höhepunkt des Tages. „Es ist immer eine schöne Gemeinschaft“, sagt er.

31-Jähriger geht
auf Polizisten los

Umso mehr stört es ihn, dass er des Öfteren von der Polizei des Platzes verwiesen wird. Denn im Salingarten gilt – wie in allen anderen Grünanlagen der Stadt Rosenheim – ein Alkoholverbot. Wer sich nicht daran hält, bekommt eine Anzeige und muss sich einen neuen Ort suchen. „Dieses Verbot macht in meinen Augen wenig Sinn“, kritisiert Michael B. Er habe schon mehrere Anzeigen bekommen. Einen Bußgeldbescheid vonseiten der Stadt habe er jedoch noch nicht erhalten. „Zum Glück“, sagt er und lacht. Langsam packt er seine Sachen zusammen. Die Bierflaschen nimmt er in die Hand, die Dosen packt er in eine Plastiktüte.

Ob es gefährlich sei im Salingarten? Kurz denkt er nach. „Bei uns nicht. Aber ich habe auch schon andere Situationen erlebt“, sagt er, bevor er weiterzieht. Eine dieser Situationen hat sich erst vor einigen Tagen ereignet. Ein 31-Jähriger wurde von den Polizisten kontrolliert, da er unter Verdacht stand, Drogen konsumiert zu haben. „Gleich zu Beginn zeigte sich der Mann äußerst aggressiv“, sagt Hauptkommissar Robert Maurer. Er weigerte sich, seine Personaldaten herauszugeben, und ging auf die Beamten los. „Wir mussten ihm Handschellen anlegen“, sagt Maurer.

Es ist einer von zahlreichen Vorfällen, die sich in den vergangenen Monaten ereignet haben. „Insgesamt gab es 160 Anzeigen im Salingarten“, sagt Maurer. Zum Vergleich: 2023 waren es im gleichen Zeitraum 50 Anzeigen weniger. „Die überwiegenden Verstöße sind der Konsum von Alkohol im Park“, erklärt der Polizeihauptkommissar.

Doch in den vergangenen drei Monaten mussten er und seine Kollegen feststellen, dass die Hemmschwelle sinkt. „Es kommt nun zu etwas mehr Streitigkeiten, die leider häufig auch in Körperverletzungsdelikten münden“, sagt er. In fast allen Fällen seien die Beteiligten teils erheblich alkoholisiert gewesen. Noch gut erinnert er sich an eine Schlägerei vor einigen Tagen. Ein Rosenheimer (34) und ein Mann aus Vogtareuth (25) gerieten aneinander. Sie schlugen aufeinander ein, verletzten sich am Bein und am Oberkörper. Ein Atemalkoholtest ergab bei beiden rund zwei Promille.

Die Polizei sprach einen Platzverweis aus und leitete ein Bußgeldverfahren ein. „Für die Ahndung und Verfolgung der Verstöße nach der städtischen Satzung ist die Stadt Rosenheim zuständig“, erklärt Maurer. Nach seinen Erkenntnissen werden erstmalige Verstöße dahingehend geahndet, dass der Betroffene eine schriftliche Verwarnung via Brief erhält. Erst beim zweiten Verstoß erfolge die Einleitung des Bußgeldverfahrens. Davon weiß zumindest Michael B. nichts. Und er scheint nicht der Einzige zu sein. So gibt es Gerüchte, dass bisher nur sehr wenig Anzeigen von der Stadt mit Bußgeldern geahndet wurden.

Fragen dazu, wie viele Bußgeldbescheide erlassen und wie viele Anzeigen bereits geahndet wurden, bleiben vonseiten der Verwaltung unbeantwortet.

Gefühlte Sicherheit
der Bürger leidet

Christian Baab, Pressesprecher der Stadt, sagt nur so viel: „Es ist festzuhalten, dass der überwiegende Teil der Anzeigen aufgrund von Verstößen gegen Betretungs- und Alkoholverbote erstattet wird.“ Der Verwaltung sei bewusst, dass die Aufenthaltsqualität und die gefühlte Sicherheit darunter leiden. „Wir stellen fest, dass Bußgelder und Betretungsverbote oftmals nicht den gewünschten Effekt haben“, sagt er. Im gleichen Zusammenhang erinnert er daran, dass eine Aufwertung des Salingartens geplant ist, die die Situation dort verbessern soll. Im Dezember soll im Bauausschuss laut Baab ein Rahmenkonzept zur Aufwertung vorgestellt werden. Im kommenden Jahr soll dann ein moderner und attraktiver Kinderspielplatz gebaut werden. Ob sich der Ruf des Salingartens dadurch verbessert, bleibt abzuwarten.

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